Von Gott gerufen zur Heilung der Welt

01. Januar 1900 | von

Die Wahrnehmung des Laienamtes in der Kirche am Beginn unseres dritten Jahrtausends steht in einem beträchtlichen Spannungsverhältnis. Laien finden sich inmitten einer weltweiten Gemeinschaft vor. Sie müssen sich mit dem Geschehen innerhalb dieser Realität auseinander setzen. Angesichts des Abdriftens zahlreicher Gesellschaftskomplexe in gottferne Positionen dürfen sich christliche Laien keinesfalls in ein Ghetto zurückziehen. Notwendig sind Freiheit und kritische Distanz gegenüber der Gesellschaft bei gleichzeitiger Aktivität. (Erzbischof Dr. Karl Braun).

Laien sind Kirche. Unter der Bezeichnung Laien sind alle Christgläubigen verstanden mit Ausnahme der Glieder des Weihestandes und des in der Kirche anerkannten Ordensstandes. Als Christgläubige sind sie durch die Taufe Christus einverleibt, zum Volk Gottes gemacht und des priesterlichen, prophetischen und königlichen Amtes Christi auf ihre Weise teilhaftig. Sie üben zu ihrem Teil die Sendung des ganzen christlichen Volkes in der Kirche und in der Welt aus.
Gerade Laien müssen, so Papst

Pius XII., ein immer tieferes Bewusstsein gewinnen, dass sie nicht nur zur Kirche gehören, sondern die Kirche sind. Er fügt hinzu, dass dieses Kirche sein sich unter der Führung des Papstes als des gemeinsamen Hauptes und der mit ihm geeinten Bischöfe vollzieht und verwirklicht. Die Wahrnehmung ihrer Aufgabe bringt die Laien an die äußerste Front des Lebens der Kirche. Ideal und sinnvoll wäre ein integrierendes Befruchten gesellschaftlicher Gegebenheiten und Entwicklungen durch christliche Wertorientierungen. Es ist aber wichtig, dass beide Wirkfelder sorgfältig unterschieden werden. Dabei gilt es in selbstkritischer Beobachtung darauf zu achten, dass das christliche Gewissen die Führung beibehält. Keine menschliche Aktivität, auch nicht in zeitlichen Angelegenheiten, kann nämlich dem Befehl Gottes entzogen werden.

Apostolat in der Welt. Die Christgläubigen sind durch die Taufe Christus einverleibt, zum Volk Gottes gemacht und des priesterlichen, prophetischen und königlichen Amtes Christi auf ihre Weise teilhaftig geworden. Von dieser dreifachen Auszeichnung her kommt es ihnen zu, die Sendung des ganzen christlichen Volkes in der Kirche und in der Welt auszuüben. Laien haben teil am Königsamt Christi, weil Christus seinen Jüngern die Gabe der königlichen Freiheit geschenkt hat. Laien haben zudem als Christus Geweihte und mit dem Heiligen Geist Gesalbte Teilhabe am Priesteramt Christi.
Weltauftrag und Aufgabe der Laien haben eine primär nach außen gewandte und eine primär nach innen gewandte Dimension. Beide sind konstitutiv und ergänzen sich. Sie zeigen dabei Schwerpunktsetzungen verschiedener Stärke. Das primär nach außen gerichtete Wirken findet durch den Einsatz physischer, psychischer und geistiger Kräfte im Dienste des Evangeliums vorwiegend im öffentlichen Bereich statt.

Das primär nach innen gerichtete Wirken ist oft ein Wirken im Verborgenen und überall dort anzutreffen, wo Gebet, Opfer, Verzicht, Kontemplation, Erdulden und Leiden als Hingabe des Menschen im Sinne der Nachfolge Christi und des verborgenen Apostolates eingebracht werden. Innerhalb beider Dimensionen erfüllt jeder Laie erfüllt seinen persönlichen Auftrag. Dieser erwächst ihm aus seiner einmaligen Persönlichkeit, mit der ihn Gott ausgestattet hat. Dies bedeutet, dass die jeweilige Individualität eines Menschen sowohl Möglichkeiten eröffnet wie auch Grenzen seines Weltauftrages vorgibt.

