Radikale Armut auch für Frauen?

27. Dezember 2021 | von

In der Reihe anlässlich des 800-jährigen Jubiläums der Minderbrüder in Deutschland weitet sich nun der Blick: Es geht nicht mehr nur um den Männerorden, sondern auch um Frauen rund um Klara von Assisi, die sich, begeistert für ähnliche Ideale, in Richtung Norden wagen.

Junge Frauen zeigten sich schon früh begeistert von der Lebensweise des Franziskus von Assisi. Als erste Frau entschloss sich die in einem wohlhabenden Elternhaus geborene Klara, wie Franziskus ein Leben in radikaler Armut zu leben. Da Kirche und Gesellschaft den Frauen jedoch enge Grenzen setzten, war es Klara und ihren Gefährtinnen nicht möglich, wie die Brüder umherzuziehen, ohne Besitz zu leben und ihren Lebensunterhalt durch Betteln oder Almosen zu bestreiten. Außerdem war es den Frauen verwehrt, wie die Brüder zu predigen und die Menschen seelsorgerisch zu betreuen. Demzufolge sah sich Klara gezwungen, in Assisi sesshaft zu werden, wo sie mit ihren Gefährtinnen den Konvent San Damiano begründete. Obwohl die Schwesternschaft zu ihrer Versorgung Besitz annahm und ein eher klösterlich-kontemplatives Leben führte, hielt Klara lebenslang am franziskanischen Ideal fest. Nach jahrelangem Ringen um die „arme Lebensweise“ insbesondere mit den kirchlichen Amtsträgern erhielt sie schließlich für San Damiano das Armutsprivileg und erlebte noch die päpstliche Bestätigung der von ihr verfassten Regel. Allerdings ließ sich beides nicht auf die anderen franziskanisch inspirierten Frauengemeinschaften übertragen. Das lag vor allem an den Päpsten, die die vielfältigen unregulierten Gemeinschaften und die „vagabundierenden“ Frauen einzuhegen suchten. Infolgedessen verpflichteten die Päpste die Frauen auf Regeln, die die Einhaltung einer strengen Klausur, nicht jedoch eine radikale arme Lebensweise vorsah. Schließlich wurden die franziskanischen Frauengemeinschaften im Damiansorden zusammengefasst, der nach Klaras Tod und ihrer Heiligsprechung 1263 in „Ordo sanctae Clarae“ umbenannt wurde. Allerdings wurden den nunmehrigen Klarissen nicht die Regel der hl. Klara, sondern die nach Papst Urban IV. benannte Regel auferlegt. In ihr wurde neben Armut, Keuschheit und Gehorsam auch die strenge Klausur als verbindliches Gebot festgeschrieben, nach dem sich alle Klarissen zu richten hatten.

Erstes Frauenkloster nördlich der Alpen

Bereits drei Jahrzehnte vor der Einrichtung des Klarissenordens entstanden ab den 1230er Jahren die ersten weiblichen Bettelordensklöster jenseits der Alpen. Ihre Entwicklung verlief parallel zu der des Franziskanerordens, der sich mit der erfolgreichen Ankunft der Brüder im Jahre 1221 in Deutschland etabliert hatte. Allerdings liegen bei den ersten rund ein Dutzend umfassenden Klöstern die genauen Gründungsumstände im Dunkeln. Eine Ausnahme bilden lediglich die beiden Gründungen aus dem böhmischen Herrscherhaus der Prˇemysliden. So stiftete das königliche Geschwisterpaar Agnes und Wenzel um 1233 in Prag das erste Frauenkloster nördlich der Alpen. Agnes, die selbst in das Kloster eintrat und mit Klara von Assisi im Briefwechsel stand, versuchte vergeblich, vom Papst das Armutsprivileg für ihre Stiftung zu erhalten. Ihre Schwester Anna, Ehefrau Herzog Heinrichs II. von Schlesien, gründete 1257 das Frauenkloster St. Klara in Breslau.

