Zum Menschsein gehört das Lachen

01. Januar 1900 | von

So wie der Clown fester Bestandteil der Zirkusvorführung ist, findet sich in jeder Zeitung zumindest eine Karikatur. Zeitschriften haben ihre Witzecke. Aber noch weiter: Die Erkenntnis, daß Lachen ansteckt, haben sich auch die Werbemacher zunutze gemacht. Lachende, ausgelassene oder fröhliche Menschen präsentieren uns die Produkte der Konsumindustrie. Und wenn wir in den Werbeblocks schon keine gut gelaunten Menschen zu Gesicht bekommen, dann sind die Werbespots selbst witzig oder ironisch gemacht. Lachenden Menschen läßt sich die Ware besser verkaufen.

Lachen auf allen Kanälen. Die Comedy-Serien im Fernsehen haben zugenommen. Damit man weiß, wann es lustig ist, wird das Lachen sogar eingeblendet. Ähnlich wie mit dem angeordneten Klatschen des Studiopublikums bei großen Fernsehshows, überläßt man hier nichts mehr dem Zufall. Lachen auf Teufel komm raus? Es scheint die Einschaltquoten zu erhöhen.
Gesellschaftswissenschaftler wissen, Ironie ist eines der stärksten Signaturen unserer Zeit. Und Harald Schmidt dehnt sie in seiner Show Abend für Abend bis zum Zynismus. Keiner regt sich mehr auf, wenn er sexistische oder rassistische Aussagen häuft: das geht alles in Ordnung, weil die Seitenhiebe ja alle nicht ernst gemeint seien. Eben nur ironisch. Es gibt keine heilige Kuh mehr. Nur die, daß es keine heilige Kuh mehr geben darf. Wer nicht mitlacht ist out. Was sich noch vor einigen Jahren zumindest unter dem Motto Political Correctness noch ausschloß ist längst nicht mehr gegeben. Nichts mehr ist tabu. Und doch wirkt alles so unschuldig: Komm, bleib locker. Ist doch nur 'n bißchen Spaß. Wir wollen einfach nur Fun.

Die Fungesellschaft. Auch mit Guildo Horn, dessen Hitschreiber Stefan Raab nicht müde wurde, festzustellen, daß das Birmingham-Intermezzo alles nur Spaß gewesen sei. Oder wir lachen mit Dieter Thomas Kuhn, Wigald Boning von den
Doofen, den Roten Rosen, oder wie sie alle heißen mögen. Nachdem die geistigen Traditionen sämtlich gekippt wurden, sich aber nichts neues am Horizont zeigte, werden die Traditionen wieder bemüht, aber nur noch ironisch. Die Psychologin Nunner-Winkler vermutet, daß das Anwachsen der Ironie mit einem Gefühl der Unsicherheit zusammenhängt, das sich aus der neuen Unübersichtlichkeit der gesellschaftlichen Verhältnisse ergebe. Erst wenn sich das alles wieder etwas geordnet habe, werde auch der Spaß-Trend wieder abflauen. Bis dahin gilt: Sich nicht mehr ganz so ernst zu nehmen. Auch der Karneval ist nicht mehr festgelegt auf eine bestimmte Jahreszeit. Die Techno-Love Parade und ihre landes- und weltweiten Imitationen bieten Karneval im Hochsommer. Sich selbst feiern macht Laune. Lauter gut gelaunte, unkomplizierte und verrückt gekleidete junge Leute geben sich dann zu modernen Beats ein Stelldichein. Die Funboards kurz mit den Plateauschuhen getauscht.

Lachen ist gesund. Zumindest unter gesundheitspolitischer Sichtweise könnte uns dieser Boom gerade recht sein. Denn inzwischen ist doch längst nachgewiesen, daß Lachen Verspannungen lösen und Genesungsprozesse hilfreich begleiten kann. Der Lachvorgang erhöht nämlich den Muskeltonus, die Frequenz des Herzens und den Sauerstoffaustausch. Bestimmte Hormone, die durch herzhaftes Lachen angeregt werden, schütten sogenannte Endorphine aus, die wie ein natürliches Schmerzmittel wirken. Nicht zufällig also finden sich in Kinderkliniken immer häufiger Clowns auf der Besucherliste.
Gelotologen (Wissenschaftler, die sich mit dem Lachen beschäftigen) laden ein, auch die Psychotherapie humorvoll zu gestalten, um die seelische Heilung mit Lachen zu unterstützen. Lachtherapie versteht den Lachvorgang als entspannendes Atemtraining. Denn Lachen kann helfen, Streß abzubauen. Auch Unternehmen verlassen sich immer häufiger auf die Hilfe von Humorberatern, die wissen, daß fröhliche Mitarbeiter auch leistungsfähiger sind...