Individuelles Werkzeug. Jeder Mensch ist von Gott als Person geschaffen. Auf Grund dieser Personalität haben alle Menschen von Gott die gleiche Würde, die gleiche Zielrichtung und die gleiche ewige Bestimmung in der Erfüllung ihres existentiellen Daseins bekommen. Jeder Mensch erlebt sich aber auch als einmalige Individualität. Diese besteht aus seiner persönlichen Lebensausstattung, mit der ihn Gott ins Leben geschickt hat. Hierzu zählen Anlagen je eigener Ausprägung. Im Zusammenwirken mit Umwelteinflüssen erwachsen daraus zum Beispiel Begabung und Leistungsfähigkeit. Individualitätsentfaltung hängt auch von der Umwelt eines Menschen ab, in der er sich vom Moment seiner Entstehung an vorfindet: seiner Familie, der soziologischen Umgebung, gesellschaftlichen Bedingungen, klimatischen Verhältnissen oder dem historischen Stand der Weltgeschichte und der darin eingebetteten Situation der Kirche. Schließlich sind jene persönlichen Möglichkeiten anzuführen, die der Einzelne im Verlaufe seines bisherigen Lebens erreicht hat, berufliche Stellung zum Beispiel, Besitz, Ämter, wissenschaftliche, kulturelle oder politische

Positionen der Einflussnahme.
Nach Maßgabe dieser individuellen Vorgaben und Einschränkungen erwächst jedem Laien seine spezielle Aufgabe, Zeuge und Werkzeug der Sendung der Kirche zu sein. Der Einzelne tritt aufgrund der Gaben, die ihm anvertraut worden sind (Eph 4,7) auf.

Zur Heilung der Welt. Im Rahmen und kraft dieser ihnen geschenkten und aufgetragenen individuellen Personalität sollen die Laien die zeitlichen Dinge verwalten und regeln und dadurch das Reich Gottes suchen. Jeder Laie ist von Gott gerufen, genau an dem Platz die ihm übertragene Aufgabe auszuüben, an dem er steht. In der Wahrnehmung dieses Auftrags lässt er sich vom Geist des Evangeliums leiten und wirkt gewissermaßen von innen her wie ein Sauerteig zur Heiligung der Welt. Im Glanz von Glaube, Hoffnung und Liebe verkündet er Christus durch das Zeugnis

seines Lebens. Er durchleuchtet und ordnet alle zeitlichen Dinge, mit denen er während seines Lebens eng verbunden ist so, dass sie immer Christus entsprechend geschehen und sich entwickeln und zum Lob des Schöpfers und Erlösers gereichen.
Laien sind besonders mit dem familiären und gesellschaftlichen Leben konfrontiert. Dabei sind sie berufen, als lebendige Glieder alle ihre Kräfte zum Wachstum und zur ständigen Heiligung der Kirche beizutragen. Jeder Einzelne erfährt sich selbst mit Anderen zusammen dem Volk Gottes zugehörig und dem einen Leib Christi unter dem einen Haupt eingefügt.

Unverzichtbares Vorbild. Evangelisierung durch Zeugnis und Vorbild im Leben ist begründet durch die prophetische Sendung der Laien. Hinzu kommt die aktive Verkündigung des Wortes. Den Auftrag zum Apostolat erhalten alle Gläubigen von Gott kraft der Taufe und Firmung. Von daher haben sie das Recht und die Pflicht, einzeln oder in Gemeinschaft mit Anderen daran zu arbeiten, dass alle Menschen auf der ganzen Erde die göttliche Heilsbotschaft kennen lernen und aufnehmen. Oft gelingt es nur mehr den Laien, bestimmten Menschengruppen das Evangelium zu verkünden. Erfahrungsgemäß gelangt das Apostolat der Seelsorger heute ohne Laien meistens nicht zur vollen Wirkung. Daher wird Evangelisierung durch die Laien in unserer Zeit immer wichtiger.
Initiativen der Laien sind für das Leben der Kirche in dieser Welt unverzichtbar. Diese sollten immer dann ergriffen werden, wenn es darum geht, Mittel und Wege zu finden, um die gesellschaftlichen, politischen und
wirtschaftlichen Gegebenheiten mit den Forderungen des christlichen Glaubens und Lebens zu konfrontieren und zu durchdringen.

Konzentrik der Aufgabenbereiche. Zur Verdeutlichung des Laienapostolats in der Welt bietet sich das Denkmodell konzentrischer Aufgaben- und Zielkreise an: Von der Familie zur soziologischen Kleingruppe (z.B. Nachbarschaft; Wohngebiet), Gemeinde und Pfarrgemeinde, Ortskirche und schließlich zu Staat, Welt und Weltkirche. Innerhalb dieser konzentrischen Kreise stößt der Laie auf jene beiden Bereiche, welche sich zur Erfüllung seines Auftrages anbieten, im primär nach außen und primär nach innen gerichteten Wirken:

