Liebe Freunde

01. Januar 1900 | von

 Liebe Freunde!

Kurz vor seinem Tod machte André Malraux (1901 – 1976) folgenden Ausspruch:

Ich warte noch auf den Propheten, der den Mut hat, in die Welt hinauszuschreien, dass das Nichts nicht existiert! Diese Worte des berühmten französischen Schriftstellers beeindrucken mich sehr.
Malraux erkannte, am Ende seines Lebensweges angelangt, dass die vorherrschende Tendenz seiner Zeit eine gegenteilige war: Die meisten Menschen glaubten an die Präsenz und die unbezwingbare Kraft des Nichts, der Leere und der Sinnlosigkeit. In unserer Zeit bräuchte es wahrscheinlich noch mehr Mut, zu verkünden, dass das Nichts nicht existiert. Vielmehr scheint das Nichts zu triumphieren, während der Glaube und die christliche Vision des Lebens immer mehr an Boden verlieren. Sie werden immer mehr in Bereiche zurückgedrängt, aus denen heraus ihre Stimme nur mehr gedämpft in der Gesellschaft wahrgenommen, oder gar von der Gleichgültigkeit verschluckt wird. Ich will an dieser Stelle kein Lamento anstimmen über die katastrophalen Zeiten, in denen wir leben. Es ist jedoch eine drängende Aufgabe, auf die Symptome der spirituellen Krankheit unserer Gesellschaft zu verweisen, damit wir gemeinsam Lösungen finden können.
Die atemlose Jagd nach Erfahrungen jeglicher Art, nach starken Gefühlen, nach Wohlstand und Erfolg um jeden Preis können wir in unserer gegenwärtigen Welt beobachten. Sie ist äußeres Zeichen einer inneren Haltung: Morgen wird das Nichts triumphieren, also müssen wir den gegenwärtigen Augenblick bis zum Äußersten auskosten. „Carpe diem“ riet der antike heidnische Horaz: Pflücke diesen Tag wie  die Rosen, bevor sie verblühen.   

Liebe Leserinnen und Freunde des heiligen Antonius, das Osterfest, das wir in diesen Tagen feiern, ist die mächtige Ankündigung, dass dem Nichts nicht das letzte Wort gehört. Der Auferstandene hat Sünde und Tod besiegt und damit auch Verzweiflung und Leere. Wenn wir an den auferstandenen Christus glauben, dann ist er der Prophet, der verkündet, dass das Nichts nicht existiert. Unser Universum und unser Leben sind nicht vom Nichts und der Dunkelheit umfangen, sondern vom Licht und von der Liebe Gottes. 
Christus will, dass jeder Gläubige zum Propheten wird. Er soll mit seinem Leben und mit mutigen Worten – wie es uns Antonius von Padua, Franz und Klara von Assisi vorgelebt haben -  verhindern, dass sich die Menschen ins Nichts stürzen, und ihnen den Weg zu einem erfüllten Leben mit Gott weisen.

Das Osterfest erschöpft sich nicht darin, ein Dogma zu verkünden, abstrakt und ohne Bezug zu uns Menschen. Vielmehr gibt es unserer Existenz einen Sinn und erhellt unseren Weg, auch wenn wir in Schmerzen leben und vielleicht unseren persönlichen „Kreuzweg“ gehen müssen. Und es lässt uns den Blick mit Vertrauen in die Zukunft richten, befreit von dem bedrückenden Nichts, dass dem Steinblock gleicht, der den Zugang zu Christi Grab versperrt hat.
Der heilige Antonius erwähnt in seinen Sermones die Unsicherheit der Frauen, die das Grab am Tag nach dem Samstag aufsuchen. Er fordert die Christen auf, sich ohne Angst dem Grab zu nähern und es ohne Scheu anzublicken, denn der Stein, der das Grab versperrte, ist schon weggewälzt.

Liebe Freunde der großen Antonianischen Familie – zusammen mit meinem Mitbrüdern der Basilika wünsche ich Ihnen gesegnete Ostern! Mögen Sie eine intensive Zeit erleben, erfüllt vom Glauben an Christus und der Dankbarkeit darüber, dass er uns befreit hat. Pace e bene!

 Ihr

                                             p. Sergio    

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016