Die Päpste und ihre Leibärzte

23. Juni 2025 | von

Die Krankheit mit längerem Krankenhausaufenthalt und schließlich der Tod von Papst Franziskus am 21. April 2025 haben das erste kirchliche Halbjahr geprägt. In den letzten Monaten für den Bischof von Rom unverzichtbar: sein Pfleger Massimiliano Strappetti. Unser Autor, ausgewiesener Vatikan-Kenner, gibt uns einen historischen Einblick rund um die medizinische Versorgung der Päpste.

Die Päpste dürften schon seit frühester Zeit Ärzte in ihrer Umgebung und an ihrem Hof gehabt haben. In den Berichten ausländischer Gesandter an ihre Herrscher wird ihr Vorhandensein bezeugt; ebenso in den offiziellen Dokumenten der Päpste und in den Aufzeichnungen der Römischen Kurie. Namenslisten liegen jedoch erst seit dem 12. Jahrhundert vor. Der erste Arzt, der in einem Namensverzeichnis des Päpstlichen Hofes genannt wird, ist um das Jahr 1160 ein gewisser Magister Philippus.

Vom Leibarzt zum Papst
Unter Innozenz III. (1198-1216) nahm der Leibarzt, in den Urkunden „archiatra“ oder auch „physicus“ genannt, eine immer bedeutsamere Rolle am päpstlichen Hof ein. Rangmäßig stand er über allen weltlichen Kammerherren des Papstes. Die Mediziner mussten nicht unbedingt Christen sein. Unter Martin V. (1417-1431) war Meister Elias aus dem Judenviertel Roms der Archiatra des Papstes. Bis ins 16. Jahrhundert fanden sich immer wieder Leibärzte jüdischen Bekenntnisses am Hof des Papstes. 
Der wohl berühmteste päpstliche Leibarzt war Petrus Hispanus, der um 1215 in Lissabon als Sohn eines Mediziners geboren wurde. Nach der Erlangung der Magistergrade der Philosophie und der Medizin in Paris wurde er in Palermo „professor artis medicinae“. Bald erfolgte die Berufung zum Leibarzt Ottobono Fieschis, des späteren Papstes Hadrian V. Später diente er Gregor X. 
(1271-1276) als Archivar und Leibarzt. Er schlug auf Wunsch des Papstes die kirchliche Laufbahn ein und stieg in kürzester Zeit zum Erzbischof von Braga und Kardinalbischof von Tusculum auf – und wurde 1276 als Johannes XXI. sogar Papst.

Schillernde Karrieren
Viele der päpstlichen Ärzte erlangten wissenschaftlichen Ruhm. Von Andrés de Laguna (1499-1560), dem Leibarzt Papst Julius’ II., stammen Abhandlungen über die Anatomie und über die Behandlung der Pest. Einer der herausragendsten Seuchenforscher der Medizingeschichte war Girolamo Fracastoro (1478-1553), der Leibarzt Papst Pauls III. 
Manche der Leibärzte fanden sogar den Weg in die Werbung: Italienische Speiseölproduzenten verweisen in ihren Werbeschriften auf das Werk „De bonitate et vitio alimentorum centuria“, das aus der Feder Castel Durantes, des berühmten Botanikers und Leibarztes Papst Sixtus’ V., stammt. Die Region Umbrien, die Heimat des „olio extra vergine“, zitiert in ihren Prospekten einen Ausspruch des päpstlichen Mediziners: „Das Olivenöl wird sehr gelobt, und es ist sehr mild und naturverwandt“. 
Von den Freunden einer gepflegten Trinkkultur wird Arnoldus de Villano gefeiert. Der Leibarzt Papst Clemens’ V. hatte bereits im Jahr 1299 ein Patent vom König von Mallorca und Aragonien erhalten, das ihm erlaubte, gärenden Wein mit Weinbrand zu versetzen, wodurch die Gärung gestoppt und die Süße des zum Teil noch unvergorenen Weines erhalten bleiben konnte – der Portwein war entstanden. Immer dann, wenn die Briten die Erfindung des Portweines auf ihre Fahnen schreiben wollen, wird ihnen der Name des Arnoldus de Villano von den Bewohnern der Iberischen Halbinsel entgegengehalten. 

Ein bekannter Deutscher
Nicht nur Italiener versahen den Dienst eines Päpstlichen Leibarztes. Die Päpste beriefen auch Vertreter anderer Nationen an ihren Hof. Sogar ein deutscher Mediziner wurde von Gregor XVI. (1831-1846) nach Rom geholt: Dr. Clemens August Alertz aus Aachen, Militärchirurg in Bonn, Kreisphysicus in Aachen und Arzt an der Berliner Charité. Belegt ist auch die Konsultation des deutschen „Volksarztes“ Sebastian Kneipp durch einen Papst. Leo XIII. (1878-1903) hatte den Pfarrer und Naturheilkundler vor ungerechtfertigten Angriffen der Schulmediziner in Schutz genommen und ihn demonstrativ zu seinem Ehren-Geheimkämmerer ernannt. Während einer Privataudienz bat der Papst Pfarrer Kneipp sogar um seinen fachlichen Rat. 

Privilegien und Pflichten
Da es immer wieder Streit um die Rechte und Privilegien der Päpstlichen Leibärzte gab – vor allem auch darüber, wer überhaupt diesen Titel zu führen berechtigt war – erließ der Heilige Stuhl hierzu genaue Verfügungen. Um als „Päpstlicher Leibarzt“ zu gelten, bedurfte es eines eigenen Apostolischen Breve (Schreiben). Dann gehörte der betreffende Arzt als „Wirklicher Geheimer Kammerherr mit Degen und Mantel“ zur Päpstlichen Familie. Er erfreute sich als einer der wenigen Laien der Anrede „Monsignore“, auch dann, wenn er verheiratet war. Er hatte den Papst bei allen Prozessionen, Ausfahrten und Reisen zu begleiten; er musste sich stets in dessen unmittelbarer Nähe aufhalten und sollte seine Wohnung im Apostolischen Palast nehmen. Sein Amt erlosch nicht mit dem Tod des Papstes, sondern erst dann, wenn die Einbalsamierung des verstorbenen Pontifex erfolgt war. 
Viele seiner Rechte und Privilegien sind heute nicht mehr in Kraft. Seit einigen Jahrzehnten deckt sich das Amt des Päpstlichen Leibarztes mit dem des Direktors der „Direzione dei Servizi Sanitari“, dem Gesundheitsamt des Staates der Vatikanstadt. 

Zuletzt aktualisiert: 23. Juni 2025
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