Wenn eine Lady schreibt
Am 16. Dezember 1775 – vor 250 Jahren – wird im Pfarrhaus des englischen Ortes Steventon Jane Austen geboren. Sie gilt als eine der größten englischsprachigen Autorinnen; einige ihrer Werke haben den Rang von Klassikern.
Jane Austen wächst in Steventon, Grafschaft Hampshire, als siebtes von acht Kindern eines Pfarrers auf. Ihre Eltern William George und Cassandra fördern nicht zuletzt dank einer hauseigenen Bibliothek Bildung, Lesen und Schreiben – und schon früh schreibt Jane selbst kleine Geschichten, Theaterstücke und Parodien. Diese frühen Texte offenbaren bereits ihre ironische Haltung gegenüber den gängigen literarischen Formen und gesellschaftlichen Konventionen. Die Grundlage ist gelegt für ein schriftstellerisches Lebenswerk, das Humor, Ironie und moralische Tiefe auf einzigartige Weise verbinden wird.
Produktiv und anonym
Nach dem Umzug nach Chawton im Jahr 1809 – der Vater ist mittlerweile gestorben – beginnt für Jane Austen ihre produktivste Phase. In diesem kleinen Landhaus, das ihr von ihrem Bruder Edward zur Verfügung gestellt wurde, verfasst sie in Ruhe und mit familiärer Unterstützung die Manuskripte zu ihren bekannten Romanen. „Sense and Sensibility“ (auf Deutsch: Verstand und Gefühl) erscheint 1811, „Pride and Prejudice“ (Stolz und Vorurteil)1813, „Mansfield Park“ 1814 und „Emma“ 1815. Austen veröffentlicht ihre Werke anonym: Als Verfasserangabe tragen die Bücher lediglich den Hinweis „by a lady“. Doch ihre unverwechselbare Handschrift – scharfsinnige Charakterisierung, Dialogwitz, subtile Ironie – macht sie sofort erkennbar. Die Identität der Autorin ist ein zunehmend offenes Geheimnis.
Mehr als Liebesgeschichten
Austens Romane zeichnen sich durch präzise Beobachtung gesellschaftlicher Strukturen und menschlicher Eigenarten aus. Im Zentrum der Handlung stehen häufig junge Damen des gehobenen ländlichen Bürgertums. Verschiedene Schwierigkeiten stoßen einen Lernprozess in ihnen an, fördern die Selbsterkenntnis und lassen sie schließlich den Mann heiraten, den sie wirklich lieben – ist doch damals eine gute Heirat für eine Frau die einzige realistische Möglichkeit, sich eine gute Stellung in der Gesellschaft zu sichern. Ironischerweise heiratet Jane Austen selbst nie – den Heiratsantrag des sechs Jahre jüngeren Harrison Bigg Wither lehnt sie 1802 ab – und bleibt damit abhängig vom Wohlwollen ihrer Verwandten.
In „Stolz und Vorurteil“ zeigt sie, wie Vorurteile und Standesdünkel Liebesgeschichten komplizieren, während Figuren wie Elizabeth Bennet Selbstbewusstsein und Intelligenz in einer männerdominierten Welt demonstrieren. In „Mansfield Park“ werden Moral, Pflichtbewusstsein und die Rolle des Individuums in der Familie und Gesellschaft thematisiert. „Emma“ eröffnet Einblicke in die Dynamik von Freundschaft, Einfluss und Selbsttäuschung, wobei Austens Humor und Ironie stets durchscheinen – etwa, wenn Mr. Knightley gesteht: „Wenn ich dich weniger liebte, könnte ich vielleicht mehr darüber reden.“ In diesem Moment offenbart sich die Tiefe ihrer langjährigen Beziehung: Emma erkennt, dass seine Liebe schon immer bestand, und dass die Nähe zwischen ihnen – geprägt von Freundschaft, gegenseitigem Einfluss und Vertrautheit – auf tiefen Gefühlen beruhte, die sie selbst lange nicht wahrgenommen hatte. Emma und Mr. Knightley heiraten. Happy End.
Handlung im Dienst der Botschaft
Obwohl Austen nie eine öffentliche literarische Karriere anstrebte, prägte sie die Form des Gesellschaftsromans entscheidend. Sie verzichtete auf überbordende Handlung oder dramatische Konflikte, um die subtile Mechanik menschlicher Beziehungen und gesellschaftlicher Erwartungen zu beleuchten. Ihre Werke sind eine Mischung aus Unterhaltung, moralischem Nachdenken und scharfsinniger Satire. Die Figuren sind glaubwürdig und zeitlos – von der aristokratischen Fanny Price bis zur cleveren Emma Woodhouse –, und ihre Konflikte und Entscheidungen wirken universell. Zu den wegweisenden stilistischen Entwicklungen zählt die erlebte Rede, die von Jane Austen entscheidend weiterentwickelt wurde.
Über den Tod hinaus
Im Alter von 40 Jahren erkrankt die mittlerweile etablierte Romanautorin schwer. Medizinisch kann ihr nicht geholfen werden und sie stirbt am 18. Juli 1817 in Winchester und wird wenige Tage darauf in der dortigen Kathedrale begraben.
Ihr Einfluss reicht weit über ihre Lebenszeit hinaus: Ihre
Werke leben weiter in zahllosen Übersetzungen, Verfilmungen, Theaterbearbeitungen und Adaptionen. Ihre Texte sind mehr als historische Romane: Sie regen zu Reflexionen über zwischenmenschliche Beziehungen, Verantwortung, Selbstbestimmung und gesellschaftliche Normen an. Der feine Humor, die ironische Distanz und die moralische Beobachtung ihrer Romane bieten Impulse, auch in der heutigen Zeit über die eigene Haltung in Familie, Freundeskreis und Gemeinschaft nachzudenken. Obendrein kommen Engländer mit ihr wohl fast täglich in Kontakt, ist ihr Porträt doch auf der Vorderseite der 10-Pfund-Banknote des Vereinigten Königreichs abgebildet.