Wie kommt der Papst zu seinem Namen?

16. Juni 2025 | von

Eine der spannenden Fragen rund um das Konklave: Welchen Namen gibt sich der neue Papst? Unser Autor erläutert, warum der Bischof von Rom den Namen wechselt und worauf sich Leo XIV. bezieht.

„Nomen est omen“. Diese heute noch gebräuchliche Redensart stammt ursprünglich vom römischen Komödiendichter Plautus, der von etwa 250 bis 184 vor Christus gelebt hat. Wörtlich übersetzt bedeutet diese lateinische Wendung „der Name ist ein Zeichen“; sie wird in der Regel gebraucht, um auszudrücken, dass der Name eine Person treffend kennzeichnet. Freier könnte man auch übersetzen mit „Der Name ist Programm“.

Name als erster Eindruck
In diesem programmatischen Sinn hat alle Welt neugierig darauf gewartet, welchen Namen sich der neugewählte Papst geben würde. Darüber war schon im Vorfeld der Wahl, während des Vorkonklaves und des Konklaves selbst spekuliert worden. Natürlich wollten vor allem die Medien wissen, wer und wie denn der neue Papst sein würde, was man von ihm zu erwarten hätte, wie er sich in den verschiedenen kirchlichen und politischen Konfliktfeldern positionieren würde usw. Über den von ihm gewählten Namen wollte man sich vom neuen Papst ein Bild machen und ihn irgendwie zu fassen kriegen.

Anlehnung und Abgrenzung
Das alles wurde mit dem künftigen Papstnamen verbunden – aber auch mit den Namen der letzten Päpste: Wer die Namenslisten der Päpste durchsieht, dem war schon klar, dass der Papstname „Franziskus“ ausgefallen und einzigartig war; gerade über den Träger dieses Namens, über den am 21. April 2025 verstorbenen Papst Franziskus, sagt der frühere evangelisch-lutherische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm in der Herder-Korrespondenz, dass sein Name Programm war. So sehr sich viele Papstwähler eine Fortsetzung des generellen Kurses von Papst Franziskus wünschten, so sehr war ihnen klar, dass es einen „Franziskus II.“ nicht geben würde; der neue Papst kann kein Abziehbild seines Vorgängers werden. Ebenso wenig war erwartet worden, dass es einen „Benedikt XVII.“ geben würde: Zu sehr stand das Bild des großen Theologen Benedikt XVI. im Raum, der zudem vielen als traditionsbewusst und streng gilt. Mit den übrigen Namen der jüngeren Papstgeschichte – Johannes Paul, Paul, Johannes und Pius – verhält es sich ganz ähnlich. Die Wahl eines dieser Namen wäre sofort als eine inhaltliche und programmatische Anlehnung an das Pontifikat des jeweils letzten Trägers des jeweiligen Namens interpretiert worden und somit in einem gewissen Sinn als eine Orientierung nach rückwärts, und eben nicht nach vorne.

Biografische Parallelen
Mit der Wahl des Namens „Leo XIV.“ hat der bisherige Präfekt des Dikasteriums für die Bischöfe, der Augustiner Robert Francis Prevost, einen Überraschungscoup gelandet: Seine Namenswahl knüpft an Papst Leo XIII. an, der vom 20. Februar 1878 bis zum 20. Juli 1903 als Papst regierte. Der studierte Theologe, Jurist und Kirchenrechtler war ein wissenschaftsfreundlicher und amtsbewusster Papst und hat der Kirche einen Weg zur modernen Kultur geöffnet; er hat Gelehrten die vatikanischen Archive zugänglich gemacht und mit seiner Enzyklika „Rerum novarum“ auf die damals virulenten sozialen Fragen, vor allem auf die sogenannte „Arbeiterfrage“ reagiert und so die Grundlinien der Katholischen Soziallehre gezogen. Er vertrat als eine wichtige Aufgabe der Kirche, zum gerechten Ausgleich zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern beizutragen, lehnte den – kommunistischen – Klassenkampf ab und betonte als unverzichtbaren christlichen Grundsatz die Achtung eines jeden Menschen und seiner von Gott geschenkten Würde. Ein Blick in die Biografie von Papst Leo XIV. gibt Hinweise darauf, dass er die Wahl seines Papstnamens bewusst und in programmatischer Absicht getroffen hat: Er war Missionar, Seelsorger und Bischof in Peru, aber auch Professor für Kirchenrecht, Patristik und Moraltheologie, war zwei Amtszeiten lang Generalprior des Augustinerordens und hat auch darüber hinaus Führungsverantwortung im Augustinerorden erworben; schließlich wurde er am 30. Januar 2023 von Papst Franziskus zum Präfekten des Dikasteriums für die Bischöfe und zum Präsidenten der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika ernannt. 

