Wie der Osterhase zum Osterei kam

Kultur
04. April 2021 | von

Hätte der Hase beizeiten das Lesen gelernt, könnte er hier nachlesen, wer ihm die Ostereier untergejubelt hat.

Dass Ostereier in der Kirche lange vor der Reformation eine nicht unbedeutende Rolle spielten, dokumentiert der Ingolstädter Theologe Georg Stengel in einem 1672 veröffentlichten lateinischen Buch mit dem kuriosen Titel Ova paschalia, was so viel wie Ostereier bedeutet. Darin betont der gebildete Jesuit, dass es uraltem katholischem Brauchtum entspreche, Eier einzufärben, sie mit allerlei Bildern und Sinnsprüchen zu schmücken und sie zu Ostern segnen zu lassen. Illustriert ist die Abhandlung mit über hundert Kupferstichen mit Darstellungen bemalter Ostereier.

Wohin mit all den Eiern?
Gelegentlich kann man hören, dass der Ostereier-Brauch auf vorchristliche Fruchtbarkeitskulte zurückgehe, eine Ansicht, welche die neuere Forschung inzwischen widerlegt hat. In Wirklichkeit nämlich ist die Tradition des Eierfärbens eine Folge der kirchlichen Fastenbestimmungen. Seit dem Ende des 6. Jahrhunderts war der Verzehr des Fleisches von Warmblütern in der Zeit vor Ostern nicht mehr erlaubt. In dieses Verbot eingeschlossen war auch der Genuss von Butter und Eiern.
Da sich die Hennen das Legen während der Fastenzeit von der Kirche nicht verbieten ließen, ergab sich zum Osterfest ein Überangebot an Eiern. Dass man beim Abbau höchst praktisch vorging, belegen zahlreiche Zeugnisse. Die Knaben, welche am Karfreitag und am Karsamstag mit dem Klappern ihrer Holzratschen das Glockengeläut ersetzten, beschenkte man mit sogenannten „Klappereiern“, während der dem Pfarrer für das Abnehmen der Osterbeichte zustehende Beichtpfennig häufig durch „Beichteier“ ersetzt wurde. Für das geweihte Tauf- oder Osterwasser wiederum bedankte man sich mit einigen „Taufeiern“.
Als eigentliche Ostereier galten früher nur die am Gründonnerstag gesegneten Eier, von deren Verzehr man sich eine besondere Wirkung erhoffte. Ihre Schalen wurden häufig auf den Äckern verstreut, im Glauben, dass dadurch der Ernteertrag gesteigert würde. In manchen Gegenden war es üblich, ein gesegnetes Ei im Dachstock zu deponieren, um Unheil abzuwenden, wodurch die Grenze zwischen Glaube und Magie doch ein klein wenig überschritten wurde.
Um die gesegneten Eier von den gewöhnlichen zu unterscheiden, wurden sie gefärbt, und zwar fast ausschließlich rot. Vermutlich spielte dabei die Farbe der Osterfahne eine gewisse Rolle. Im Lauf der Zeit wurden auch andere Farben verwendet, die man später vermehrt durch zierliche Muster und bildhafte Darstellungen ersetzte. Selbst Ornamente aus Gold und Silber waren keine Seltenheit, was dazu führte, dass man die Ostereier nicht mehr konsumierte, sondern konservierte.

Eier nur gegen Strafe!
Dass sich die Protestanten anfänglich von dem Ostereierbrauchtum distanzierten, hängt damit zusammen, dass sie die Eiersegnung als abergläubisches Treiben betrachteten. So zählt ein gewisser Thomas Kirchmayr in einer 1553 erschienenen Schrift mehrere „Fehler des Katholizismus“ auf, zu denen er auch die Gewohnheit rechnet, gefärbte Eier zu segnen. Und ein Johannes Richier aus Heidelberg erinnert 1682 daran, dass es im evangelischen Thüringen den Kindern bei Strafe verboten sei, von ihren Paten Ostereier entgegenzunehmen.
Inzwischen sind die Zeiten längst vorbei, in denen sich die Konfessionen an den Eiern schieden. Als zu Beginn des letzten Jahrhunderts die Süßwarenindustrie immer mehr expandierte, nahm sie sich auch der Ostereier an. Heute hat die Einstellung zum Osterei weniger mit der Konfessionszugehörigkeit, als vielmehr mit dem Konsumverhalten zu tun.

