Runter vom Sofa, ran ans Leben!

15. April 2019 | von

Sie sind in der ganzen Welt zu Hause. Optimistisch stehen sie mit der nötigen Portion Realismus im Leben.  Unsere Autorin sprach mit einigen der jungen „Weltbürger“. Was erwarten sie sich vom Jahr 2019, dessen erstes Viertel nun schon bald wieder vorüber ist?

 

Annamària Fejes ist Ungarin und seit Sommer 2018 in Frankreich verheiratet. Ihr Mann kommt aus Burundi. „In der Multi-Kulti-Gesellschaft von heute sind Viele auf der Suche nach ihrer Identität. Unsere Altersgenossen fühlen sich oft allein und haben Angst vor der Zukunft, vor Diskriminierung und vor Scheitern“, sagt die junge Frau. „Aber wir wollen gegen diesen Strom angehen und mit unserer Liebe ein Zeichen setzen, dass Einheit in Verschiedenheit möglich ist.“ Auf ihren Traum für 2019 angesprochen, antwortet Annamària spontan: „Ich träume davon, dass die Einheit in Verschiedenheit sich immer mehr im Leben vieler Menschen ausbreitet, um unsere Welt zu einem geeinten Kontinent zu machen.“

Frantisek Talir lebt in der Tschechischen Republik und will für die Parlamentswahlen kandidieren. Er ist noch keine 30 Jahre alt und findet deutliche Worte, um sein Ziel für die nächsten Jahre zu definieren. „Wir Tschechen sind ein eher zurückhaltendes Volk und bleiben gern unter uns. Aber wir müssen uns den anderen gegenüber öffnen, wenn wir den Anschluss an die Welt nicht verlieren wollen.“ In der Politik wolle er sich dafür besonders einsetzen. „Die Zukunft gehört uns Jugendlichen“, unterstreicht Frantisek, „und wir gestalten sie im Heute. Darum: runter vom Sofa und ran an das Leben mit all seinen Herausforderungen von Differenzierung, Individualisierung und Globalisierung. Im Schulterschluss mit der älteren Generation werden wir die Situation meistern.“

 

Gegen den Hunger

Elena Jancisinova und Agnese Egidi waren dabei, als im Juni 2018 650 Kinder (im Alter von 9-16 Jahren) aller Kontinente im großen Saal der FAO (Organisation der UNO für Ernährung und Landwirtschaft) in Rom zusammenkamen. Sie sind Vertreter einer Generation, die sich weltweit für das Projekt „Zero Hunger“ der FAO einsetzt. „Eigentlich gibt es auf unserem Planeten ausreichend Wasser und Lebensmittel für alle, aber sie sind ungerecht verteilt“, informiert Elena. „Auf der Erde leben 7,5 Milliarden Menschen, von denen 800 Millionen um das tägliche Überleben kämpfen müssen. Wir Kinder und Jugendlichen von heute wollen die erste Generation sein, die den Hunger in der Welt überwindet. Und wir wissen auch schon, wie.“ 

Den Zahlen der FAO zufolge wird jedes Jahr ein Drittel der vorhandenen Lebensmittel weggeworfen (1,3 Milliarden Tonnen). Dies würde reichen, um die 800 Millionen Unterernährten auf dieser Welt vier Mal zu speisen. „Wir nehmen die Herausforderung an“, erklärt Agnese, „und beginnen erst einmal bei uns selbst: kein Essen wegwerfen und im Supermarkt das kaufen, was kurz vor dem Verfallsdatum steht.“ Die Strategie der Kinder  lautet: Kopf-Herz-Hände. Sie untersuchen die Situation vor Ort, erkennen die Not, suchen Hilfsmöglichkeiten und setzen sie dann um. Elena nennt weitere Beispiele. „Wir organisieren z.B. Info-Tage zu Zero Hunger an Schulen, lassen Experten sprechen, fordern die Gastronomie auf, ihre nicht fristgerecht verkauften Waren an Wohltätigkeitseinrichtungen zu spenden oder wir bringen sie persönlich zu den Armen etc.“ Wie lange wird es noch dauern, bis der Hunger in der Welt gestillt sein wird? Elena und Agnese sind optimistisch. „Das Projekt ist auf 15 Jahre angelegt. Wir sind weltweit bereits im vierten Jahr unterwegs. Bis 2030 müsste es eigentlich klappen.“

 

Bäume für das Leben

Wie kann ich mein Lieblingstier, den Eisbären, retten? Diese Frage stellte sich Felix Finkbeiner als neunjähriger Schüler und kam auf die Idee, dem Klimawandel mit dem Pflanzen von vielen Bäumen zu begegnen. Der heute 21-jährige Felix formulierte damals seine Vision so: „Kinder könnten in jedem Land der Erde eine Million Bäume pflanzen und so auf eigene Faust einen CO²-Ausgleich schaffen. Denn jeder gepflanzte Baum entzieht der Atmosphäre CO². Kinder können handeln, während die Erwachsenen nur darüber reden.“ Felix illustrierte damals seinen Anspruch mit dem Ausspruch: „Ein Moskito kann nichts gegen ein Nashorn ausrichten, aber 1.000 Moskitos können ein Nashorn dazu bringen, die Richtung zu ändern.“

Das war der Grundstein für die Initiative „Plant for the Planet“, für die sich inzwischen 70.000 Kinder und Jugendliche weltweit als Botschafter einsetzen. Das ursprüngliche Ziel, bis 2020 eine Milliarde Bäume zu pflanzen, ist längst erreicht. Derzeit sind es schon weit über 15 Milliarden. Und das nächste Ziel sind weitere 1.000 Milliarden Bäume! Mittlerweile machen auch Politiker, Schauspieler, große Unternehmer und gekrönte Häupter wie z. B. Fürst Albert von Monaco und König Felipe von Spanien mit. Sie unterstützen durch ihre Bekanntheit und mit ihren finanziellen Mitteln publikumswirksam und nachhaltig Plant for the Planet. Es gehe längst nicht mehr allein darum, sein Lieblingstier, den Eisbären, zu retten, erläutert Felix. „Hier geht es um meine Zukunft, um die Zukunft der Menschheit. Und da müssen wir uns schon selbst, zusammen mit den Erwachsenen, kümmern. Wir kämpfen ganz einfach um unser Überleben.“ Sein Wunsch für 2019? „Dass es uns gelingen möge, den Wettlauf mit der Zeit zu gewinnen, um die Klimakrise zu bremsen.“

 

Die Welt besser machen

Annàmaria, Frantisek, Elena, Agnese und Felix sind Change Maker, Menschen, die durch ihr persönliches Engagement andere wachrütteln und etwas in der Welt zum Positiven verändern. Sie wollen Zukunft gestalten und geben ein ermutigendes Beispiel dafür, wie jeder, egal welchen Alters und egal an welchem Ort der Welt, dazu beitragen kann, die Erde ein Stück besser zu machen – mit ansteckender Begeisterung und langem Atem. Diese Jugendlichen sind keine Einzelkämpfer. Sie finden Kraft für ihr nötiges Durchhaltevermögen in einem weltweiten und generationenübergreifenden Netzwerk von Beziehungen. Sie haben verstanden, dass im 21. Jahrhundert die Antworten auf die Fragen der Menschheit nicht mehr nur lokal, sondern vor allem global gefunden werden. Und dies ist etwas völlig Neues in der Menschheitsgeschichte.

Zuletzt aktualisiert: 15. April 2019
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