Es soll euch als heilig gelten

01. Januar 1900 | von

Diese beiden Institutionen, die Papst Johannes Paul II. in seinem Apostolischen Schreiben Tertio Millennio Adveniente als eine der Wurzeln der kirchlichen Soziallehre bezeichnet (Nr. 13), werden im Buch Levitikus (Kap. 25) vorgestellt. Im Rahmen einer Moserede, werden zunächst die Bestimmungen des Sabbatjahres aufgelistet: Sechs Jahre sollst du dein Feld besäen, sechs Jahre sollst du deinen Weinberg beschneiden und seinen Ertrag ernten. Aber im siebten Jahr soll das Land eine vollständige Sabbatruhe zur Ehre des Herrn halten: Dein Feld sollst du nicht besäen und deinen Weinberg nicht beschneiden. Den Nachwuchs deiner Ernte sollst du nicht ernten, und die Trauben deines nicht beschnittenen Weinstockes sollst du nicht lesen. Für das Land soll es ein Jahr der Sabbatruhe sein. (Lev 25,3-5)

Ursprung Landwirtschaft. Der Text lässt klar erkennen, dass der Ursprung des Sabbatjahres mit der Landwirtschaft zu tun hat. Das bebaute Land, Felder und Weinberge, soll im siebten Jahr ruhen. Diese Spur führt zu einem weiteren, älteren Text in Exodus 23,10-11: Sechs Jahre kannst du in deinem Land säen und die Ernte einbringen; im Siebten sollst du es brach liegen lassen und nicht bestellen. Die Armen in deinem Volk sollen davon essen, den Rest mögen die Tiere des Feldes fressen. Das Gleiche sollst du mit deinem Weinberg und deinen Ölbäumen tun. Diese Bestimmungen sprechen zunächst von einem Brachjahr. Während eines Jahres blieb das Feld unbestellt oder brachliegen, gemäß eines im ganzen alten Orient bekannten und praktizierten Brauchs, um einer Versalzung und Austrocknung des Bodens vorzubeugen. Ex 23,10-11 besagt also, dass die individuelle Ruhe eines jeden Feldes angeordnet wurde, gemäß einem siebenjährigen Zyklus. Doch auch in diesem älteren Text geht es nicht nur um einen agrarischen Brauch, sondern der soziale Aspekt wird miterwähnt (Die Armen sollen davon essen).

Schulden gestrichen. Diese soziale Dimension des siebten Jahres wird in der weiteren Entwicklung Israels nicht verloren gehen. Als sich die agrarisch geprägte Gesellschaft des alten Israel wandelt und der Handel eine wachsende Rolle einnimmt, findet das auch seinen Niederschlag in den sozialen Bestimmungen des Sabbatjahres, wie Deuteronomium 15,1-2 erkennen lässt: In jedem siebten Jahr sollst du die Ackerbrache einhalten. Und so lautet eine Bestimmung für die Brache: Jeder Gläubiger soll den Teil seines Vermögens, den er einem andern unter Personalhaftung als Darlehen gegeben hat, brachliegen lassen. Er soll gegen den andern, falls dieser sein Bruder ist, nicht mit Zwang vorgehen; denn er hat die Brache für den Herrn verkündet. Die Brache wird auf die Regelungen des Pfandwesens übertragen und sie legt fest, dass die Rückgabe aller Pfande und die Streichung aller Schulden (dies schließt auch die Freilassung aus der Schuldknechtschaft mit ein) im siebten Jahr stattzufinden haben.

Sabbatjahr im Quadrat. Das Jobeljahr, wie es einzig in Levitikus 25,8-13 erwähnt wird, erscheint wie ein Sabbatjahr im Quadrat: Im siebten Monat, am zehnten Tag des Monats, sollst du das Signalhorn ertönen lassen; am Versöhnungstag sollt ihr das Horn im ganzen Land ertönen lassen. Erklärt dieses fünfzigste Jahr für heilig, und ruft Freiheit für alle Bewohner des Landes aus! Es gelte euch als Jobeljahr. Jeder von euch soll zu seinem Grundbesitz zurückkehren, jeder soll zu seiner Sippe heimkehren. Dieses fünfzigste Jahr gelte euch als Jobeljahr. Ihr sollt nicht säen, den Nachwuchs nicht abernten, die unbeschnittenen Weinstöcke nicht lesen. Denn es ist ein Jobeljahr, es soll euch als heilig gelten.
Der agrarische Aspekt des Jobeljahres wird eher beiläufig erwähnt, die sozialen Bestimmungen stehen im Vordergrund: Die Rückkehr auf den eigenen Grund (= Rückgabe von vorher veräußertem Land), die Freilassung aus Schuldknechtschaft und der Erlass der Schulden. Die Bestimmungen des Jobeljahres gewähren jedem Israeliten alle 50 Jahre einen Neubeginn oder zutreffender ausgedrückt, stellen die ökonomische Situation vor 50 Jahren wieder her. Das macht stutzig und wirft die Frage auf, ob das Jobeljahr in dieser Form für eine Volkswirtschaft überhaupt durchführbar ist, wenn alle 50 Jahre die Entwicklung unterbrochen und die vormalige ökonomische Ausgangssituation wieder hergestellt wird? In der weiteren Überlieferung Israels und des Judentums finden sich keine Nachrichten, dass das Jobeljahr je einmal durchgeführt wurde. Das lässt vermuten, dass die Bestimmungen des Jobeljahres eine theoretische Konstruktion aus der Abfassungszeit von Lev 25 sind.

Ackerbrache aktuell. Anders dagegen das Sabbatjahr. Durch die Jahrtausende haben Israeliten und Juden es im siebenjährigem Rhythmus gehalten und dafür auch militärische Niederlagen in Kauf genommen, wie das erste Makkabäerbuch (1 Makk 6,49.53) berichtet. Am 30. September 2000, dem jüdischen Neujahrsfest, beginnt für die Juden das nächste Sabbatjahr. Nach der Lehre der Rabbinen müssen die Bestimmungen des Sabbatjahres erst dann eingehalten werden, wenn ganz Israel wieder in seinem eigenen Land wohnen wird. Religiös strenge Juden in Israel befolgen dagegen die Ackerbrache auch heute. Sie bauen in diesem Jahr kein Obst und Gemüse an, sondern sie führen diese Waren aus Jordanien ein. Auch der soziale Gedanke des Schuldenerlasses ist für sie verpflichtend. Bedenkenswert ist ihre Begründung. Sie halten die Gesetze des Sabbatjahres ein, damit sie nicht in Vergessenheit geraten. In einer Zeit der ökologischen Krise und sozialer Spannungen sind diese Bestimmungen, die der Ausbeutung der Natur und des Menschen Grenzen ziehen, dies allemal wert.

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016