Lobpreis der Erlösten

01. Januar 1900

Schon im Abendmahlsaal waren die Herrenworte über Brot und Wein eingebettet in die Tisch-Danksagung des Hausvaters. Er sprach das Dankgebet kann leicht überlesen werden. Die christliche Überlieferung hat diese Danksagung beibehalten; sie hat so genannte Hochgebete geschaffen, in deren Mitte die Herrenworte stehen. So wichtig war den Alten das Eucharistiegebet, dass sie bald die ganze Feier, ja die heiligen Gaben selbst nach ihm benannten. Im Deutschen sprechen wir vom Eucharistischen Hochgebet oder Hochgebeten. Der Name drückt aus, dass an diesem Punkt der Messe unter den vielen Gebeten der Kirche eines erklingt, das die anderen alle hoch überragt, weil es aus der Danksagung in die Darbringung des Erlösungsopfers übergeht. Die Präfation beginnt mit einem dreigestuften Eröffnungsdialog zwischen dem zelebrierenden Priester und der mitfeiernden Gemeinde. Dieser dreimalige Wechselruf zeigt, wie sehr der Liturgie daran liegt, dass an dieser Stelle ein neuer intensiver Kontakt zwischen Altar und Kirchenschiff zwischen Priester und Gemeinde zustandekommt.

Leibhaftig anwesend. Im ersten Glied heißt es: Der Herr sei mit euch und die Gemeinde antwortet: Und mit deinem Geiste. Dieser Ruf des Priesters hat an dieser Stelle einen neuen Ton. Der Herr will leibhaftig in seine Gemeinde kommen. Er will in ihr Bruder und Hoherpriester, Opferlamm und Osterlamm, Mahlherr und Speise sein. Die Antwort des Volkes besagt: Du darfst in dieser Feier Jesu Platz einnehmen, du darfst nachsprechen und nachtun, was er in der Nacht, da er verraten wurde, tat.
Franziskus sagt den Brüdern, die Priester sind, sie sollten rein und in reiner Gesinnung, mit Ehrfurcht und mit heiliger und reiner Absicht das wahre Opfer des heiligsten Leibes und Blutes unseres Herrn Jesus Christus darbringen. Jegliches Wollen soll auf Gott gerichtet sein und deshalb danach verlangen, einzig ihm, dem höchsten Herrn zu gefallen, weil er allein dort wirkt, wie es ihm gefällt. (Brief an den Orden 14).

Herz beim Herrn. Das nächste Wechselwort lautet: Erhebet die Herzen und die Gemeinde antwortet: Wir haben sie beim Herrn. Es ist ein Ruf, der die Gläubigen aus aller Verstrickung in den Alltag und seine Sorgen lösen will. Die Antwort der Gläubigen will sagen: Dazu sind wir hierher gekommen; wir wollen uns hinein nehmen lassen in das Geheimnis seines Todes und seiner Auferstehung, wir wollen uns mitnehmen lassen vor das Antlitz seines und unseres Vaters.
Die Menschen der Zeit der Völkerwanderung haben ihre Herzen zu Gott erhoben, genauso die Menschen der ersten Jahrtausendwende, die Menschen der Reformation, des Dreißigjährigen Krieges, der französischen Revolution und unserer Zeit. Dieses Wort: Wir haben sie beim Herrn erklingt auch heute aus dem Mund der Gläubigen von einem Ende der Erde zum anderen, in den Buschkirchen, Dorfkirchen, Kathedralen und Domen. Es erklingt in den verschiedensten Sprachen. Der Heilige Augustinus sagte in einer seiner Predigten: In Städten und Dörfern, in Weilern und Gehöften, auf dem ganzen Erdkreis ruft das Menschengeschlecht täglich sozusagen wie aus einem Munde, es habe das Herz beim Herrn.

Dank für Rettung. Der letzte Dialog lautet: Lasset uns danken dem Herrn unsern Gott. Die Gemeinde antwortet darauf: Das ist würdig und recht. Dies ist kein allgemeiner Aufruf zur Dankbarkeit, wie er zu jeder Zeit an einen Christen, aber auch an einen frommen Juden oder Moslem möglich wäre. Dieses Wort zielt in folgende Richtung: Wir wollen hintreten vor Gott, den Vater unseres Herrn Jesus Christus und ihm danken, weil er uns gerettet hat. Wir wollen ihm mit der Gabe danken, die er uns in die Hände gelegt hat, mit Jesus seinen in den Tod dahingegebenen Sohn. Die Antwort der Gemeinde meint: Dazu sind wir hierher gekommen; wir wollen mit Christus und durch ihn und in ihm dem Vater im Himmel Dank sagen. Für uns, die wir

