Malermönch setzt Maßstäbe

22. Februar 2005 | von

Bis heute haben die Bilder des italienischen Malers Fra Angelico nichts von ihrer ursprünglichen Wirkung eingebüßt: Mit ihrer ausgewogenen Farbigkeit und inhaltlichen Harmonie laden sie zur Andacht ein. Ihr Schöpfer stellte sie ganz in den religiösen Dienst – was ihn nicht davon abhielt, die neuen Techniken seiner Zeit souverän einzusetzen. 

Seine diversen Namen stiften vielleicht etwas Verwirrung, deshalb zunächst zur Klärung: Geboren wurde der italienische Maler Fra Angelico vermutlich um 1387 (nach anderen Quellen um 1395) in Vicchio nahe Florenz und auf den Namen Guido di Pietro getauft. Über seine Herkunft ist genauso wenig bekannt, wie über seine künstlerische Ausbildung. Sohn eines Landwirtes soll er gewesen sein, andererseits ist auch von einem gewissen Wohlstand die Rede...

Sanfter Ordensmann. Gesichert ist, dass Fra Angelico – unter diesem Namen ist er heute bekannt – sein Leben in den Dienst Gottes stellte. 1408 trat er unter dem Namen Fra Giovanni dem Dominikanerorden in Fiesole bei. Bereits ein Jahr später musste er mit seinen Brüdern das Kloster verlassen, denn der Orden war in Konflikt mit dem neu gewählten Papst geraten. Erst 1418 wurde ihnen die Rückkehr gestattet. Die Spende eines großzügigen Gönners ermöglichte damals dem Orden eine umfangreiche Renovierung seines Klosters. Fra Angelico übernahm die Aufgabe, die Räume mit Fresken auszustatten – der erste Beleg für seine künstlerische Tätigkeit, über die vor diesem Zeitpunkt keine Nachrichten vorliegen. Unermüdlich war der Maler für seine Gemeinschaft tätig, um die Botschaft Gottes mit seinen Bildern zu vermitteln.
Ein sehr sanfter Mensch soll er gewesen sein, der ganz für seine Bilder lebte. Seiner täglichen Arbeit hat er, darf man dem Künstlerbiograf Vasari glauben, mit einem Gebet vorbereitet, denn er war überzeugt, dass man Christus nur richtig darstellen könne, wenn man ihm ähnlich würde.
 
Leuchtkraft der Bilder. Seine Werke sind frei von jeglicher Dramatik, sie leben durch ihre innere Stille. Geheimnisvoll leuchten ihre zarten Farben, die von fließenden Linien getragen werden. Schwerelos und anmutig sind die Figuren, mit Gesichtern voller Leuchtkraft aus einer unergründlichen Tiefe.
Kurzum, von Frau Angelicos Werken geht eine wundersame Anmut aus, die sich in dieser Ausprägung höchstens noch bei Botticelli finden lässt. Seine überaus geglückte Verbindung beseelter Figuren mit einer naturalistischen Landschaft und sein großem Interesse am Individuum ließen Fra Angelico bald in die Riege der führenden Künstler seiner Zeit aufsteigen. Doch eigentlich war er kein Künstler im eigentlichen Sinne, sondern verstand sich Zeit seines Lebens als Mönch, der seinen Glauben in Bildern suchte und fand.

Höhepunkt San Marco. Durch Cosimo de Medici bekam Fra Angelicos Dominikanerkonvent 1436 Kloster und Kirche von San Marco in Florenz zugesprochen. Voller Hingabe schmückte der Künstler mehr als acht Jahre lang die Räume mit seiner persönlichen Glaubenswelt aus. Die Zellen bemalte er beispielsweise mit Szenen aus den Evangelien und hielt die Fresken, ebenso wie die Andachtsräume für die Mönche, eher in kühlen, kontemplativen Farben. Ganz im Gegensatz dazu die Räume, die für die Öffentlichkeit bestimmt waren: Diese dominiert eine überschwängliche Farbenfreude, die zusammen mit üppiger Ornamentik und Erzählstruktur fast an heutige Comicstrips denken lässt.
Die künstlerische Gestaltung dieses Klosters (in dem später auch der heilige Antonius und Fra Bartolomeo lebten) zählt eindeutig zu den Hauptwerken Fra Angelicos.
San Marcos ist heute eine Pilgerstätte für Kunstfreunde aus aller Welt, die in diesen Fresken noch immer den Ausdruck einer besonderen Liebe zu Gott finden. Gerade die Technik der Freskomalerei, die ja zügiges Arbeiten verlangt, trug viel zur künstlerischen Reife Fra Angelicos bei. Aus einer Reihe wichtiger Ölbilder sei hier nur als ein Hauptwerk die “Krönung Mariä“ (1430-35, Florenz, Uffizien) genannt.

Im Auftrag des Papstes. Noch größere Aufgaben wollte Papst Eugen IV. dem malenden Mönch übertragen, als er ihn 1445 nach Rom berief. Sein Nachfolger, Papst Nikolaus V., war ehemals Bibliotheksleiter von San Marco gewesen und ein Freund und Gönner des Malers. Er wollte Fra Angelico gar das Amt des Erzbischofs von Florenz übertragen, was dieser allerdings bescheiden und voller Entrüstung ablehnte. Den Auftrag für die Ausmalung der Nikolauskapelle im Vatikan hingegen führte er 1447 aus. Nach einem Aufenthalt in Orvieto gestaltete der Künstler zusammen mit Benozzo Gozzoli von 1448 bis 1450 die Cappella dei Santi Stefano e Lorenzo. Dies sollte sein letzter Freskenzyklus gewesen sein.
Als Prior durfte Fra Angelico1450 in sein kleines Kloster nach Fiesole zurückkehren, in das er Jahrzehnte vorher als Novize eingetreten war. Nach Ablauf seiner Amtszeit, die nur bis 1452 währen sollte, kehrte er wieder nach Rom zurück, wo er bis zu seinem Tode im Jahr 1455 lebte.

Traditionell und innovativ. Heute ist die künstlerische Größe Fra Angelicos unumstritten. Das war nicht immer so: Speziell im 18. und 19. Jahrhundert wurde von der Kunstkritik der angeblich rein devotionale Wert seiner Bildwerke in den Vordergrund gerückt, ohne sich mit seinen eigentlichen Errungenschaften auf dem Gebiet der Malerei auseinander zu setzen.
Vor allem mit dem Vorwurf, er hätte nur die Tradition der Gotik mit einer “erweiterten“ Miniaturmalerei fortgesetzt, wurde man Fra Angelico in keiner Weise gerecht.
Er ließ sich durchaus durch die in Italien gerade zu seinen Lebzeiten aufgekommene Zentralperspektive beeinflussen. Auch setzte der malende Mönch neue Maßstäbe mit seiner Landschaftsdarstellung in seinem Spätwerk und überwand damit “gotisches Gedankengut“. Doch derartige Diskurse hätten ihn wohl auch wenig angefochten, denn Fra Angelico ging es in erster Linie um den Ausdruck seines religiösen Gefühls. Dieser Glaube inspirierte ihn zu einer einzigartigen malerischen Formulierung.
Schon bald nach seinem Tod umgab ihn die Aura der Heiligkeit und Papst Nikolaus V. verfasste seine Grabinschrift, auf der man noch heute lesen kann: “…die sanfte Reinheit seiner Kunst gaben ihm den Namen “Beato Angelico“, (der selige Engelsgleiche). Erst Jahrhunderte später, 1982, wurde er selig gesprochen und zum Patron der Künstler ernannt.

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016