Eine Märtyrerin, ein Evangelist und ein Bischof

15. September 2025 | von

Zum Kreis der bedeutsamen Paduaner Kirchen gehört auch die Basilika Santa Giustina. Sie steht in diesem Heft im Mittelpunkt unseres Rundgangs durch Padua.

Es dürfte das Schicksal aller Kirchen in Padua sein: Sie stehen im Schatten der Basilika des hl. Antonius. Dessen Anziehungskraft und Bedeutung ist so groß, dass andere Gotteshäuser in der Stadt allenfalls zweitrangige Ziele sind. Das gilt auch für die Basilika Santa Giustina, die, am Prato della Valle gelegen, nur wenige hundert Meter von der Antonius-Basilika entfernt ist. Dabei gehört sie mit ihren 122,5 m Länge (Außenmaß) zu den größten Kirchen der Welt und hätte eigentlich ein bisschen mehr Aufmerksamkeit verdient – nicht nur wegen des Grabes des Evangelisten Lukas.

Vom Martyrium zur Wallfahrt
Namensgeberin der Kirche ist die Märtyrerin Justina (Giustina). Der Legende zufolge wurde die Tochter einer adeligen Familie in Padua von Bischof Prosdocimus getauft und während der Verfolgungswelle unter Diokletian – von 284 bis 305 römischer Kaiser – wegen ihrer Weigerung, den christlichen Glauben aufzugeben und ein Götzenopfer darzubringen, zum Tode verurteilt. Im 5. Jahrhundert wurde über ihrem Grab eine erste Kirche errichtet, die bereits um 600 als bedeutendes Wallfahrtsziel in Padua gilt. Im Jahr 971 ruft der Bischof Benediktiner nach Padua und vertraut ihnen die Seelsorge rund um die lebendige Wallfahrt an. Ausgestattet mit Ländereien und weiteren Kirchen und Kapellen sorgen die Mönche quasi im Nebeneffekt mit dafür, dass das sumpfige Land erschlossen wird und nach und nach für die Stadt nutzbar gemacht werden kann. Die Klostergebäude und die Kirche, die über die Jahrhunderte bereits mehrfach erweitert und nach einem Erdbeben komplett neu gebaut worden waren, werden Ende des 16. Jahrhunderts abgerissen und durch die Klosteranlage, die bis heute existiert, ersetzt. Fünf Kreuzgänge prägen seither das Erscheinungsbild der Abtei im Stil der Renaissance. Für die Kirche, eine fünfschiffige Basilika mit acht Kuppeln, zeichnen die Architekten Andrea Briosco und Matteo da Valle verantwortlich. Auf der größten Kuppel steht eine Statue der hl. Justina, während die unvollendete Fassade mit den Symbolen der vier Evangelisten geschmückt ist. 

Auf den Spuren des Evangelisten
Innen erscheint die Kirche freundlich und hell – und wer alle Seitenkapellen näher betrachten will, muss reichlich Zeit mitbringen: Auf sage und schreibe 26 Kapellen und Altarräume, ausgestattet mit venezianischer Malerei aus dem 17. Jahrhundert, bringt es die Basilika. Als „Höhepunkt der Kirchenausstattung“ gilt das 1575 vollendete Gemälde mit dem Martyrium der hl. Justina, das Paolo Veronese für den Altar im Hauptchor geschaffen hat. Dort befinden sich auch die sterblichen Überreste der Heiligen. 
Besonders bedeutsam im linken Querschiff: Das Grabmal des Evangelisten Lukas. Laut Kirchenführer ruhen hier seine angeblichen Gebeine, die zunächst in Konstantinopel waren und wohl im 12. Jahrhundert nach Padua gelangten. Seit 1562 werden sie in einem kostbaren Schrein, der auf je zwei Granit- und zwei gedrehten Alabastersäulen thront, in der Basilika Santa Giustina verehrt. Vom heutigen Platz des Grabmals zu unterscheiden ist eine dem hl. Lukas gewidmete Kapelle. Sie ist über den alten Chorraum erreichbar und war der ursprüngliche Platz der Lukas-Reliquien. Als man diese besser sichtbar in den Kirchenraum platzierte, verlor die Kapelle an Bedeutung und wurde Ende des 16. Jahrhunderts zu einer „Totenkapelle“ umfuktioniert. Das ist der Grund, warum sich hier unter anderem ein Frauengrab befindet: das der Elena Lucrezia Cornaro Piscopia, der uns aus der letzten Sendboten-Ausgabe bekannten weltweit ersten Frau, die sich einen Doktortitel erwarb – und das an der Paduaner Universität.

Beim ersten Paduaner Bischof
Bei einem Besuch nicht auslassen sollte man den „Gang der Märtyrer“: Er verbindet die Basilika mit der Kapelle des hl. Prosdocimus, dem wohl ältesten Kirchenraum Paduas. Man findet dort unter anderem den sogenannten „Märtyrerbrunnen“, der an den Brunnen erinnert, der mitten im Kirchenschiff der ursprünglichen Basilika stand. Durch ein Gitter kann man am Boden die Gebeine von Märtyrern aus der Zeit des Diokletian sehen. Schließlich finden wir dort auch einen großen mittelalterlichen Metallkasten: In ihm befindet sich der Sarg, der ursprünglich die Gebeine des Evangelisten Lukas beinhaltete. Die Gebeine des ersten Paduaner Bischofs, Prosdocimus, befinden sich im Sacello di San Prosdocimo, der kleinen Kapelle in Form eines griechischen Kreuzes. Ein künstlerisches Juwel ist die Pergula aus dem 6. Jahrhundert, eine kleine Ikonostase aus griechischem Marmor. Fast unverändert erhalten, ist die Inschrift auch heute noch gut lesbar: „Im Namen Gottes: An diesem Ort wurden die Reliquien der heiligen Apostel und vieler Märtyrer aufbewahrt, die für den Gründer und das ganze gläubige Volk beten.“
Nach dem Kirchen-Rundgang noch ein Blick in die Abtei-Geschichte: Unter Napoleon, der ab 1805 auch König von Italien ist, wird die Abtei 1810 aufgehoben. Aus dem Konvent wird eine Kaserne. Erst 1919 können die Benediktiner in einen Teil der Gebäude zurückkehren. Bis heute sind sie für die Seelsorge an der Basilika zuständig, leiten ein Gästehaus und ein liturgisches Institut und sind verantwortlich für die große Bibliothek des Konvents.

Zuletzt aktualisiert: 15. September 2025
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