In Bischofsstädten und Wirtschaftszentren

Dagegen haben wir von den vor 1263 errichteten Frauenklöstern kaum Kenntnis über die Stifter und über die Herkunft der Nonnen. Jedoch verdankt sich ihre Entstehung bestimmten Faktoren, die auch für die Ansiedlung der Minderbrüder ausschlaggebend waren. So lassen sich die frühen weiblichen Bettelordensklöster einerseits in bedeutenden Bischofsstädten nachweisen, wie zum Beispiel in Konstanz und Würzburg, und andererseits in wirtschaftlich potenten Orten. Als eine der pros-perierenden Regionen im deutschen Reich galt Süddeutschland, wo insbesondere in den Reichsstädten Frauenklöster gegründet wurden. Zu diesen Einrichtungen zählten die Konvente in Esslingen, Straßburg, Pfullingen sowie in Söflingen nahe der Reichsstadt Ulm, das zu einem der bedeutendsten und vermögendsten Klöster im deutschsprachigen Raum wurde. Diese Gemeinschaften gehörten anfangs dem Damians- und ab 1263 dem Klarissenorden an. Sie lebten nicht nach der Lebensform der hl. Klara, sondern folgten der Urbanregel.

Gehorsam gegenüber den Männern

Die Frauenklöster waren der Franziskanerprovinz zugeordnet, in deren Einzugsbereich sie lagen. Das bedeutete, dass sich die Äbtissin und die Schwestern zum Gehorsam gegenüber dem jeweiligen Provinzialminister verpflichteten und dieser im Gegenzug dafür Sorge zu tragen hatte, die Seelsorge der Nonnen zu gewährleisten. So entsandte er Brüder zu den Ordensfrauen, um bei ihnen die Messe zu lesen, die Beichte zu hören, weitere Sakramente zu spenden und den Besitz der Klöster zu verwalten. Allerdings zeigten sich die Brüder nicht immer kooperativ. So lehnten zum Beispiel die seit ca. 1232 in Prag ansässigen Franziskaner den Auftrag ab, die Seelsorge der Nonnen in dem unweit ihres Konvents gelegenen Frauenkloster St. Franziskus zu übernehmen. Um sich aber die seelsorgerische Betreuung der Brüder zu sichern, übernahmen vor allem die hochadligen Klarissenklöster ein Modell, das bereits in spätmittelalterlichen Kanonissenstiften etabliert war. Demnach wurde den Frauenklöstern ein Männerkonvent mit fünf bis sechs Brüdern zur seelsorgerischen Versorgung für die in strengster Abgeschlossenheit lebenden Nonnen angegliedert. Da diese Minderbrüder in den Quellen aber nur schwer nachweisbar sind, lässt sich wenig über deren Wirken bei und für die Klarissen aussagen.

Verlangsamung und Auflösungen

Mit der Konstituierung des Klarissenordens im Jahre 1263 stieg die Anzahl der Klarissenklöster nördlich der Alpen bis zum Ende des 13. Jahrhunderts kontinuierlich an. Das ist zum einen darauf zurückzuführen, dass bereits bestehende Schwesterngemeinschaften, wie zum Beispiel Nürnberg und Regensburg, in Klarissenklöster umgewandelt wurden. Zum anderen entstanden hochadlige Stiftungen in diversen herrschaftlichen Territorien, wie die wettinischen Klöster Seußlitz und Weißenfels. Danach ebbte die Gründungswelle ab, so dass im 14. und 15. Jahrhundert nur noch wenige Klarissenklöster entstanden. Dazu zählen Königsfelden, Ribnitz, Bamberg und Hof.

Mit der Reformation im 16. Jahrhundert und der Säkularisation im frühen 19. Jahrhundert wurden die meisten Klöster aufgelöst. Nur vereinzelt kam es danach zu Neu- oder Wiedergründungen, so dass im deutschsprachigen Raum von den mittelalterlichen Klöstern heute nur noch das nach 1230 errichtete Klarissenkloster in Brixen fortbesteht.

Zuletzt aktualisiert: 27. Dezember 2021
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