100 Jahre BBC

17. Oktober 2022 | von

Die öffentlich-rechtlichen Medien sollen einem „Grundversorgungsauftrag“ nachkommen. Menschen sollen sich auf sachliche und neutrale Berichterstattung verlassen können. Als einer der vertrauenswürdigsten Sender weltweit wird immer wieder die BBC genannt. Im Oktober feiert die Senderfamilie ihren 100. Geburtstag.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seinen Hörfunk- und Fernsehprogrammen hat es nicht leicht. Immer wieder steht die Frage der Gebühren im Zentrum der Kritik. In der Schweiz zahlt ein Privathaushalt derzeit 335 Schweizer Franken – eine Initiative will die Gebühr auf unter 200 CHF drücken. In Österreich hat jüngst das Verfassungsgericht den Gesetzgeber beauftragt, das Finanzierungsmodell des öffentlich-rechtlichen Rundfunks neu zu regeln. Und auch in Deutschland ist der Rundfunkbeitrag von aktuell 18,35 Euro nicht unumstritten, zumal wenn wieder einmal Skandale die Medienlandschaft erschüttern – wie jüngst die Affäre um die (ehemalige) RBB-Intendantin und ARD-Vorsitzende Patricia Schlesinger.

Vor diesem Hintergrund liegt über dem 100. Geburtstag der weltweit größten, gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt, der British Broadcasting Corporation (BBC), ein gewisser Schatten.

Private Anfänge

Die Anfänge der BBC gehen nicht auf eine staatliche Initiative zurück, sondern auf das Ziel von Elektrogeräteherstellern aus Großbritannien und den Vereinigten Staaten, ihren Absatz anzukurbeln: Mehr und besseres Programm, so das Kalkül, würde auch zu einem Mehr an verkauften Geräten führen. Als Konsortium von sechs privatwirtschaftlichen Unternehmen wurde die BBC, damals noch British Broadcasting Company Ltd., also am 18. Oktober 1922 in London gegründet. Gut zwei Wochen später wurde die Sendelizenz erteilt. John Reith wurde als Generaldirektor engagiert und sorgte bis zu seinem Ausscheiden 1938 für eine stetige Aufwärtsentwicklung. Hatte man zum Jahresende gerade einmal vier Angestellte, waren es vier Jahre später 773 Mitarbeitende und 2,5 Millionen Gebührenzahler. Reiths Ziel war ein Sender, der Bildung, Information und Unterhaltung bot, dabei aber unabhängig von Regierung und Werbung sein sollte. Die konkurrenzfreie Monopolstellung – das Fernsehmonopol in Großbritannien fällt erst 1955 und die Alleinstellung im Hörfunk endet gar erst 1973 – trägt ihren Teil zum beispielhaften Wachstum bei.

Staatssender – aber unabhängig

Mit dem Jahreswechsel 1926/1927 wurde das Privatunternehmen in eine Körperschaft des öffentlichen Rechts umgewandelt. Ständige Finanzierungslücken ließen den Anteilseignern einen solchen Schritt als attraktiv erscheinen. John Rieth blieb Generaldirektor, nun aber dem britischen Generalpostmeister unterstellt. Der Aufschwung in Reichweite und Nutzern geht indes weiter. 1936 folgt die erste regelmäßige Fernsehausstrahlung, und während des 2. Weltkriegs ist die BBC mit nunmehr 11.500 Mitarbeiter/innen eine der wichtigsten ausländischen und damit nicht gleichgeschalteten Informationsquellen für Millionen von Deutschen.

In der Nachkriegszeit wurde die Senderfamilie weiter ausgebaut. Immer wieder wurden technische Neuerungen eingeführt und neue Investoren an Bord geholt. Sparzwänge haben jedoch auch dazu geführt, dass beispielsweise der Sender BBC three – mit einem Marktanteil im unteren einstelligen Bereich – seinen Betrieb im Februar 2016 auf einen reinen Internet-Dienst reduzierten musste (im Februar dieses Jahres kehrte er aber ins TV zurück). Die Regierung unter David Cameron deckelte die Kosten für die TV-Lizenzen, die jeder britische Haushalt zahlen muss, wenn er BBC empfangen möchte, auf etwa 165,00 Euro pro Jahr. Und seitdem das Außenministerium die Kosten für den BBC World Service nicht mehr trägt, müssen diese Kosten aus dem Senderbudget finanziert werden.

Wenn der Sender seine Einnahmen mehr und mehr selbst erwirtschaften muss oder zur Festlegung der „Rundfunkgebühr“ auf das Parlament angewiesen ist, wird deutlich, dass die BBC kein Regierungssprachrohr ist oder ein Staatssender im engen Sinn. Sie ist vielmehr qua Gesetz auf „Unabhängigkeit, Neutralität und Ausgewogenheit“ verpflichtet.

Trotzdem gibt es auch an ihr immer wieder Kritik und machen ihr eigene Skandale zu schaffen, z.B. die Bespitzelung des britischen Königshauses durch den BBC-Journalisten Martin Bashir, um Prinzessin Diana zu einem Interview zu überreden, oder der offensichtlich massenhafte Kindesmissbrauch durch den BBC-Moderator Jimmy Savile. Der an Skandalen selbst nicht arme und mittlerweile zurückgetretene Premierminister Boris Johnson wollte die Gebührenfinanzierung bis 2027 sogar komplett aufheben. Aus seinem Umfeld verlautete: „Es ist vorbei für die BBC, wie Sie sie kennen“ – vielleicht auch deshalb, weil der Sender durch kritische Berichterstattung über seine Äußerungen den Unmut des Politikers auf sich gezogen hat.

Positive Resonanz

Allerdings: In einer repräsentativen Umfrage, die die BBC über das Meinungsforschungsinstitut ICM Unlimited hat durchführen lassen, erhält der Sender in der Bevölkerung eine überwiegend positive Bewertung. Die Frage „Wenn Sie an die 100 Jahre des Bestehens der BBC denken: War die BBC für die Menschen im Vereinigten Königreich wichtig oder nicht wichtig?“ beantworten 86% mit „wichtig“. Und auch die Aussage, die BBC habe einen „notwendigen Dienst“ in den 100 Jahren ihres Bestehens geleistet, wird von 75% der Befragten bejaht. Und man legt Wert darauf, dass man heute mehr als 500 Millionen Menschen auf der ganzen Welt erreicht und betont, dass das mehr als die Abonnenten von Netflix und Disney zusammen seien. Damit stelle man eine „außergewöhnliche Plattform“ zur Verfügung, „um die britische Kultur, Demokratie und ihre Werte in der ganzen Welt zu fördern.“ Und so fühlt man sich laut Jahresplan 2022/2023 auch im Jubiläumsjahr dem Grundauftrag des Senders verpflichtet: „Die BBC muss im öffentlichen Interesse handeln und darauf abzielen, ihr Publikum nicht nur als Konsumenten, sondern als Mitglieder einer breiteren Gesellschaft mit Programmen und Diensten zu bedienen, die nicht nur der Information, Bildung und Unterhaltung dienen, sondern auch einem allgemeineren öffentlichen Zweck.“

Zuletzt aktualisiert: 17. Oktober 2022
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