Messe der Superlative

01. Januar 1900

Wie die erste Frankfurter Buchmesse vor fünfzig Jahren findet die diesjährige Messe in einem Goethejahr statt. Doch während man nach dem Zweiten Weltkrieg hoffte, daß ein wenig von dem Glanz des berühmten Frankfurter Dichtersohns auf die Buchmesse abfalle, braucht man heute Goethe nicht mehr. Er ist nur noch ein nettes Zierstück auf den Werbezetteln der Buchmesse. Waren die Anfänge klein und zögerlich, so ist die Frankfurter Buchmesse inzwischen fast übermächtig geworden. Sie darf sich als größten Marktplatz der Bücher auf der ganzen Welt bezeichnen.

Beherrschender Buchort. Frankfurt war einst schon, gleich nach Beginn des Buchdrucks, beherrschender Buchplatz in Mitteleuropa gewesen. Bis kurz vor dem Dreißigjährigen Krieg. Als der Kaiser im Kampf gegen den Protestantismus in Frankfurt die Bücher immer genauer zu überprüfen und mißliebige unter ihnen einzuziehen befahl, wandten sich die Buchhändler ins freiere Sachsen, nach Leipzig, und Frankfurt verlor als Buchstadt jede Bedeutung. In Leipzig liefen nun die Hauptfäden des deutschen Buchhandels zusammen. Leipzig verlor diese Stellung erst nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen. Thüringen und Sachsen, und damit Leipzig, gingen gemäß den Beschlüssen von Jalta an die Russen.

Umschlagplatz des Westens. Deutschland war geistig ausgehungert und verlangte nach Büchern. Doch um Bücher planvoll herzustellen, brauchen Buchhändler und Verlage einen gemeinsamen Treffpunkt im Land, an dem sie sich ein Bild voneinander und von den Wünschen der Käufer machen können. Daß Leipzig nun im Abseits war, ließ einige Frankfurter Buchhändler die Gelegenheit wittern. Auf ihre Anregung hin errichtete die Stadt im Jahr 1946 ein Referat Buchgewerbe, das unter anderem die Entwicklung Frankfurts als Druckort und als Umschlagplatz für den westlichen Buchhandel in jeder Art fördern sollte. Mit der Ausstellung Bücherplatz Frankfurt im Frühjahr 1948 gab man öffentlich zu wissen, daß Frankfurt in Nachfolge zu Leipzig der Buchumschlagplatz des Westens werden wolle.

Ladenhüter Buch. Im Juni kam die Währungsreform und stürzte das Buchgewerbe in heftige Not. Die Händler hatten Bücher gehortet, weil sie auf das bessere Geld warteten. Und dann blieben sie auf ihren Büchern sitzen. 
Die Banken durften nur wenig Geld verleihen, damit der Geldwert fest blieb. Daher hatten die Leute nicht so viel zum Ausgeben, und mit dem Wenigen waren sie wählerisch. Das schlechte Papier und die dürftige Einbandgestaltung der Nachkriegsbücher reizten nicht zum Kauf. Auch die neue Ware, die die Verlage fürs Weihnachtsgeschäft in großen Mengen herstellten, entsprach nicht so sehr dem Geschmack der Leser. Statt Geld zu verdienen hatten die Buchhändler nun die Regale mit unverkäuflicher Ware voll liegen.

Konkurrenten. Um die Entwicklung besser zu steuern, war ein gemeinsamer Buchplatz nun notwendiger als zuvor. Die hessischen Verleger und Buchhändler trugen der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verleger- und Buchhändlerverbände an, für 1949 in Frankfurt eine Buchausstellung und -messe für Westdeutschland abzuhalten. Doch während Frankfurt dieses Ereignis für den Herbst vorbereitete, setzten andere Städte ähnliche Gedanken in die Tat um. Zeitgleich im September sollte in Stuttgart eine Leistungsschau des südwestdeutschen Verlages stattfinden. Und für Oktober hatte Hamburg eine Buchausstellung angesetzt. Daher zögerten viele Verlage an der Frankfurter Messe teilzunehmen. Bis kurz vor Messebeginn fürchteten die Veranstalter ein Mißlingen.

Voller Erfolg. Und dann war die Messe ein Erfolg. Sie fand vom 18. bis 23. September 1949 in der geschichtsträchtigen Paulskirche statt, in der man jahrs zuvor das hundertjährige Jubiläum der Nationalversammlung gefeiert hatte. Viele Buchfreunde kamen. Die Verlage, von denen sich viele in letzter Minute angemeldet hatten, schlossen so gute Geschäfte ab, daß man bald von Wiederholung sprach und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels die Verantwortung für die Frankfurter Buchmesse in Zukunft zu übernehmen wünschte. Schon im Jahr darauf weitete sich die Messe so sehr aus, daß man 1951 für die dritte Buchmesse von der Stadtmitte aufs Messegelände ausweichen mußte, wo sie dann verblieb. Erstmals wurde auch in ihrem Rahmen der öffentlichkeitswirksame Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen.

Handel mit Rechten. Die Buchmesse hat sich gewandelt. Am Anfang stand der Wunsch, das heimische Buchgewerbe neu zu beleben.

Die Geschäfte liefen vom Verlag über den Händler zum Kunden. Inzwischen liegt der Schwerpunkt auf dem Geschäft zwischen den Verlagen: Man verhandelt über Übersetzungsrechte und gemeinsame Produktionen. Schon lange sind mehr ausländische Aussteller auf der Buchmesse als deutsche. Auch in diesem Jahr wird es wieder alles in beängstigendem Ausmaß geben: zu viele Leute, schlechte Luft und fast vierhunderttausend Bücher.

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016