Doch: Lachen ist nicht gleich lachen. Es gibt nichts worüber nicht gelacht werden kann. Leider, müßte man sagen. Es gibt das künstliche Lachen der Comedy-Shows. Die schadenfrohe Lachen. Das zynische Lachen des Folterers. Das hämische Lachen der hänselnden Kinder. Das derbe Lachen am Stammtisch. Das Verlachen des Außenseiters. Das nervöse Lachen des Depressiven. Aber natürlich auch: das herzliche Lachen mit Freunden. Die Liste der Affekte, die sich mit Lachen verbünden können, ist endlos: Spott, Hohn, Herzlichkeit, Verzweiflung, Verlegenheit, Hysterie, Unbekümmertheit, Triumph, Verachtung und sogar die Todesnähe. Das Lachen hat also längst seine Unschuld verloren. Karl-Josef Kuschel, der sich mit Lachen aus theologischer Sicht auseinandergesetzt und es weitesgehend positiv betrachtet hat, meint deshalb auch, daß in einer Unkultur der Gefühlskälte in der Lachen auf Kosten der ohnehin Schwachen, Ausgegrenzten und gesellschaftliche Verachteten gehe es an entsprechender Stelle eben auch eine protestierende Lachverweigerung geben müsse.

Lachen und Weinen. Das spontane Lachen ist eine kaum steuerbare und gewissermaßen automatisch ablaufende Körperreaktion. Manche weinen vor lauter Lachen. Beides liegt wohl auch gar nicht so weit auseinander: Lachen und Weinen sind nicht als Gegensatzpaar zu sehen. Beidem steht vielmehr die Erstarrung, die Abgestumpftheit, der (nicht nur seelische) Tod gegenüber. Wo das Lachen verloren gegangen ist, ist die Seele wohl nicht mehr nur be- sondern verkümmert.

Lachender Jesus? Nur selten finden wir in der Bibel das Wort lachen: Sara lacht, als Gott ihr zusagt, noch im hohen Alter ein Kind zu bekommen. Gott verlacht seine Feinde. Und Kohelet weiß: Es gibt eine Zeit zum Weinen und es gibt eine Zeit zum Lachen. Recht früh in der Geschichte des Christentums stellte Johannes Chrysostomus mit Blick auf die Evangelien dann auch fest: Jesus hat nicht gelacht. Diese Aussage wurde Teil einer eher lachfeindlichen klösterlichen Tradition. Doch so einfach wie Johannes Chrysostomus sollten wir es uns auch wiederum nicht machen. Die Tatsache, daß wir in der Bibel nur wenige Stellen finden, in denen vom Lachen die Rede ist, darf uns nicht zum Schluß verleiten, daß in damaliger Zeit bzw. zu den Anfängen des Christentums nicht gelacht wurde. Nur gab es halt in den biblischen Texten weit Wichtigeres zu berichten. Jesus ist nur dann ganz Mensch, wenn er auch lachen konnte. Dafür wird es trotz seines späteren Leidensweges immer wieder Grund genug gegeben haben, in seiner Familie oder im Kreis seiner Vertrauten. Von Jesus wird eben berichtet, daß er zu genießen und zu feiern wußte.

