Liebe Freunde!

22. November 2004 | von

Seit der Verkündigung des Dogmas der “unbefleckten Empfängnis Mariens“ sind 150 Jahre vergangen: An dieses Jubiläum erinnert in der aktuellen Ausgabe unser geschätzter Mitarbeiter Prof. Reinhold Ortner. Ein eher nebensächlicher Gedenktag, der nur das Interesse von ein paar alten Theologen findet? Ich meine, es ist vielmehr eine Gelegenheit, gemeinsam eines der göttlichen Geheimnisse wieder zu entdecken und mit Freude das Fest Mariens und der Geburt ihres Sohnes Jesus zu feiern.
Wenn wir uns die unbefleckte Empfängnis genauer betrachten, stellen wir fest, dass sie eine grundlegende Hoffnung der Christen zum Ausdruck bringt. Aus diesem Grund haben sich wohl auch einfache Menschen durch die Jahrhunderte für dieses Thema begeistert, auch in überraschenden, bisweilen exzessiven Frömmigkeitsformen. Heute werden Menschen zu passionierten Fans von Fußballmannschaften oder Formel-1-Piloten: In der Vergangenheit begeisterte man sich für christlich-theologische Themen. Der Journalist und Autor Vittorio Messori berichtet, dass in Spanien “nicht nur die Orden, sondern ganze Gemeinden, Universitäten und Korporationen öffentlich ihr Engagement für die Unbefleckte Empfängnis el voto de sangre (bis aufs Blut) zeigten, also auch die Verteidigung des Glaubenssatzes auch unter Lebensgefahr auf sich nahmen. Die ganze Stadt Sevilla war in Aufruhr, als ein Prediger den leichtsinnigen Ausspruch machte, dass seine Verehrung für Maria ihn nicht daran hindere zu glauben, dass auch sie maculata“ gewesen sei, also nicht immun gegen den Makel der Erbsünde.
Die Jahrhunderte währende Diskussion betraf eine zentrale Glaubenswahrheit. Sie entfaltete sich vor allem zwischen den Anhängern der Franziskaner zusammen mit den Jesuiten von der Unbefleckten Empfängnis und den Dominikanern, die zwar aufrichtige Verehrer der Jungfrau waren, in der theologischen Lehre jedoch von jener Doktrin abwichen. Letztere argumentierten: Christus ist der Erlöser aller. Wie könnte man also gerade seine Mutter von diesem großen Geschenk Christi ausschließen? Wenn also Maria von Anbeginn ihrer Existenz frei von jeglicher Sünde, auch der Erbsünde wäre, dann bräuchte sie auch keine Erlösung. Die Unbefleckte Empfängnis Mariens anzuerkennen hätte auch bedeutet, die Wirkkraft Christi, und die Glorie ihres Sohnes zu schmälern. Auf diese These antwortete der große franziskanische Theologe Johannes Duns Scotus: Christus ist auch der Erlöser Mariens, und zwar auf einer höheren Ebene. Er hat nicht nur einen Menschen von der Sünde befreit, sondern – in diesem Falle – ihn mit Gnade überhäuft, so dass er vor der Sünde bewahrt blieb, indem er diesen Makel von ihm abwehrte, der allen anderen anhaftet.
Inwiefern betrifft uns dies? Die Reinheit Mariens ist das erste Zeichen dafür, dass die Macht des Bösen unter den Menschen nicht unzerstörbar ist, dass etwas Neues eingetreten ist. Weihnachten zeigt uns noch viel deutlicher, dass für die Menschheit eine neue Zeit anbricht, dass Gott mit der Geburt seines Sohnes unter den Menschen ein neues Kapitel der Geschichte aufgeschlagen hat: es ist die Geschichte der Treue und Gemeinschaft zwischen Himmel und Erde. Von dieser Neuigkeit kündet Maria, das reine Licht der Morgenröte.
Liebe Leser und Freunde der Antonianischen Familie, trotz vieler Gründe für Trauer und Sorge können wir dieses Jahr in dem Lichte beschließen, das von Maria und ihrem Sohn, den sie in Bethlehem geboren hat, aussstrahlt. Ihnen allen einen herzlichen Dank für Ihre Unterstützung und der Wunsch aller Brüder der Basilika, dass Sie ein Weihnachten reich an Freuden und Gnaden verleben mögen!

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016