Provinzkapitel in Deutschland

20. Januar 2020 | von

Das Provinzkapitel wird gefeiert – auch wenn es eigentlich mit ziemlich viel Arbeit verbunden ist. Denn schon Monate vorher müssen Delegierte gewählt und vor allem zahlreiche Berichte verfasst werden, die dann anschließend beim Provinzkapitel vorgetragen und ausgewertet werden, um sich ein möglichst umfassendes Bild der vergangenen vier Jahre zu verschaffen. Das ist in erster Linie die Aufgabe während des ersten Kapitelteils, der vom 06.-11. Oktober 2019 im Kloster Schwarzenberg stattfand. Den Vorsitz führte Br. Jan Maciejowski, der Generalvikar des Ordens. Er vertrat dabei den Generalminister Br. Carlos Trovarelli. Anwesend waren mit Br. Dominique Mathieu auch der zuständige Generalassistent für Zentraleuropa, sowie mit den Brüdern Mathias J. Moons, Br. Michiel van Kooten und Br. Daniele Brocca auch Vertreter der Provinzdelegation Niederlande bzw. der Provinzkustodie Österreich-Schweiz. Neben der bisherigen Provinzleitung nahmen dann zwölf Delegierte am Kapitel teil, so dass es insgesamt 22 Stimmberechtigte gab. 

 

Berichte und Auswertungen

Dass ein Provinzkapitel am ersten Abend mit dem Heilig-Geist-Hymnus beginnt, macht schon deutlich: Hier geht es nicht einfach nur um politische Entscheidungen oder menschlich zu findende Kompromisse. Ein Provinzkapitel ist immer auch ein geistliches Geschehen. Die Brüder versuchen, gemeinsam den Willen Gottes zu erkennen. 

Großen Raum nimmt dabei der Bericht des Provinzialministers ein. Br. Bernhardin M. Seither, der über zwei Amtsperioden lang der Ordensprovinz vorstand, blickte auf die vergangenen vier Jahre zurück, zeigte Gelungenes und Schönes auf, machte aber auch auf etliche Schwierigkeiten aufmerksam. Einen großen Raum nahm dabei der „Missbrauchsskandal“ ein. Die wirtschaftliche Situation der Provinz beleuchtete der Provinzökonom Br. Andreas Fieback, bevor dann Br. Dominique Mathieu seinen „Visitationsbericht“ vorstellte. Dazu hatte er Gespräche mit allen Brüdern der Ordensprovinz geführt, die Bücher der Konvente kontrolliert und mit den Vorgaben aus Rom abgeglichen, und konnte so ein recht umfassendes Bild der Gemeinschaft zeichnen. 

Berichte abzugeben hatten auch die Brüder mit anderen Beauftragungen in der Ordensprovinz: vom Leiter des Bildungshauses über den Beauftragten für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung bis hin zum Ausbildungsleiter. In verschiedenen Arbeitsgruppen galt es dann, diese Berichte auszuwerten, zu würdigen und gegebenenfalls auch schon nach Schwerpunkten zu suchen, die man für die nächsten vier Jahre setzen möchte. 

 

Personelle Weichenstellung

Zu den spannendsten Augenblicken eines Provinzkapitels gehört wahrscheinlich die Wahl der neuen Provinzleitung. Seit einiger Zeit führen die Brüder der deutschen Ordensprovinz vor der Wahl einen „Wahlprozess“ durch. Als Referent gab der Kapuziner Thomas Dienberg aus Münster dazu Impulse: Welche Eigenschaften braucht ein Provinzialminister? Welche Charakterzüge müssten in seinem Leitungsteam repräsentiert werden? Wer sind die geeigneten Brüder, um den Herausforderungen der Gemeinschaft möglichst gut zu begegnen? 

Im 2. Wahlgang wurde dann am 10. Oktober Br. Andreas Murk zum neuen Provinzialminister für Deutschland gewählt – unseren Leser/innen als „Direktor“ der deutschsprachigen Ausgabe des Sendboten bestens vertraut. Seine Hauptaufgabe in den vergangenen Jahren war die Leitung von Konvent und Bildungshaus Kloster Schwarzenberg. Während neu gewählte Obere in anderen Gemeinschaften oft einige Wochen oder sogar Monate Zeit bis zum Amtsantritt haben, muss der Provinzialminister bei den Franziskaner-Minoriten sofort die „Geschäfte“ übernehmen und steht vor der ersten wichtigen Aufgabe: die Brüder für seinen Rat, das Definitorium, suchen und zur Wahl stellen. Zur Provinzleitung gehören nun Br. Mateusz Kotyło als Provinzvikar, d. h. Stellvertreter des Provinzialministers, Br. Konrad Schlattmann als Provinzsekretär, Br. Michiel van Kooten und Br. Steffen Behr. Mit diesem jungen Team zwischen 33 und 59 Jahren dürfte die deutsche Ordensprovinz trotz eines relativ hohen Durchschnittsalters wohl eine der jüngsten Leitungen des gesamten Ordens haben. 

