Auf Augenhöhe mit den Großen

19. Februar 2024 | von

Antonius ist als Prediger „entdeckt“. Im Auftrag der Oberen seiner Gemeinschaft predigt er an vielen Orten – bis hinein in höchste kirchliche Kreise. Sein festes Glaubensfundament kann bis heute Vorbild sein, sich furchtlos für das Wort Gottes einzusetzen.

Man wird davon ausgehen können: Antonius war sicherlich ein zufriedener Mensch. Denn er wusste sein Leben in großer Geborgenheit bei Gott. Egal ob nun als junger Student in Lissabon und Coimbra, als Missionar, der seiner Sehnsucht folgt, oder als „übrig gebliebener“ Einsiedler auf Montepaolo: Zu jeder Zeit und an jedem Ort wird er, vielleicht manchmal mit Anlaufschwierigkeiten, seinen inneren Frieden gefunden haben. Nirgendwo bleibt er „ewig“, aber aus heutiger Sicht würde man wohl sagen, dass er aus jeder Situation das Beste gemacht hat. Mittlerweile steht er also im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Ein sogenannter Zufall war es, der sein Predigttalent in Forlì zu Tage gebracht hat – und zum Glück haben die Oberen vor diesem Talent größten Respekt. Antonius wird beauftragt, sich künftig vor allem der Verkündigung des Wortes Gottes zu widmen.

Predigt in Wort und Tat

Was die Minderbrüder der damaligen Zeit an Predigten halten, sind wohl überwiegend einfache Bußpredigten auf den Straßen oder dem Marktplatz. Entsprechend ausgebildete Brüder und Priester sind in der Anfangszeit des Ordens noch selten. Das 17. Kapitel der Nicht-bullierten Regel, überschrieben „Von den Predigern“, ist dann auch durchaus vorsichtig. Wer die Erlaubnis zur Predigt durch den Minister erhalten hatte, der sich im übrigen hüten möge, „jemandem unüberlegt die Erlaubnis zu erteilen“, soll das Predigtamt nicht als Besitz verstehen. Sondern „zu jeder Zeit, wenn es ihm befohlen wird, soll er ohne jeden Widerspruch auf sein Amt verzichten.“ Die Brüder sollen außerdem, so heißt es dann im Predigt-Kapitel der Bullierten Regel, „mit kurzen Worten“ predigen, „weil der Herr auf Erden sein Wort kurz gefasst hat.“

Sehr viel wichtiger als die Predigt mit Worten scheint dem heiligen Franziskus: „Alle Brüder sollen jedoch durch Werke predigen.“ Besonders deutlich wird das im sogenannten „Missionsstatut“ der Nicht-bullierten Regel. Im Kapitel 16 schreibt er dort: „Die Brüder, die dann hinausziehen, können in zweifacher Weise unter ihnen (den Sarazenen) geistlich wandeln. Eine Art besteht darin, dass sie weder zanken noch streiten, sondern um Gottes willen jeder menschlichen Kreatur untertan sind und bekennen, dass sie Christen sind.“ Erst als zweite Art sieht Franz von Assisi die Predigt, zu der er den Brüdern die Erlaubnis gibt, „wenn sie sehen, dass es dem Herrn gefällt, das Wort Gottes (zu) verkünden“.

Volksverbunden

Egal, ob nun eher mit Worten oder eher mit Werken: Der Platz der Minderbrüder ist beim einfachen Volk. Aus diesen Kreisen kommen die meisten Brüder der Gemeinschaft – und zu den unteren Bevölkerungsschichten fühlt man sich in der Nachfolge Jesu besonders gesandt. In diesen Kreisen wird die franziskanische Bewegung bald zu einer Art Massenphänomen und sorgt dann irgendwie auch dafür, dass kirchliche und weltliche Hierarchien mehr und mehr aufmerksam werden für die Bewegung des Poverello, des armen Mannes aus Assisi.

