Vertrauen ist gut. Ist Kontrolle besser?

25. März 2014

Osterbeichtbildchen wurden früher im deutschen Sprachraum zur „Erinnerung“ an die erfüllte ‚Osterpflicht‘ abgegeben. In Wirklichkeit handelte es sich um eine disziplinarische Maßnahme.



Der heilige Augustinus (354-430) ging während seines ganzen langen Lebens nie zur Beichte. Die Sünden, die er sich während seines Lotterlebens vor der Bekehrung zuschulden kommen ließ, wurden ihm allesamt durch die Taufe vergeben, die er erst als 43-Jähriger empfing. Und Todsünden hatte der heilige Bischof von Hippo nach seiner Kehrtwende keine mehr begangen.



VON DER EUCHARISTIE AUSGESCHLOSSEN

Als schwerwiegende Verfehlungen galten damals die Verleugnung des Glaubens (was besonders zu Zeiten der Christenverfolgungen aktuell war), Mord, Ehebruch und schwerer Diebstahl. Derlei Fehltritte bekannten die Schuldigen dem Gemeindevorsteher privat. Danach wurden sie von ihm von der Teilnahme an der Eucharistie (nicht aber vom Wortgottesdienst) ausgeschlossen und mit Bußauflagen belegt. Nachdem sie diese abgeleistet hatten, wurden sie am Donnerstag vor Ostern wiederum in die kirchliche Gemeinschaft eingegliedert. Erst im Lauf der Jahrhunderte dann nahm die kirchliche Buß- und Beichtpraxis immer konkretere Formen an.



FÜNF KIRCHENGEBOTE

Vor nicht allzu fernen Zeiten, als Säkularisation ein Fremdwort und die Kirche noch im Dorf war, mussten wir im Katechismusunterricht unter anderem auch die fünf Kirchengebote auswendig lernen. Das vierte lautete: „Du sollst jährlich wenigstens einmal beichten und zur österlichen Zeit die Kommunion empfangen.“ Diese Vorschrift geht auf das Vierte Laterankonzil zurück, das im Jahr 1215 tagte.

Festgelegt wurde der Zeitraum für die Beichte (einmal jährlich), nicht aber der Zeitpunkt, an dem diese abzulegen war. Letzterer bezog sich ausschließlich auf den Kommunionempfang („zur österlichen Zeit“). In der Praxis aber wurde dann beides mit-

einander verbunden – Stichwort: ‚Osterpflicht‘. Unbeachtet blieb dabei der Umstand, dass die Vorschrift, wenigstens einmal im Jahr zu beichten, genau genommen nur jene betraf, welche sich eine Todsünde hatten zuschulden kommen lassen.



BEICHTZETTEL ALS QUITTUNG

Dass das Vierte Laterankonzil keine allgemeine Beichtpflicht postulierte, scheint später sogar den Teilnehmern des Konzils von Trient (1545-1563) entgangen zu sein. Die verpflichteten die Pfarrer, zu kontrollieren, ob alle Gemeindemitglieder die

Osterbeichte tatsächlich abgelegt hätten.

Um dies festzustellen, führte man seit Beginn des 19. Jahrhunderts in weiten Gegenden des deutschen Sprachraums die sogenannten Beichtzettel ein. In einigen wenigen Gebieten, vorab in Klöstern, wird diese Praxis noch heute gepflegt. Dabei handelt es sich um eine Bescheinigung, welche belegt, dass die betreffende Person während der Fastenzeit die ‚Beichtpflicht‘ erfüllt hat. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts war die entsprechende ‚Quittung‘ oft auf der Rückseite eines Heiligenbildchens aufgedruckt. In gewissen Pfarreien wiederum war am unteren Rand dieses Heiligenbildchens ein Streifen markiert, den man abtrennen oder abschneiden konnte. Der war dann im Pfarramt abzuliefern.

Mancherorts war es üblich, dass sich die Erwachsenen für diese Bescheinigung mit einer kleinen Spende bedankten. Die zückten oft erst im Beichtstuhl ihren Geldbeutel und kramten eine Münze hervor, die sie nach Erhalt des Osterbeichtbildchens unter dem Gitter, das die Reumütigen vom Beichtiger trennte, durchschoben.

Heute kann man ab und zu hören, dass die Beichtzettel „zur Erinnerung“ an die Osterbeichte abgegeben wurden. In Wirklichkeit jedoch handelte es sich um eine Kontrollmaßnahme.



WIE KONTROLLE UMGEHEN?

Nach dem Osterfest dann war es meist die Hausfrau, welche dem Pfarrer die diesbezüglichen Bestätigungen überbrachte und damit den Beweis lieferte, dass alle Familienangehörigen der kirchlichen Verordnung Folge geleistet hatten. Allerdings gab es schon damals Männer, welche vom Pfarrer wenig hielten, von der Kirche schlecht dachten und von einer Osterbeichte nichts wissen wollten. Weshalb die Ehefrauen, um den guten Ruf der Familie zu wahren, vor Ostern in der Nachbarpfarrei oder in einem Kloster nochmals ihre Sünden bekannten, um dort ebenfalls einen Beichtzettel für ihren nicht gerade gottlosen, aber antiklerikal gesinnten Ehemann zu ergattern. Ein Zeitzeuge erinnert sich, dass man in seiner Jugend auch in der Dorfwirtschaft für eine Maß Bier einen Beichtzettel erwerben konnte, von einem, der für seine Sünden während der Fastenzeit schon mehrmals Absolution empfangen hatte.

Was zeigt, dass die dem russischen Politiker Wladimir Iljitsch Lenin zugeschriebene Redewendung „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ doch noch das eine oder andere Schlupfloch offenlässt.

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016