Namenswahl als Selbstverständlichkeit
Ganz allgemein stellt sich aber die Frage, warum ein zum Papst Gewählter sich überhaupt einen neuen Namen gibt. Kirchenrechtlich vorgeschrieben ist das nicht. Der c. 332 § 1 CIC (Codex Iuris Canonici; Gesetzbuch der lateinischen Kirche) bestimmt lediglich: „Volle und höchste Gewalt in der Kirche erhält der Papst durch die Annahme der rechtmäßig erfolgten Wahl zusammen mit der Bischofsweihe. Deshalb besitzt ein zum Papst Gewählter, der schon die Bischofsweihe empfangen hat, diese Gewalt vom Augenblick der Wahlannahme an. Wenn der Gewählte noch nicht Bischof ist, ist er sofort zum Bischof zu weihen.“ Um rechtswirksam das Amt des Papstes zu übernehmen, sind also die Annahme der Wahl und die Bischofsweihe erforderlich. Die Wahl eines Papstnamens wird nur in der von Papst Johannes Paul II. erlassenen Gesetzgebung zur Papstwahl, der Apostolischen Konstitution „Universi Dominici Gregis“, in Nr. 87, als ein Faktum angesprochen: „Ist die Wahl kanonisch vollzogen, so ruft der letzte der Kardinaldiakone den Sekretär des Kardinalskollegiums und den Päpstlichen Zeremonienmeister in den Wahlraum; darauf fragt der Kardinaldekan oder der ranghöchste und älteste Kardinal im Namen des ganzen Wählerkollegiums den Gewählten bezüglich der Annahme der Wahl mit folgenden Worten: ‚Nimmst Du Deine kanonische Wahl zum Papst an?‘ Sobald er die Zustimmung erhalten hat, fragt er ihn: ‚Wie willst Du Dich nennen?‘ Daraufhin fertigt der Päpstliche Zeremonienmeister, der als Notar wirkt und zwei Zeremoniäre … über die Annahme der Wahl durch den neuen Papst und den von ihm angenommenen Namen ein Schriftstück an.“

Historische Hintergründe
Damit wird auf einen Brauch Bezug genommen, der verstärkt im zehnten Jahrhundert aufgekommen ist. Bereits im Jahr 533 hatte Mercurius den Papstnamen „Johannes II.“ angenommen; Oktavian hat am 16. Dezember 955 den Papstnamen „Johannes XII.“ gewählt. Ursprünglich ging es also darum, einen heidnischen Namen durch einen christlichen Namen zu ersetzen, weil es als ungebührlich erschien, wenn der Papst und Bischof von Rom, der höchste Repräsentant der damals noch ungeteilten Christenheit, einen heidnischen Namen trug. Seit Oktavian/Johannes XII. wurde die Tradition, dass der zum Papst Gewählte sich einen neuen Namen gibt, bis heute mit nur zwei Ausnahmen beibehalten: Im Jahr 1522 behielt Hadrian seinen Namen auch als Papstnamen und ging als Hadrian VI. in die Geschichte ein; 1555 behielt Marcellus seinen Namen und wurde als Marcellus II. bekannt. Ursprünglich richtete sich der gewählte Papstname nach einem Heiligen, den der Gewählte besonders verehrte, oder auch nach dem Papst, der ihn zum Kardinal ernannt hatte. In jüngster Zeit ist stärker der programmatische Aspekt der Papstnamen zu beobachten. So hat etwa Albino Luciani, als er am 26. August 1978 zum Papst gewählt wurde, mit seinem damals völlig neuartigen Doppelnamen „Johannes Paul“ ganz bewusst die Namen der beiden Konzilspäpste Johannes XXIII. und Paul VI. miteinander verbunden und sich selbst so in die Tradition des II. Vatikanischen Konzils gestellt.
Von Papst Leo XIV. kann man annehmen, dass auch er mit seiner Namenswahl gerade in sozialer Hinsicht bewusst an das Vorbild von Papst Leo XIII. anknüpfen will: Dazu sollte man ihm Gottes Beistand und Segen wünschen.

Zuletzt aktualisiert: 16. Juni 2025
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