Ein Ort, den man niemals vergisst

13. Dezember 2021 | von

Die Grabeskapelle ist das pulsierende Herz der Antonius-Basilika. Hier werden die sterblichen Überreste von Antonius aufbewahrt, hierher kommen jedes Jahr Millionen von Pilgerinnen und Besucher aus der ganzen Welt, um dem Heiligen ihre Sorgen und Nöte anzuvertrauen, damit er sie vor Gott bringe.

Die Frau kommt alleine, den Blick zu Boden gerichtet, die Anspannung ist ihr ins Gesicht geschrieben. Ein einfaches Kreuzzeichen am Eingang und dann weiter, in Richtung jenes Mittelpunktes, des Herzens der Basilika, das für die vielen Freunde und Verehrerinnen des heiligen Antonius das Grab des Heiligen ist. Die Frau – sie ist ungefähr sechzig Jahre alt – fühlt sich hier zuhause. Das merkt man an dem zielstrebigen Gang derjenigen, die genau wissen, wohin sie wollen. „Ich komme recht oft zum heiligen Antonius,“ vertraut sie uns an. „Jedes Mal, wenn eine Sorge mich belastet oder auch wenn Bekannte und Freunde mich bitten, für sie zu beten. Denn ich wohne ganz in der Nähe der Basilika. Die Anlässe sind unterschiedlich: Sorgen wegen der Gesundheit oder um die Kinder, eine schwierige familiäre Situation oder Probleme auf der Arbeit. Es ist auch schon vorgekommen, dass mich jemand gebeten hat, für die Fürsprache des heiligen Antonius zu beten, ohne mir einen Anlass zu nennen, sondern nur gesagt hat: ‚Der Heilige weiß schon, warum.‘“

Mit Ehrfurcht in die Basilika

Nach ihr kommt ein junger Mann um die dreißig. Er nähert sich zügig, auch er scheint es eilig zu haben. Er lächelt, sein Blick ist neugierig. „Ich habe nicht viel Zeit, ich bin in meiner Mittagspause gekommen. Ich habe erst vor Kurzem hier in der Nähe der Basilika einen Job gefunden, und ich bin gekommen, um mich beim heiligen Antonius zu bedanken, denn ich bin überzeugt, dass er irgendwie seine Finger im Spiel hatte bei dieser Anstellung. Das sagt auch meine Mutter, die monatelang pausenlos zu ihm gebetet hat in diesem Anliegen.“ Und dann kommen Reisegruppen, Alte und Familien: Sie kommen aus ganz Italien und manche sogar aus dem Ausland, auch wenn wegen der Corona-Pandemie noch nicht viele Besucher aus anderen Ländern kommen können. Dann sind da die Kranken, die in dem nahegelegenen Krankenhaus in Behandlung sind und die um Beistand in dieser schwierigen Situation bitten. Alle betreten die Basilika voller Ehrfurcht, auch diejenigen, die nicht nur aus religiösen, sondern auch aus touristischen Gründen hier sind. Sie sind gerührt, denn sie nähern sich dem heiligen Antonius, dem Heiligen, den die ganze Welt verehrt.

Auf Tuchfühlung mit einem von uns

Jeder und jede nähert sich dem Sarkophag in Stille und Sammlung. Man stellt sich geordnet an und wartet, bis man an der Reihe ist, um die Hand (die selbstverständlich vorher desinfiziert wurde) auf die grüne Marmorplatte zu legen, hinter der sich der Sarg mit den sterblichen Resten des heiligen Antonius befindet. In diesem Moment schließen sich fast von selbst die Augen, und das Gebet strömt ungebremst wie ein ungestümer Bergbach. Das ist der persönlichste Moment, der wirklich in die Tiefe geht. Der Dialog mit dem Heiligen ist authentisch: Jeder, der in die Basilika kommt und diese allen Pilgern und Wallfahrerinnen so vertraute Geste wiederholt, fühlt sich angenommen und angehört. Man fühlt sich ermutigt durch diese Präsenz, die man so deutlich spüren kann, denn auch der heilige Antonius hat die Hürden des Lebens auf sich genommen, das auch für ihn Scheitern, Krankheit, Ängste, aber auch Freuden, Träume und Hoffnungen beinhaltet hat. Nichts, was menschlich ist, war dem heiligen Bruder Antonius fremd, und das macht ihn zu einem von uns.

Historische Ursprünge

Die Grabeskapelle befindet sich im linken Schiff der Basilika und gehört zu dem ältesten Teil der Basilika: Hier nämlich befand sich das Kirchlein Santa Maria Mater Domini (deren Reste noch deutlich in der Kapelle der Schwarzen Madonna direkt neben der Grabeskapelle zu erkennen sind). Das Kirchlein lag neben dem Konvent, wo Bruder Antonius gelebt hatte. Und dort hoffte er, anzukommen, als er sterbend darum bat, von Camposampiero nach Padua gebracht zu werden, um in Anwesenheit seiner Brüder zu sterben. Aber das schaffte er nicht, er starb unterwegs, im Stadtteil Arcella.

Reich verzierter Schatz

Die Fassade der Kapelle mit doppelter Bogendecke ruht auf vier Säulen und zwei Pfeilern. Oben befinden sich in fünf Nischen Statuen von Heiligen, darunter auch der heilige Antonius. Im Zentrum befindet sich der Altar, erhöht und mit einer Treppe. Er ist das Werk von Tiziano Aspetti (1607). Umrahmt wird er von drei Heiligenfiguren: Antonius, Bonaventura und Ludwig von Toulouse. An den Seiten erheben sich zwei mehr als zwei Meter hohe silberne Leuchter auf einer Basis aus Marmor von Giovanni Balbi (1673 und 1686). Um den Altar zeigen die wundervollen Hochreliefs von bedeutenden Künstlern der Zeit wie Tullio und Antonio Lombardo und Jacopo Sansovino Szenen aus dem Leben des heiligen Antonius oder ihm zugeschriebene Wunder. Auch die Decke ist wundervoll, sie wurde in den Jahren zwischen 1533 und 1534 von Giovanni Maria Falconetto mit Goldstuck verziert. In der Mitte stechen die Worte Gaude felix Padua quae thesau(rum) pos(s)ides hervor, auf Deutsch „Freue dich, Padua, denn du besitzt einen Schatz“, die am Anfang der Bulle stehen, mit der Papst Gregor IX. am 30. Mai 1231 Antonius zur Ehre der Altäre erhob, gerade einmal ein Jahr nach seinem Tod.

Ein Gefühl für die Ewigkeit

Neben dem Altar hängen an einer Stellwand Fotos, Briefe, Gebete und Votivgaben: Zeichen einer lebendigen Verehrung, die auch nach 800 Jahren noch unverändert ist. Aber es ist der Bereich hinter dem Altar, auf den sich Pilgerinnen und Verehrer konzentrieren, eben jene Marmorplatte, die, wie wir wissen, den Körper des heiligen Antonius bewahrt und die eine unfreiwillige Vermittlerin zwischen den Menschen und dem Heiligen geworden ist, durch den physischen Kontakt, durch den die Verbindung zum heiligen Antonius real und spürbar wird. Zumindest empfinden das die Millionen Menschen so, die hier vorbeigekommen sind und vorbeikommen und diesen Moment oft ihr ganzes Leben lang nicht mehr vergessen, mit einem Gefühl unendlicher Dankbarkeit im Herzen und einem Lächeln auf den Lippen.

Zuletzt aktualisiert: 13. Dezember 2021
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