 

Neue Hausobere

In den Wochen zwischen dem ersten und dem zweiten Kapitelsteil, der vom 24.-29. November 2019 gehalten wurde, war es die Aufgabe des neuen Provinzialministers, mit seinem Rat die nächsten Entscheidungen vorzubereiten. Dazu gehört in erster Linie die Frage, wer welchem Kloster für die nächsten vier Jahre als Guardian vorstehen soll. 

Die Kapitulare folgten den Vorschlägen, so dass am 28. November die Hausoberen gewählt werden konnten. Es sind dies: Br. Adam Kalinowski für den Konvent Würzburg, Br. Steffen Behr für das Kloster Schönau, Br. Mateusz Kotyło für die Gemeinschaft in Schwarzenberg, Br. Franz-Maria Endres für die Brüder in Maria Eck und Br. Bernhardin M. Seither für die Niederlassung in Köln. Als neuer Provinzökonom wurde Br. Josef Bodensteiner gewählt. Die Verantwortung für die Ausbildung der Postulanten wurde Br. Konrad Schlattmann anvertraut, Br. Josef Fischer übernimmt die Leitung des Juniorats in Würzburg. 

 

Zahlreiche Abstimmungen und Entscheidungen

Einen ganzen Kapitelstag nahm die Überarbeitung der „Provinzstatuten“ in Anspruch. Diese regeln von der Anzahl der Urlaubstage bis hin zu Ausnahmen vom Tragen des Habits zahlreiche Details des Lebens der Brüder und mussten – nach Änderung der übergeordneten Konstitutionen und Generalstatuten in den vergangenen eineinhalb Jahren – nun entsprechend angepasst werden. Fast 90 einzelne Abstimmungen waren dafür notwendig.

Die Brüder beschlossen unter anderem, ein Missionsprojekt der indischen Ordensprovinz in Sri Lanka finanziell zu unterstützen. Für die nächsten vier Jahre wurde eine verbindliche Zusage gemacht, damit die Brüder dort mit dem Aufbau der Mission fortfahren können. 

Zum Thema „Missbrauch“ beschlossen die Kapitulare, ein eigenes zweitägiges Treffen im Jahr 2020 zu veranstalten, um sich vertieft den Aspekten „Prävention und Aufarbeitung“ zu widmen. Außerdem wurde der Provinzialminister beauftragt, nach geeigneten Formen der Beteiligung von Betroffenen in der Prävention und Aufarbeitung zu prüfen und anschließend zu realisieren. Auch das aktuell diskutierte Thema der „Entschädigungszahlungen“ wurde vom Provinzkapitel aufgegriffen. Für Betroffene von sexuellem Missbrauch durch Ordensangehörige wird ein Fonds eingerichtet, aus dem Therapiekosten und andere finanzielle Leistungen bestritten werden sollen. 

 

Brüderliches Miteinander

Neben schweren Themen bot die zweite Kapitelswoche immer wieder auch erfreuliche Anlässe. Für das interfranziskanische Zusammenwachsen stand die Teilnahme der Provinzialminister Cornelius Bohl (OFM) und Christophorus Goedereis (OFM Cap.), die aus ihrer Franziskaner- bzw. Kapuzinerprovinz über aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen berichteten. Provinzialminister Br. Andreas Murk konnte auch die Delegaten der polnischen Provinzen begrüßen. Zu ihnen gehören in Deutschland insgesamt 15 Klöster. Zwei weitere Klöster werden von rumänischen Brüdern betreut, von denen ebenfalls zwei Vertreter an einem Kapitelstag teilnahmen.

Und wo tagsüber die Köpfe in der Kapitelsaula rauchten, konnten sich die Brüder auf entspannte Abende im Klosterkeller freuen – bei einem Glas Wein oder Bier und an einem der Tage auch, ganz im Sinne der internationalen Verständigung, bei Schweizerischem Käsefondue. 

Ein erfahrener Kapitular zog das Schlussfazit: „Das harmonischste Provinzkapitel meines Lebens!“ – Ein Satz, der Zeuge dafür steht, dass bei allen Schwierigkeiten und Herausforderungen auch etwas gewachsen ist und die Brüder sich nach Kräften mühen, an einem gemeinsamen Strang zu ziehen. 

Zuletzt aktualisiert: 20. Januar 2020
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