Malerei als Ausdruck von Spiritualität

25. März 2014 | von

Ein individueller Stil und die außergewöhnliche Behandlung spiritueller Themen prägen El Grecos Malerei. Die bedeutendsten Maler für die Moderne, Van Gogh, Cézanne und Picasso, studierten seine Werke. 400 Jahre nach seinem Tod genießt der Meister des spanischen Manierismus Weltruhm.



Lichtüberflutet kniet Franziskus vor einer dunklen Grotte. In seinen Händen hält er einen Totenschädel. Er scheint allen irdischen Gedanken völlig entrückt zu sein. Zu seiner Rechten kniet Bruder Leo, bescheiden und bemüht, es dem Heiligen gleichzutun. El Greco zeigt Franziskus, als er die Wundmale erhält. Doch mit Der heilige Franziskus und Bruder Leo meditieren über den Tod (1600-1605) erfindet der spanische Künstler einen völlig neuen Prototypen der Darstellung. Die übliche, himmelwärts gerichtete Pathosgeste ist durch die innige Haltung ersetzt, die göttliche Macht nicht im Kreuz, sondern im Lichtzeichen am Himmel präsent. Der Totenschädel verweist auf Ignatius von Loyolas „Geistliche Exerzitien“, die zur Meditation einen solchen empfehlen. Im Mittelpunkt steht die tiefe Frömmigkeit, nur in einer Handfläche lässt sich die vollzogene Stigmatisierung erkennen.



DER GRIECHE

Aus dem spanischen „El“ und dem italienischen „Greco“ setzt sich sein Künstlername „Der Grieche“ zusammen. Eine Anspielung auf die drei großen Stationen seines Lebens, das in Griechenland auf Kreta beginnt. Unter dem Namen Dominikos wird El Greco 1541 als Sohn des Steuereintreibers Georgios Theotokópoulus in eine angesehene Familie in Candia, dem heutigen Iraklio, geboren. Über seine Lehrzeit ist nichts bekannt, doch er muss schon früh zu den hochgeschätzten Meistern der Ikonenmalerei in seiner Heimat gezählt haben. Dominikos wächst in einem kulturell lebendigen Umfeld auf, denn Kreta stand schon seit 1204 unter venezianischer Oberhoheit. Die kretische Kunst hatte sich eine beachtete Sonderstellung erarbeitet, indem sie traditionelle Regeln mit westlichen Elementen verband. So reagierten die Künstler geschickt auf die Ansprüche ihrer katholischen und griechisch-orthodoxen Klientel. Welcher Religion die Familie Theotokópoulus angehört, ist nicht geklärt, doch sicherlich war der Maler mit beiden bestens vertraut. Bald treibt es den Ikonenmeister, die künstlerischen Vorbilder einmal in natura zu sehen.



SELBSTBEWUSSTES LERNEN

Im Frühjahr 1567 reist Dominikos nach Venedig und wird nie wieder in seine Heimat zurückkehren. Begeistert von den italienischen Meisterwerken, verfeinert er seine Bildthemen und -techniken. Er misst sich an den bedeutendsten Künstlern der Renaissance Tizian, Michelangelo und Raffael. Einer Anekdote zufolge soll er sogar Papst Pius V. angeboten haben, Michelangelos Sixtinische Kapelle ebenso meisterlich, aber im gegenreformatorischen Geist zu übermalen. Solche Äußerungen dürften kaum zu seiner Popularität unter den Künstlerkollegen beigetragen haben. Als trotz seiner Kontakte in die Kreise der italienischen Oberschicht ein angemessener Mäzen ausbleibt, siedelt er um 1576 nach Spanien über.



MALEREI MIT SPIRITUELLEM GEFÜHL

In Spanien lockt Philipp II. mit einem Großprojekt: Für die Ausgestaltung der Schloss- und Klosteranlage El Escorial werden noch Künstler gesucht. Spätestens ab 1577 ist Dominikos in Toledo tätig, damals ein geistiges und religiöses Zentrum. Einige Großaufträge für die dortige Kathedrale helfen ihm, sich in der Stadt zu etablieren. Erste kulturelle Schwierigkeiten machen sich bemerkbar. Der Grieche aus Italien, den sie bald „El Greco“ nennen, verkauft sich für spanische Verhältnisse teuer und bleibt kritikresistent. Von Auftraggebern gewünschte Änderungen verweigert er, weil er sich im Sinne der italienischen Renaissance als schöpferischer Geist versteht und nicht als handwerklich Ausführender. Auch Philipp II. wird auf ihn aufmerksam. Für den Altar der Escorialkirche entsteht das Martyrium des heiligen Mauritius (1580-1582), das sich in künstlicher Farbgebung und konturbetonten Figuren am Ideal der römischen Maniera orientiert. Wunderbar kommt hier El Grecos individueller Stil zur Geltung, der weniger Ausdruck naturalistischer Beobachtungen, sondern vielmehr spiritueller Gefühle sein soll. Doch genau dies widerspricht den Vorstellungen des Königs. Er befindet das Werk als nicht geeignet für den Altar und konsultiert den Maler nie wieder. El Greco bleibt in Toledo.

Als Porträtmaler war er schon in Italien sehr geschätzt, nun porträtiert er auch hier wichtige Persönlichkeiten der Stadt und der Geistlichkeit, darunter Ein Kardinal (der Großinquisitor Fernando Niño de Guevara), das um 1600 entsteht und den Kardinal mit der damals aufkommenden Bügelbrille zeigt. El Grecos eigenwilliges Wesen durchzieht Leben und Werk. Mal kann er davon fürstlich leben, dann wieder plagen ihn Geldsorgen. Am Ende stirbt dieser große Künstler in Toledo völlig verarmt und hoch verschuldet am 7. April 1614.

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016