Pontifex auf schwierigem Terrain

17. April 2009 | von

 Entgegen früheren Einschätzungen kommt der Papst nun doch ins Heilige Land. Seine Bedingung für den Besuch, die Situation der Christen im Nahen Osten müsse sich entscheidend verbessern, ist zwar noch nicht erfüllt, aber Benedikt XVI. treiben die pastorale Sorge und der Wunsch nach Frieden an. Seine einwöchige Auslandsvisite wird mit Spannung und voller Hoffnung erwartet.


Papst Benedikt XVI. hegt seit langem den sehnlichen Wunsch, ins Land des Herrn zu kommen. Als Kardinal war er schon an den heiligsten der heiligen Stätten der Chris-tenheit, aber eben als Papst noch nicht. In dieser Beziehung ist es Benedikt XVI. – wie schon dem von ihm verehrten heiligen Franziskus vor ungefähr 700 Jahren – ein Herzensanliegen, die Orte der Menschwerdung, des Lebens und Wirkens, besonders des Todes und der Auferstehung Jesu Christi aufzusuchen und sie zu verehren.



Die heiligen Stätten der Christenheit und die Nachfahren der Urgemeinde bedürfen der Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit, bevor die politischen Verhältnisse im Vorderen Orient die letzten Christen regelrecht vertrieben haben. Für diese ist die Lebenswirklichkeit in Palästina und Israel schier unerträglich geworden. Freilich sieht das der Papst und er hat bislang betont, dass er erst ins Heilige Land kommen werde, wenn sich die Existenzbedingungen der Christen der Region verbessert hätten und sie die heiligen Stätten besuchen dürften.



Dem Frieden dienen



Auch P. David Jaeger OFM, Mitglied der vatikanisch-israelischen Verhandlungskommission, die sich um die zahlreichen bilateralen Themen zwischen dem Vatikan und Israel kümmert, hat sich bereits Mitte 2007 in einem Interview klar dazu geäußert: Erst wenn auf der diplomatischen Seite spürbare Verbesserungen eingetreten seien, wolle das Staatsoberhaupt des Vatikans der Einladung Israels Folge leisten.



Nun kommt es anders, und das ist amtlich. Der Papst hat entschieden, nicht erst auf Verbesserungen zu warten, und handelt nun aus Liebe zum Heiligen Land und aus pastoralem Eifer. Er will die Christen der Region ermutigen, und so unternimmt er im Mai diese Pilgerfahrt, die ihn nach Jordanien, Palästina und Israel führen wird. Einige Mühe wird mittlerweile darauf verwandt, diese Visite weniger als Staatsbesuch denn als Pilgerreise deutlich zu machen. Das äußert sich konkret zum Beispiel darin, dass der Papst als Pilger die Holocaust-Gedenk-Ausstellung in Yad Vashem nicht eigens begehen muss; er wird nur kurz dort erscheinen, ein paar Worte sagen und wohl ein Gebet sprechen. Damit ist ihm der Gang auf ein heikles politisches Parkett erspart geblieben. Wie klar darf überhaupt ein internationaler Gast in Palästina/Israel beobachten, sich seine Gedanken machen und darüber noch laut sprechen? Dabei könnten klare Worte langfristig dem Frieden mehr dienen als gar zu geschnörkelte Diplomatie. Und dem Frieden im Nahen Osten dienen, das will der Papst.



Mea Culpa im Magazin



In Yad Vashem wird gerade der jetzige Pontifex den großen Entschuldigungsbrief seines von ihm geliebten und verehrten Vorgängers Johannes Paul II. vermissen. Dieser hatte ihn angesichts der Sünden der Kirche gegenüber den Juden im Jubeljahr 2000 in der Klagemauer niedergelegt. Doch der Brief ist weiterhin unter Verschluss im Magazin der Gedenkstätte – seit fast neun Jahren! Ob Benedikt XVI. in Yad Vashem einen veränderten, wohlwollenderen Text neben dem Konterfei Pius’ XII. wird registrieren können? Man hatte seitens der Verantwortlichen vor Jahren versprochen, diesen Text zu überdenken, der die offensichtliche Sorge und die tatsächlichen Hilfsmaßnahmen Pius’ XII. für die Juden übergeht. Stattdessen wirft man ihm darin gebetsmühlenartig vor, er hätte mehr und lauter gegen die Nationalsozialisten vorgehen müssen. Gerade auf diesem Hintergrund ist zu hoffen, dass Benedikt XVI. deutlicher wird.