getauft und erlöst sind, gehört es sich so. Wir müssen danken.
Zur Zeit der Geburt Jesu und auch in den ersten christlichen Jahrhunderten gab es auch im öffentlichen, bürgerlichen Leben solche Akklamationen. Sie wurden als rechtsverbindlicher Ausdruck des Volkswillens gewertet, so, wie wenn man heute zum Zeichen des Einverständnisses die Hand erhebt. Wer also antwortet Das ist würdig und recht, hat gleichsam die Hand gehoben und verbindlich abgestimmt: Ja auch ich will danken, denn auch ich bin einer von denen, die aus Erbarmen gerettet wurden. Und mir ist bewusst, dass ich es nur durch Jesus, mit ihm und in ihm kann.
Der heilige Johannes Chrystosomus sagt einmal in einer Predigt zu seinen Gläubigen: Das Dankgebet bei der Messe ist Priester und Volk gemeinsam; nicht nur der Priester sagt Dank, sondern mit ihm das ganze Volk. Denn erst, nachdem der Priester die Stimme des Volkes vernommen und dieses ihm zugestimmt und gerufen hat, es sei würdig und recht, beginnt er mit der Danksagung.

Priesterlicher Dienst. Erst an dieser Stelle beginnt das eigentliche Dankgebet, das dann in das so genannte Sanctus, den dreifachen Heilig-Ruf mündet. Für die Teilnehmer der Messfeier bedeutet es Zugang zum heiligsten Geheimnis und Eintritt in ihren eigentlichen priesterlichen Dienst. Alle Christen sind berufen, sich als heilige Priesterschaft (1 Petr.2,5) am Heilwirken Gottes aktiv zu beteiligen. Priesterliches Wirken bedeutet zwischen Gott und den Menschen hin und her zu vermitteln. Je mehr ich mich in der Gabenbereitung Gott liebend und vertrauend übergeben habe, desto besser kann Jesus Christus mich in seinen priesterlichen Dienst nehmen.
Die Präfation erinnert dankend und preisend an das, was Gott in Jesus Christus für uns Menschen getan hat. Je nach liturgischer Zeit wird der Heilstaten Jesu Christi gedacht und Gott dafür Dank gesagt: Dieser Dank und Lobpreis berichtet in der Advents- und Weihnachtszeit vom Geheimnis der Menschwerdung; in der Fastenzeit steht Christi Liebe, die sich im Leiden und im Sterben kund tut im Mittelpunkt, an Pfingsten die Geistsendung.

Im Jubelruf vereint. Zu Beginn des Hochgebetes das heißt schon in der Präfation ist die ganze Schöpfung vor Gott versammelt: Darum preisen wir dich mit allen Engeln und Heiligen und singen vereint mit ihnen das Lob deiner Herrlichkeit. Die Engel stehen in Gottes Auftrag und sind auch unserem ganzen christlichen Leben zugeordnet. Sie kommen – obwohl ihr Verhalten so diskret ist – uns gerne zu Hilfe, wenn wir ihren Dienst mit Hochschätzung und Dank in Anspruch nehmen. Das Gleiche gilt für die Heiligen. Auch sie gehören zum Leib Christi als dessen Glieder wir alle einander ergänzen. Wir sind einander zugeordnet, ja sogar aufeinander angewiesen.
Der heilige Franziskus fühlte sich in seinem Beten so arm und ohnmächtig, dass er sich immer mit den Engeln und Heiligen verband. Zusammen mit den Engeln und Heiligen wird es uns leichter, Jesus Christus mit dem Jubelruf des Hosanna zu ehren.

Siegeslied. Die Griechen und die Russen haben einen eigenartigen Namen für den Heilig-Ruf der Messe. Sie nennen ihn das Siegeslied. Weil Jesus Christus gesiegt hat, sind wir Hausgenossen Gottes und Mitbürger der Heiligen und dürfen mit einstimmen in die himmlische und irdische Liturgie.
Es gilt nur noch, den einen zu loben, der dreimal heilig ist und dessen Herrlichkeit die ganze Erde überstrahlt.

Wer das Siegeslied richtig versteht, wird sich gedrängt fühlen, den Lobpreis der Erlösten zu singen.
Es darf nicht verwundern, dass Franziskus von Assisi in die Lobgebete, die er vor dem kanonischen Stundengebet verrichtete und die aus wenigen Worten der Heiligen Schrift bestehen, das Lob aus der Apokalypse aufnahm: Würdig ist das Lamm, das geschlachtet worden ist, zu empfangen Macht und Göttlichkeit und Weisheit und Stärke und Ehre und Herrlichkeit und Lobpreis (Off 5,12). Lasst uns ihn loben und über alles erheben in Ewigkeit (Dan 3,57).

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016