Verbrecherjagd zur besten Sendezeit

23. November 2020 | von

Der „Tatort“ feiert Jubiläum: Seit einem halben Jahrhundert wird die beliebte Krimi-Reihe ausgestrahlt, nicht nur im deutschen Fernsehen, sondern auch im ORF 2 und SRF 1. Zum Jubiläum gratulieren wir dem zahlreich preisgekrönten sonntäglichen TV-Ereignis, das Woche für Woche ein Millionenpublikum mitfiebern lässt.

Ballauf und Schenk in Köln, Batic und Leitmayr in München, Lannert und Bootz in Stuttgart, Rubin und Karow in Berlin, Janneke und Brix in Frankfurt, Borowski in Kiel, Lindholm in Göttingen, Murot in Wiesbaden… und allen voran Thiel und Professor Boerne in Münster. Jeden Sonntagabend zum Ausklang des Wochenendes, zwischen Tagesschau und Polit-Talk, ermitteln und kombinieren sie, studieren Akten und liefern sich Schussgefechte, lassen sich Obduktionsergebnisse erklären und besorgen Durchsuchungsbeschlüsse, trinken Kaffee und schlafen nachts im Büro im Präsidium. Und schließlich verhaften die momentan rund 20 Ermittler bzw. Ermittlerteams zumeist am Ende der 90 Minuten den Mörder oder die Mörderin. Im Schnitt etwa zehn Millionen Menschen bleiben nach dem Abspann manchmal schockiert und verstört, manchmal ratlos, mitunter auch mal gelangweilt zurück und schalten in großer Treue eine Woche später um 20.15 Uhr wieder Das Erste ein. Der Tatort ist eine einmalige Erfolgsgeschichte der ARD und verzeichnet in den vergangenen Jahren nochmals steigende Zuschauerzahlen, auch in der Generation der Jüngeren. Ende November wird er 50 Jahre alt.

Regionale Bezüge
Über 1140 Tatort-Krimis wurden seit 1970 gedreht und ausgestrahlt. Aus den zwei Jahren, die der Tatort nach den anfänglichen Planungen laufen sollte, wurde bis heute ein halbes Jahrhundert. Dabei geht es im Tatort nicht immer nur um die banale Mördersuche. Der Tatort verarbeitet auch gesellschaftlich relevante Themen: Sterbehilfe, Altersarmut, Migration oder Cybermobbing werden in populärer Form aufbereitet. Wesentlich zum Erfolg dürfte beigetragen haben, dass die einzelnen Folgen der Krimireihe in sich abgeschlossene Geschichten erzählen. In den 35 neuen Filmen pro Jahr wechseln sich die Kommissare oder die Teams Sonntag für Sonntag ab und zeigen neben ihrem beruflichen Können zunehmend ihre private, menschliche und verletzliche Seite. Eine bedeutende Rolle spielt die Regionalität, die immer wieder die Filme durchzieht. Regelmäßig fährt Kommissar Thiel mit seinem Fahrrad über den Münsteraner Prinzipalmarkt, essen die Kommissare Ballauf und Schenk nach Abschluss ihres Falls Currywurst und Pommes an der „Wurstbraterei“ direkt am Rhein mit dem Kölner Dom im Hintergrund und gehen die Kommissare Batic und Leitmayr (bisher 84 Folgen!) auf der Wiesn in München heißen Spuren nach. Ob in Ludwigshafen, Dresden, Dortmund, Weimar oder Hamburg, die regionalen Bezüge sind in jeder Episode bewusst gesetzt, obwohl vieles gar nicht dort gedreht wird, wo es spielt. Das meiste des Münsteraner Tatorts entsteht nicht in Westfalen, sondern in Köln, dem Hauptsitz des verantwortlichen Westdeutschen Rundfunks (WDR). Lena Odenthal, bereits seit 1989 als erste weibliche Hauptkommissarin in bisher 71 Tatorten im Einsatz, ermittelt zwar in Ludwigshafen, zum Drehen reist die Schauspielerin Ulrike Folkerts aber nach Baden-Baden, einem der Hauptstandorte des Südwestrundfunks (SWR). So können Kosten gedrückt werden, die sich im Schnitt auf rund 1,3 Millionen Euro pro Film belaufen.

Vielbeschäftigte Ermittler
In 50 Tatort-Jahren waren bisher etwa 80 Ermittler (-teams) auf dem Bildschirm. Einige von ihnen hatten nur einen einzigen Fall, andere waren Dauerbrenner, wie z.B. die Hamburger Kommissare Stoever (Manfred Krug) und Brockmöller (Charles Bauer), die es zwischen 1984 und 2001 auf 41 Folgen brachten, oder der von Götz George dargestellte Duisburger Hauptkommissar Schimanski, dem nach 29 Tatorten eine eigene Filmreihe in der ARD gewidmet wurde. Mit Schimanski trat eine neue Art von Kommissar im Tatort auf: nicht mehr akkurat und korrekt, sondern derb und beeinflusst von der 68er-Bewegung.

Lieblingstatorte und Jubiläumsfolge
Haben sich Themen und Ermittler des Tatorts in den vergangenen 50 Jahren verändert und entwickelt, ist eine Sache seit Beginn nahezu gleich geblieben: Der Vorspann, Auftakt einer jeden Folge: Augen, die durch einen Schlitz blicken, das Fadenkreuz über der Iris, rennende Beine auf nassem Asphalt, dazu Musik von Klaus Doldinger, alles komponiert und gedreht 1970. Der bayerische Schauspieler Horst Lettenmayer, dem die Augen und die Beine gehören, bekam für den Dreh einmalig 400 DM. Der unverwechselbare Vorspann hat mit dazu beigetragen, dass der Tatort eine wiedererkennbare Marke im deutschen Fernsehen geworden ist. Zeitgemäß angepasst wissen will das Publikum ihn auf keinen Fall.
Gefeiert wird der 50. Geburtstag mit besonderen Aktionen: In der diesjährigen Sommerpause konnten die Zuschauer ihre Lieblingstatorte wählen, die als Wiederholung am Sonntagabend gezeigt wurden. Der WDR strahlt seit September nochmal alle 29 Schimanski-Tatorte in colorierten Nachbearbeitungen aus. Und: Trotz Corona und den damit verbundenen Hygienevorschriften bei den Dreharbeiten konnte die Jubiläumsfolge rechtzeitig fertiggestellt werden: Die Kommissare aus München und Dortmund treffen aufeinander und ermitteln in einer Doppelfolge erstmals gemeinsam. Tatort, herzlichen Glückwunsch!
 

Zuletzt aktualisiert: 23. November 2020
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