Welche Konsequenzen das zeitigt, wird auch am Beispiel des Antonius deutlich. Dank seiner zahlreichen Predigten vor noch zahlreicheren Zuhörern verbreitet sich sein Ruf: Man kennt ihn. Und davon will auch der Orden profitieren. Die Assidua berichtet: „Anschließend schickte der Provinzialminister des Ordens Antonius, den Diener Gottes, in einer wichtigen Angelegenheit der Gemeinschaft an die päpstliche Kurie. Der Allerhöchste schenkte ihm die Gabe, in den ehrwürdigen Kirchenfürsten eine derartige Wertschätzung zu wecken, dass der Papst (da es sich wahrscheinlich um das Jahr 1230 handelt, vermutlich Papst Gregor IX.) und das versammelte Kardinalskollegium mit glühender Verehrung seinen Predigten lauschten. Und tatsächlich vermochte er aus den Schriften solch geistreiche und tiefgründige Bedeutungen mit so leuchtenden Worten herauszuarbeiten, dass der Papst selbst ihn mit dem nun ihm eigenen Beinahmen versah und ihn ‚Schatztruhe der Heiligen Schrift‘ nannte.“

Wenn Welten aufeinander treffen

Man kann nur spekulieren, was Antonius durch den Kopf geht, als er dem mächtigen und betuchten Kirchenfürsten gegenübersteht. Er mag zwar selbst durchaus aus vornehmem Haus stammen und ist mit manchem Gehabe sicher vertraut. Doch eine Vielzahl seiner Lebensjahre hat er mittlerweile als einfacher Minderbruder verbracht – und wie ein solcher sieht er auch aus. Der Habit der Brüder des hl. Franziskus ist kaum vergleichbar mit den vornehmen Gewändern der Bischöfe und Kardinäle am Vatikan. Am Äußeren des Antonius wird man nur wenig Prunk und Pracht entdecken können. Größer könnten die Kontraste beim Aufeinandertreffen mit den kurialen Vertretern vermutlich kaum sein. Doch offensichtlich bringt ihn das nicht aus dem Konzept. Was er zu verkündigen hat, ist ihm so klar, dass die äußeren Umstände ihn dabei nicht hindern, zumal er mit der Heiligen Schrift so gut vertraut ist, dass er große Teile wohl auswendig rezitieren kann.

So steht nun also Antonius auf Augenhöhe mit den mächtigsten Kirchenherren in Rom und erläutert ihnen den Sinn der Schrift. Weil er verwurzelt ist in Gott, weil er mit der Bibel ein festes Fundament seines Glaubens hat, muss er sich nicht verstecken. Der Aufforderung aus dem 1. Petrusbrief kann er freimütig nachkommen: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die euch erfüllt!“ (1 Petr 3,15)

Im Dienst des Wortes Gottes

Wenn er „ganz oben“ predigt, verliert er aber dennoch nicht die Bodenhaftung. Die Assidua fasst schön zusammen, wie unterschiedliche Zuhörerschaften auf die Predigten des Antonius reagieren: „Durch sein Reden – dank göttlicher Gnade so mitreißend – gelang es ihm, den Zuhörern eine Fülle von Gnaden zu vermitteln. Die Erfahrensten staunten darüber, dass ein ungebildeter Mann, der gerade erwachsen geworden war, den Geistlichen auf solch feinsinnige Art und Weise geistliche Dinge vermitteln konnte. Und die Einfachsten unter ihnen wunderten sich, als sie sahen, mit welcher Umsicht er Wurzeln und Gelegenheiten der Sünde ausmerzte, um die Samenkörner der Tugend zu säen. Männer jeglicher Herkunft, aus allen Schichten und Altersgruppen freuten sich, von ihm Unterweisungen zu hören, die genau zu ihrem Leben passten.“

Und wenn man fragt, mit welch innerer Haltung Antonius seinen Predigtdienst wahrnahm, dann liefert die Assidua auch darauf eine Antwort: „Er beugte sich nie der Rücksicht auf eine Person noch ließ er sich von irgendwelchem menschlichen Applaus verführen, sondern wurde, gemäß dem Wort des Propheten, zu einem Dreschschlitten mit vielen Schneiden und er zermalmte die Berge und verwandelte die Hügel in Staub (vgl. Jes 41,15).“ Antonius sieht sich ganz im Dienst des göttlichen Wortes.

Zuletzt aktualisiert: 19. Februar 2024
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