Eier vom Hasen, aber nicht sein Fleisch...
Das trifft auch für den Osterhasen zu, welcher anfänglich fast nur in protestantischen Gegenden durch die Landschaft hoppelte. Manche vermuten, dass der Osterhase aus einem missglückten Ostergebildbrot entstand, das eigentlich ein Osterlamm hätte darstellen sollen; die Ohren seien zu lang und die Beine zu kurz geraten.
Dass der Osterhase keineswegs eine neuere Erfindung ist, geht daraus hervor, dass von ihm schon bei Johannes Richier die Rede ist. Sicher ist überdies, dass die Mär vom Eier bringenden Hasen protestantischerseits vor allem in polemischer Absicht gefördert wurde. Auf diese Weise hoffte man, dem katholischen Osterbrauchtum entgegenzuwirken. Die Frage ist dann nur noch, wie der Hase zum Ei kam. Möglicherweise geschah dies aufgrund eines Kompromisses. In konfessionell gemischten Gegenden ließ sich das katholische Ostereier-Brauchtum nie gänzlich verdrängen. Andererseits stellten die ursprünglich aus Teig gebackenen Osterhasen auch für katholische Geschmacksnerven eine gewisse Versuchung dar. Als man damit begann, die Ostereier mit Osterhasen zu bemalen, kam es in dieser Sache ganz von selbst zu einem Friedensschluss zwischen den Konfessionen. Dies wiederum brachte es mit sich, dass der Hase schließlich zum Eierboten befördert wurde.
Zur Zeit der Reformation bildeten die Osterhasen so etwas wie eine Reservekampftruppe zur Bekämpfung des katholischen Brauchtums. Dabei ahnten die Neugläubigen wohl nicht, dass sie sich mit ihrer Polemik unbewusst beim Papst Zacharias Schützenhilfe holten. Im Jahr 751 verbot dieser seinen Schäfchen zwar nicht den Verzehr von gebackenen oder von Schokoladenhasen (die es damals ja noch gar nicht gab), wohl aber den Genuss von Hasenfleisch. Offenbar befürchtete er, dass das Verhalten der Hasen das Gebaren der Gläubigen beeinflussen könnte. In der Tat haben es die Rammler faustdick hinter ihren langen Ohren. Während der Paarungszeit nämlich stellen mehrere männliche Hasen der Häsin mit Verfolgungsjagden und langwierigen Rangeleien nach, bis schließlich einer von ihnen zum Zug kommt. Zu den Kuriositäten der Kirchengeschichte gehört, dass das Verbot von Papst Zacharias nie aufgehoben wurde.
Was das ursprünglich katholische Osterei betrifft, scheint dieses inzwischen konfessionslos geworden zu sein. In einem 1625 erschienenen Katechismus wird das Osterei noch als „Sinnbild der Auferstehung des auferstandenen Heilands“ bezeichnet. Verziert wurde es damals mit christlichen Symbolen oder mit biblischen Versen. Aber schon zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts verwendete man immer häufiger neutrale Motive und weltliche Sinnsprüche, wie etwa diesen: Dass ich dich lieb, /daran ist kein Zweifel. /Wirst du mir untreu, /dann hol’ dich der Teufel. Was beweist, dass die österliche Frohbotschaft manchmal nicht nur von den Kanzeln herab zur Drohbotschaft verformt wurde. 

Zuletzt aktualisiert: 04. April 2021
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