Operngigant und Nationalheld

01. Januar 1900 | von

In seiner Jugend wurde Giuseppe Verdi das Studium am Mailänder Konservatorium verweigert. Er hatte die Aufnahmsprüfung nicht bestanden. Als ruhmgekrönter, weise gewordener alter Mann lehnte er die ihm angebotene Direktorenstelle des berühmten Musikinstitutes ab und verbot dem Konservatorium, seinen Namen zu tragen. Er konnte die seinerzeitige Ablehnung einfach nicht verwinden. Auch ohne die Mailänder Konservatoriumsausbildung, für die er ein Stipendium der Herzogin von Parma erhalten hätte und an deren Stelle ein dreijähriges Studium bei einem Privatlehrer folgte, erklomm Giuseppe Verdi größten Ruhm und größte Anerkennung als Komponist. Sein Todestag jährt sich am 27. Januar zum 100. Mal und wird weltweit von Verdi-Enthusiasten gefeiert.

Schicksalsmelodie. Verdi stammt aus ärmlichen Verhältnissen. Am 18. Oktober 1813 wird er in Le Roncole bei Busseto im Herrschaftsgebiet des Herzogtums Parma als Sohn eines Schankwirtes und Kleinkrämers geboren. Später erfährt er durch den in Busseto lebenden Großkaufmann Antonio Barezzi jedwede Unterstützung. Er heiratet dessen Tochter Margherita, die ihm zwei Kinder schenkt. Doch Virginia und Icilio sterben im frühesten Kindesalter. Das Schicksal schlägt noch einmal zu: Zwischen den Uraufführungen seiner zwei ersten Opern an der Mailänder Scala muss Verdi den Tod seiner geliebten Frau ertragen. Zutiefst trauernd, will er fortan keine Oper mehr schreiben.

Doch ein Impresario und die Sängerin Giuseppina Strepponi bringen es zuwege, diesen Entschluss zu ändern. Nach einiger Zeit freien Zusammenleben, das Ärgernis erregt, heiratet Giuseppe seine Giuseppina, die ihm fast 39 Jahre lang eine gute Ehefrau ist. Finanzielle Sorgen hat Verdi nur zu Beginn seines Komponistenlebens. Bald sind seine Einkünfte so groß, dass er sich ein Grundstück in seinem Geburtsort, dann einen Palast in Busseto, später einen in Genua, Raststätten in Mailand und im Kurort Montecatini leisten kann. Vor allem aber hängt sein Herz an einem prächtigen Landgut in Sant’Agata (Casa di riposo) und an einer dort angesiedelten Pferdezucht. In Sant’Agata lässt er auch ein Oratorium bauen, um dort, obwohl er antiklerikal eingestellt ist, sonntags die Messe zu hören. In diesem Oratorium wird er zusammen mit seiner zweiten Frau beigesetzt.

Glühender Patriot. Die Stadt Busseto bittet Verdi, für die Nationalversammlung von Parma zu kandidieren. Verdi ist ein glühender Patriot. Er ist gegen die Herrschaft der französischen Bourbonen und österreichischen Habsburger und setzt sich für die Einheit Italiens ein. Er wird von König Victor Emanuel als Deputierter der Nationalversammlung empfangen, lernt Cavour kennen und nimmt als Abgeordneter Mittelitaliens an der Eröffnung des Parlamentes teil. Später trägt er die Würde eines Senators. Seine ablehnende Haltung gegen das habsburgerische Österreich (er nimmt trotzdem eine Auszeichnung Kaiser Franz Josephs entgegen ebenso wie solche von italienischen, französischen, englischen und russischen Regenten) lässt er auch in seine Musik einfließen, wozu die Texte von Freiheitsdichtern einladen. Italien feiert Verdi als Freiheitshelden, was diesem allerdings nicht ganz behagt.

Zündende Melodien. Die zwei ersten Opern, Oberto und König für einen Tag erlangen nur Achtungserfolge. Aber schon in Nabucco, wo das Schicksal der Juden in der Babylonischen Gefangenschaft behandelt wird, bringt er den Freiheitsbegriff durch entsprechende Texte und zündende Melodien zum Ausdruck. Auch die folgenden Opern Die Lombarden, Ernani, Attila, Die Schlacht bei Legnano quellen über von Gedanken der Freiheit. Selbst die Sizilianische Vesper und Ein Maskenball werden als revolutionär angesehen, weil sie bei den Italienern patriotische Gefühle zu wecken vermögen.
Freilich ist es nicht allein der Patriotismus, der Verdi zur Symbolfigur macht, in erster Linie ist es schon die Musik. 26 Opern komponiert Verdi (zum Teil von ihm erneuert und geändert), die Hälfte komponiert er in einem Zeitraum von zehn Jahren, für die andere Hälfte benötigt er 44 Jahre. Er lässt sich nicht mehr drängen. Nicht einmal bei der Fertigstellung der Aida anlässlich der Suezkanaleröffnung. Die Uraufführung der Vertragsoper findet erst zwei Jahre nach der Eröffnung statt. Haben die Frühwerke Verdis vor allem die Italiener begeistert, erlangt er mit seinen Spätwerken europäischen Ruhm: Rigoletto, Troubadour, Traviata, Die Macht des Schicksals, Macbeth, Don Carlos, Aida, Simone Boccanegra, Othello, Falstaff. Mit seinen Meisterwerken zählt er noch heute zu den meistaufgeführten Komponisten.
Geistliche Werke sind ebenso wie kammermusikalische in der Minderzahl des verdianischen Opus. In aller Welt bekannt ist das Requiem, das er zum Tode des Dichters Alessandro Manzoni schreibt. Dazu ein Te Deum, ein Stabat Mater, Paternoster und Ave Maria sowie die Quattro pezzi sacri. Verdis Lebenswerk galt fast uneingeschränkt der Oper.

Musikalische Memoiren. Als eine deutsche Verlagsanstalt den Komponisten Verdi bittet, seine Memoiren zu schreiben, antwortet er: Niemals, niemals werde ich meine Memoiren schreiben. Genug, dass sich die musikalische Welt so lange meine Noten hat ertragen müssen. Die musikalische Welt erträgt seine Noten auch heute noch ganz gut. Und wenn er auch selbst keine Memoiren schrieb, so zeugen doch hunderte von Büchern und unabsehbares Notenmaterial zeugen von Leben und Wirken des italienischen Komponisten und Volkshelden.

 

 

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016