Öffentliches Zeugnis. Jedes öffentliche Zeugnis, das ein Christgläubiger ablegt, ob im gemeinsamen Gebet, der Anbetung, im Dank- und Lobpreis Gottes, im Eintreten für die Respektierung der Rechte und der Gebote Gottes in der Öffentlichkeit, hat Vorbildwirkung. Allein schon die andächtige Teilnahme an der Eucharistiefeier und ein Glaubensleben nach dem Evangelium legen Zeugnis ab. In der sorgenden Zuwendung zum Mitmenschen öffnet sich ein großes Spektrum an tätiger Nächstenliebe, an leiblichen und geistigen Werken der Barmherzigkeit. Einsatz für soziale Gerechtigkeit, die Würde aller Menschen, die Unantastbarkeit des Lebensrechtes, die Friedfertigkeit des Miteinanders, die Verbesserung der Lebensbedingungen sind Ausdruck des gesellschaftsbezogenen Wirkens. In elterlichen Aufgaben, in der Eheführung und christlichen Erziehung der Kinder aktualisiert sich in besonderer Weise der Dienst der Laien an der Heilung der Welt..
Laien können sich zur Mitarbeit mit ihren Hirten berufen fühlen, aber auch hierzu berufen werden. Dabei nehmen sie verschiedene Dienste, darunter auch solche mit Leitungsgewalt rechtlicher Art wahr. Weitere Aufgaben sind die katechetische Unterweisung, das Lehren der theologischen Wissenschaften und die Einflussnahme auf Präsentation und Aktivitäten der Medien in Presse, Funk, Television und Internet im Sinne und im Geist christlicher Grundwerte.

Aktivitäten im Stillen. Die Aufgabe der Laien in der Kirche sollte nicht allzu dominierend oder ausschließlich von äußeren Aktivitäten bestimmt sein. Nachfolge Christi und Evangelisation werden immer auch im stillen Gebet, in der Anbetung, im gottergebenen Ertragen von Leid, Krankheit und Not verwirklicht. Solche mehr stillen Aktivitäten tragen die Anliegen der Kirche direkt vor das Angesicht Gottes. Die damit zusammenhängenden Beschwernisse des Lebens sind, wenn sie geduldig ertragen werden, geistige Opfer und können bei der Feier der Eucharistie dem Vater in höchster Ehrfurcht dargebracht werden. Dadurch wird die Welt von den Laien Gott geweiht.
Im Sog des heute um sich greifenden Denkens, welches Aktivität, Management und Diskussion in den Mittelpunkt eines demokratisch definierten Kirchenverständnisses rückt, sehen manche die spirituell-passive Dimension des Apostolates vordergründig als ineffizient an. Kontemplation oder gar mystische Hingabe erscheinen dabei geradezu als seltsam und rückständig, bisweilen anstößig.
Aber sind das gläubige Gebet eine betagten Mutter, das stille Sühneleiden einer Opferseele, die stille Anbetung des eucharistischen verborgenen Herrn vor Gott nicht wertvoller als tonnenschwere Ergebnispapiere aus endlosen Diskussions-Konferenzen?

Gebet und Hingabe. Im Gebet liegt die Kraftquelle für die Zuwendung zur Welt. Es macht offener und bereiter für den christlichen Auftrag des Laien und wird von selbst zur Schule des Apostolates, sei es im Teilnehmen an der Eucharistiefeier, in der Verehrung und Anbetung des Herrn vor dem Tabernakel, im stillen Ausharren vor Gott oder in der Versenkung in die Heilige Schrift.
Geduldiges Ertragen von Leid, Not, Krankheit und Schmerzen in der liebenden Hingabe   an Gott oder das Aufopfern eines verborgenen
Sühneleidens ist eine in allen Jahrhunderten der Kirchengeschichte aufzufindende Hochform jener Sendungsaufgabe des Christen, zu der er wie ein Sauerteig zur Heiligung der Welt gewissermaßen von innen her beiträgt. All dies ist keine Flucht in die reine Innerlichkeit, vielmehr konstitutive und daher notwendige Erfüllung des Weltauftrags der Laien.

Ich bin gefordert. In der Wahrnehmung des ihm von Christus überantworteten Weltauftrages erkennt jeder Laie im Rahmen seiner persönlichen Möglichkeiten die ihm von Gott gestellte Aufgabe und verwirklicht sie in beiden Dimensionen des mehr nach außen oder nach innen gerichteten Einsatzes christlichen Apostolates. Wenn er seinen guten Willen und sein Bemühen in ein tiefes Vertrauen zu Gott einbindet, ist sein Einsatz von froher Hoffnung getragen und er kann sagen: Es kommt auf mich an, ich bin gefordert, aber es hängt nicht alles von mir ab. Es wird aber auch nicht ausbleiben, dass er sich immer wieder einmal unvermutet in finsteren Tälern der Ausgrenzung, des Spottes oder des Gehasstwerdens vorfindet. Dann sollte er sich der Abschiedsworte seines Herrn Jesus Christus erinnern:
Wenn die Welt euch hasst,
dann wisst, dass sie mich
schon vor euch gehasst hat.
(Joh 15,18)

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016