Unterschiedliche Urteile finden wir in der Geistesgeschichte: Während bei Homer die Götter rücksichtslos lachen, will Platon das dynamisch-zügellose Lachen aus ethischem Grund bändigen. Aristoteles ist hier schon offener: Er bemerkt, daß unter den Lebewesen nur der Mensch lachen kann. Ihm ist es daran, die richtige Mitte zwischen ungebildetem Unvermögen einen Scherz zu machen und der ordinären Possenreißerei zu finden. In der monastischen Tradition stand - wie oben schon angedeutet - das Lachen eher unter einem Verdikt. Die Regel des heiligen Benedikt fordert den Verzicht auf leere und zum Lachen reizende Worte, man solle schon gar nicht dauernd oder schallend lachen. Wurden diese Forderungen wohl aufgestellt, um der monastischen Ausrichtung auf Meditation und Gebet zu dienen, konnten diese Aussagen auch eng gedeutet und jegliches - also nicht nur das exzessive -Lachen aus den Kloster verbannt werden. So schreibt der Historiker G. Schmitz: Das Lachen hat in der kirchlichen Lehre des Mittelalters keinen positiven Beigeschmack, es ist und bleibt suspekt und bekämpfenswert.... Lachen, das war, wenn nicht von vornherein Sünde, so doch wenigstens ein entschiedener Irrtum.

Ostergelächter. Gegen ein rigides, lachenvermeidendes monastisches Ideal hat sich dann auch unter anderem das karnevalistische Treiben des Mittelalters gewandt. Auch in der Liturgie fand diese Gegenbewegung ihren Widerhall: An vielen Orten wurde es zum Brauch, mit witzigen (zum Teil derben) Predigten die Gläubigen an Ostern in die Kirche zu locken. Dieser Risus Paschalis hat sich zwar nicht gehalten, aber heute findet man immer noch (oder wieder) Geistliche, die zu bestimmten Anlässen eher humorvoll gestaltete Predigten (z. B. in Reimform an Nikolaus oder im Stil einer Büttenrede am Faschingssonntag) halten.

Es braucht Humor... Wahrscheinlich kennt nur der, der über sich selbst lachen kann, die heilsame Wirkung des Lachens. Diese positive Kraft des Humors - derer auch wir Christen bedürfen - entfaltet sich nur im konstruktiven Rahmen innerer Gelassenheit. So ist Humor und Witze zu machen nicht identisch: Ein Witz bringt Lacher, Humor aber ist eine Tugend, das heißt eine innere Haltung, die sich selbst und die scheinbar so wichtigen Dinge dieser Welt relativieren kann. Der humorvolle Mensch ist nicht auf Lacher angewiesen. Der Possenreißer schon. In seinem äußerst lesenswerten Artikel Humor - die vergessene christliche Tugend (erschienen im Themenheft Lachen und Religion der Zeitschrift Una Sancta 4/97) stellt Marianus Biener fest: Humor ist kein passiver, bloß reagierender Ausbruch wie das Lachen, sondern ein bewußter, aktiver Umgang, ein kreatives Betrachten der Welt.

Gabe des Heiligen Geistes. Denen, die mit theologischen Begriffen noch etwas anzufangen wissen, ist Humor gar eine Gabe des Heiligen Geistes. Erlöste Spiritualität wird sich in der Gelassenheit des Humors wiederfinden. Denn: Der humorvolle Mensch relativiert sich und die Welt. Damit wird der Humor zu einem Bruder des Glaubens. Ein humorvoller Christ wird dann aber auch das Glaubensleben kritisch betrachten: Der Humor wendet sich gegen eine nicht geortete Religiosität, gegen abstrakte Worthülsen einer Theologie und Verkündigung wie gegen eine abstrakte Gesetzesfrömmigkeit, die sich, abgehoben vom Denken und Erfahren der Menschen, in einer eigenen Welt verselbständigt haben. (Marianus Biener)

Christlicher Humor kann in manchen Teilen durchaus mit der Ironie zeitgenössischen Welterlebens mitgehen. Denn auch christlicher Humor weiß um die Relativität aller Gegebenheiten. Unterscheidend hält aber der glaubende Humor daran fest, daß sich aller Umgang mit der Wirklichkeit von einer letzten, geheimnisvollen Wirklichkeit, die wir Gott nennen, die absolut und eben nicht relativierbar ist, relativiert. Da sich auch das Heilige nie ganz ausdrücken oder begreifen läßt, bleiben deshalb auch christliche Versuche, es zu deuten unvollendet. Echter Glaube wird deshalb immer auch mit Zweifel einhergehen. Das ist der Raum in dem christlicher Humor wächst. Auf daß wir immer wieder Grund finden, herzhaft zu lachen...

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016