Maler verwunschener Märchenwelten

15. Dezember 2003 | von

Ein Kunstrevolutionär war er beileibe nicht. Obwohl – seiner Zeit war er doch irgendwie weit voraus, denn seine Bildwelt in ihrem Nebeneinader der dargestellten Handlungen trägt Züge in sich, die wir nach heutigem Verständnis ihrer erzählerischen Form wegen fast schon als Comicstrip bezeichnen würden.
Moritz von Schwind heißt der Künstler, von dem hier die Rede ist, und zu dessen Lebzeiten dieser moderne Begriff noch lange nicht zum allgemeinen Sprachbegriff zählte. Sein Name ist selbst anlässlich seines 200. Geburtstages vielleicht nicht in aller Munde, aber seine Bildwelt gehört gewissermaßen zum “Hausschatz“ deutscher Kunst des 19. Jahrhunderts, denn er hat uns viele verzaubernde Werke, insbesondere seine Märchenillustrationen, hinterlassen.

Musische Familie. Am 21. Januar 1804 wird er in Wien in eine Familie hineingeboren, die allen schönen Dingen zugetan, sehr kultiviert und wohl auch überaus gesellig ist. Wilde Schneeballschlachten – um nur ein Beispiel zu nennen - werden von den Schwinds schon mal nach Homers Versen inszeniert. Der junge Moritz ist musikalisch hochbegabt - er spielt Violine- und wird später auch Freundschaften mit vielen Musikern pflegen. Bereits als 14jähriger beginnt er ein Studium der Philosophie, wendet sich aber nach dem Tod des Vaters 1821 ganz der Malerei zu. Trotz seines Studiums an der Wiener Kunstakademie ist er aber in seiner bereits sichtbaren Vorliebe für die (malerische) Schilderung literarischer Stoffe eher Autodidakt. In seinen frühen Zeichnungen klingt schon ganz seine biedermeierliche Märchenwelt voller Verklärung an.
Seinen Lebensunterhalt indes muss der junge Künstler aber noch durch kleine Aufträge wie etwa Vignetten oder Glückwunschkarten bestreiten.

Spezialgebiet Historien. Um neue Richtungen der Malerei kennen zu lernen, siedelt der junge Künstler 1828 nach München über. Dort bekommt er auf die Empfehlung seines Lehrers Peter Cornelius hin den Auftrag für die literarisch-lyrische Ausmalung der Bibliothek der Bayerischen Königin. 1836 folgen eine Reihe von Fresken für die Münchener Residenz und Schloss Hohenschwangau.
Der Großherzog von Baden wird auf den Maler aufmerksam und holt ihn nach Karlsruhe, um die neu erbaute Kunsthalle mit Fresken aus der antiken Mythologie und der badischen Kunstgeschichte schmücken zu lassen. Hier im Badischen lernt der Künstler auch seine Frau Luise Sachs (eine direkte Nachkommin des Nürnberger Dichters Hans Sachs übrigens) kennen, die er 1842 heiratet.
 Bereits zwei Jahre später zieht es den Rastlosen nach Frankfurt, wo er an der dortigen Kunsthochschule, dem Städel, eine Professur für Historienmalerei antritt. Zu dieser Zeit muss von Schwind aber auch mit vielen Enttäuschungen fertig werden, die ihn sehr deprimieren. Sein größter Wunsch – den “Sängerkrieg“ in der Wartburg darstellen zu dürfen – wird erst nach langen und schwierigen Verhandlungen 1853 Realität. Diese Freskenfolge gehört zu den bedeutendsten Zeugnissen, die der Künstler uns hinterlassen hat.
1847 zieht es ihn wieder gen München, wo er in den folgenden Jahren ungezählte meisterhafte Zeichnungen für die “Fliegenden Blätter“ und die “Münchner Bilderbögen“ anfertigt. Auch die Holzschnitte aus eben dieser Periode finden große Verbreitung und machen Moritz von Schwind außergewöhnlich populär.

Faible fürs Märchenhafte.Während seine Frühwerke noch durch viele Figuren bevölkert waren, werden seine Bilder nun von wenigen, dafür umso ausdrucksstärkeren Darstellern bestimmt (“Rübezahl“). In bühnenartigen Bildräumen verschmelzen Hauptbilder und Nebenschauplätze als Raumschmuck ohne jegliches Pathos zum Inbegriff einer lyrisch-romantischen Darstellungskunst. Oberste Prämisse bleibt dabei immer der vollkommene Ausdruck von Harmonie und Schönheit – eine Haltung, die ihn mit seinem großen Vorbild Raffael verbindet. Der höchste Sinn der Malerei war für von Schwind in epischer Form Gleichnisse darzustellen, als Summe aller menschlichen Schwächen und Stärken.
Was lag da näher, diese in und mit Märchendarstellungen zu illustrieren. In seiner Vorliebe für Unerklärliches und die geheimnisvollen Seiten der Natur schafft der Künstler bildliche Mythen, die laut Goethe gar “wunderlich im Geschmack“ sind. Nicht nur mit dem großen Dichter steht von Schwind in Kontakt, auch mit vielen anderen bedeutenden Männern seiner Zeit wie Mörike, Grillparzer, Schubert verbinden ihn freundschaftliche Gefühle. So manchen setzt er auch bildnerische Denkmäler, wie etwa seinem Freund Franz Schubert mit den Illustrationen zum vertonten “Erlkönig“ oder mit einer Bilderreihe zu Mozarts “Zauberflöte“.
 Die Auflistung seiner Illustrationen religiöser, mythologischer und poetischer Stoffe scheint endlos. Große Weltliteratur gehört dazu, ebenso wie Opern, Sagen, Märchen... die Spanne reicht von “Robinson Crusoe“ über die “Hochzeit des Figaro“ bis zu “1001 Nacht“.
“Lyrica“ oder auch ganz einfach “Reisebilder“ (in Anspielung auf seine eigene Lebensreise?) nennt dieser Spätromantiker, der die Poesie so wahr gemalt hat, seine Werke.
Nachdem er bereits jahrelang durch asthmatische Beschwerden in seiner Schaffenswelt stark eingeschränkt war, stirbt von Schwind am 8. Februar 1871 nach einem heftigen Anfall dieser heimtückischen Krankheit.
Schmökern Sie doch mal wieder in einem Märchenbuch – vielleicht stoßen Sie ja unversehens auf das Erbe dieses großartigen Illustratoren.

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016