Das Programm, das der Papst sich vorgenommen hat, wurde inzwischen offiziell bestätigt. Am 8. März hatte der Papst beim Angelusgebet angekündigt, dass er ins Heilige Land reisen werde, „um den Herrn während des Besuches an den Orten, die durch seine Anwesenheit auf Erden geheiligt worden sind, um das kostbare Geschenk der Einheit und des Friedens für den Nahen Osten und die ganze Menschheit zu bitten".



Mehr als eine Pilgerreise



Die ersten Stationen seiner Reise werden ihn nach Amman, die Hauptstadt Jordaniens, und dann auf den Berg Nebo führen. Von dieser Stelle aus, an der das Grab des Mose verehrt wird, hat der Pontifex einen herrlichen Blick ins Jordantal und hinüber ins gelobte Land. Unvergessen das Bild Johannes Pauls II., der sich von P. Michele Piccirillo OFM, dem damaligen Ausgrabungsleiter auf dem Nebo, den Ausblick hatte erklären lassen. Benedikt wird auch den Grundstein der Madaba-Universität des Lateinischen Patriarchats segnen und unter anderem mit Vertretern des Islam, des diplomatischen Korps und den Rektoren der jordanischen Universitäten zusammentreffen. Mit den Priestern, Ordensleuten, Seminaristen und Vertretern der kirchlichen Bewegungen wird der Papst in der griechisch-melkitischen Kathedrale des heiligen Georg die Vesper beten. Auf diese Aufmerksamkeit werden die mit Rom unierten Melkiten sicher stolz sein. Nach der heiligen Messe im großen Stadion von Amman wird Benedikt XVI. die traditionell verehrte Taufstelle Jesu im Jordan aufsuchen und dort die Grundsteine der römisch-katholischen und der griechisch-katholischen Kirche legen. Am 11. Mai soll Papst Benedikt dann nach Israel kommen. Er wird der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem eine Visite abstatten, danach steht ein Treffen mit Vertretern des interreligiösen Dialogs auf dem Programm und – im Zusammenhang mit dem Besuch der Moschee auf dem Tempelberg in Jerusalem – eine Begegnung mit dem Großmufti. Anschließend sucht der Papst die Klagemauer auf und wird dabei dem Oberrabbinat einen Höflichkeitsbesuch abstatten. Danach spricht der Papst zusammen mit den christlichen Oberhirten von Jerusalem im Abendmahlssaal das Angelusgebet. Zum Abschluss seines Jerusalemaufenthalts wird Benedikt XVI. auf dem Gelände unterhalb der Basilika in Getsemani eine heilige Messe feiern.



Am 13. Mai ist Bethlehem Station der päpstlichen Pilgerreise. Auf dem sogenannten Krippenplatz vor der Geburtsbasilika wird Benedikt XVI. eine heilige Messe feiern. Dazu werden auch Gläubige aus Gaza anreisen können. Der Papst wird neben der Geburtsgrotte auch das Caritas Baby Hospital und ein palästinensisches Flüchtlingslager besuchen, bevor er abends dem palästinensischen Präsidenten Abbas begegnet. Am nächsten Tag wird der Papst in Nazareth eine große Freiluft-Messe feiern, die größte seiner Nahostreise. Im Franziskanerkloster an der Verkündigungsbasilika soll Benedikt XVI. dann auch mit dem israelischen Premierminister zusammentreffen.



Am letzten Tag seiner Pilgerreise, am 15. Mai, wird der Pontifex mit Vertretern der anderen christlichen Konfessionen sprechen. Vor seiner Rückkehr nach Rom wird er noch die Grabeskirche besuchen sowie die armenische St.-Jakobus-Kirche.



Benedikt XVI. wird als Pilger und Beter ins Heilige Land kommen. Er wird den Frieden im Nahen Osten anmahnen und er wird Politiker und Religionsvertreter zum vernünftigen Dialog auffordern, ohne den es ein friedliches und gerechtes Miteinander im Heiligen Land nicht geben wird. Das alles wird nicht furchtbar neu sein, aber man darf trotzdem gespannt sein auf das, was jenseits der zu erwartenden dankbaren Begeisterung der Menschen und Gläubigen die öffentliche Meinung aus den Worten und Gesten des Papstes herauslesen wird. Der Besuch des Papstes in Afrika ist noch in guter Erinnerung.



 

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016