Hoffnung säen in Antonius’ Namen

17. Mai 2004 | von

Drei Kindergärten und ein Heim für behinderte Kinder in Bagdad, ein Krankenhaus und eine Schule für Krankenpfleger in Mossul, ein Waisenhaus in Alquosh. Schule, Gesundheit, Unterkunft – drei Schlagworte, mit denen wir die Projekte zusammenfassen können, die Ihnen die Caritas Antoniana dieses Jahr zum Fest des heiligen Antonius empfiehlt.
Wir wollten an unseren Heiligen erinnern, indem wir irakischen Kindern helfen – und wir haben Menschen gefunden, durch die wir das besonders effektiv machen können: christliche Gemeinschaften im Irak. In diesem Jahr wollen wir Samen der Hoffnung streuen in einem Land, dessen Menschen im Augenblick Zukunftsperspektiven fehlen. Und wir beginnen bei den Kindern, denn sie haben am meisten unter dem Krieg zu leiden und wurden am meisten von Antonius geliebt.
Der Irak ist ein Land der Kinder, denn 41 Prozent seiner Bevölkerung sind jünger als 14 Jahre. Und gerade diese Altersschicht muss den höchsten Preis zahlen. Save the Children, eine internationale Nichtregierungsorganisation, die sich für Minderjährige einsetzt, und das Kinderhilfswerk UNICEF sprachen schon vor diesem Krieg von einer humanitären Katastrophe: 500.000 irakische Kinder starben an den Folgen des Wirtschaftsembargos, an Mangelernährung und weil die gängigsten Medikamente fehlen. Die andere Bedrohung, die auf den Kindern lastet, sind Minen und nicht explodierte Sprengkörper, die viele Todesopfer fordern und viele zu Schwerstbehinderten machen.

Es ist kein einfacher Einsatz im Irak. Das haben die Attentate auf das Rote Kreuz und die UN gezeigt. Doch die drängende Notwendigkeit, diesen Kindern, denen wir täglich in den Nachrichten begegnen, zu helfen, hat die Caritas Antoniana veranlasst, nach einem Weg zu ihnen zu suchen.
Im Irak gibt es eine kleine, aber lebendige christliche Gemeinschaft mit insgesamt 600.000 Mitgliedern, die weniger als vier Prozent der Gesamtbevölkerung stellen. Der Großteil folgt dem chaldäischen Ritus, der Rest gehört anderen christlichen Kirchen an. “Genau diese Gemeinschaften sind durch ihre fundierte Kenntnis des Landes und der Probleme der nahe liegendste Anknüpfungspunkt für die Umsetzung unseres Wunsches, den Kindern des Irak zu helfen“, erklärt P. Luciano Massarotto, Direktor der Caritas Antoniana. “Die Projekte, die wir vorstellen, sind von ihnen ins Leben gerufen worden, in dem Wunsch, irgendetwas für ihr Land zu tun.“

Initiative irakischer Christen. Die Chaldäer gehören zu den ältesten Volksgruppen des Irak. Ihre erste christliche Gemeinschaft hat ihren Ursprung in der Kirche, die der Tradition des Apostels Thomas gemäß evangelisiert wurde. Die Chaldäer leben überwiegend im Norden des Landes, vor allem in Mossul. Sie sind eine religiöse Minderheit, die sich vielen Problemen stellen muss, die ums Überleben kämpft, weil viele Christen emigriert sind: Sie durften zwar – bislang zumindest – ihre Religion frei ausüben, fanden aber keine Lebensgrundlagen in ihrem Land.
“Man hat uns gefragt, auf welche Weise wir am besten in dieser schwierigen Situation im Irak helfen könnten“, fährt P. Massarotto fort. “Wir halten es für eine gute Lösung, die Projekte zugunsten irakischer Kinder der katholischen Minderheit anzuvertrauen, die unter den gleichen Problemen leidet. Auf diese Weise würde der ganzen Gemeinschaft geholfen – ein Akt der Friedensstiftung, ein kleiner Stein am Haus der Zukunft. Der Irak, den wir uns für diese Kinder erträumen, ist ein Irak, in dem soziale Gerechtigkeit, Frieden und Toleranz herrschen. Unsere Projekte sind kleine Samen, die wir in Bagdad, Mossul und Alquosh in Ihrer aller Namen aussäen.“

Die Projekte 2004

Bagdad: Drei Kindergärten

“Die Menschen bevölkern die Straßen, und man spürt ihre große Sehnsucht nach Normalität. Als ich in Bagdad Berichte des italienischen Fernsehens verfolgte, war ich erstaunt: Das beschriebene Klima der Gewalt hatte ich nicht erfahren und ich hatte auch nicht das Gefühl, in einer belagerten Stadt zu leben.“ Diesen Eindruck schildert der Ingenieur Giuseppe Parma von der italienischen Hilfsorganisation Asvi (Associazione volontari per il servizio internazionale, deutsch: Vereinigung freiwilliger Helfer für den internationalen Einsatz). Er ist eben erst aus dem Irak zurückgekehrt, um den Plan für den Bau beziehungsweise Wiederaufbau dreier Kindergärten auszuarbeiten, die mit Ihrer Hilfe finanziert werden sollen. Für dieses Projekt sind insgesamt 100.000 Euro veranschlagt. “Sicher, es gibt objektive Schwierigkeiten“, erklärt Parma weiter, “aber die Leute sind erleichtert. Vorgestern war ich bei einer irakischen Familie zum Abendessen geladen. Alle sprachen offen und zwanglos. Bis vor kurzem wäre daran nicht zu denken gewesen. Die Bewohner Bagdads fürchten inzwischen mehr die Kriminalität als Anschläge: Es werden immer mehr Kinder entführt, um Lösegeld zu erpressen. Die Schulen werden von Polizisten geleitet. Anfangs kamen die Kleinen, die unsere Kindergärten besuchen, mit dem Omnibus an, inzwischen werden sie von den Eltern begleitet, damit sie nicht in Hinterhalte geraten.“
Die Asvi hat in Bagdad vier Kindergärten in den katholischen Pfarreien wieder aufgebaut beziehungsweise gegründet: “Einige Pfarrgemeinden hatten bereits einen Kindergarten, wenn auch meist in engen oder baufälligen Örtlichkeiten. Andere wollten einen bauen, verfügten aber nicht über die nötigen Gelder“. Heute, da einige der Kindergärten schon in Betrieb sind, sehen das Bildungsministerium der Übergangsregierung und UNICEF in dieser Initiative eine Art Pilotprojekt für die ganze Stadt.

Spielen ohne Angst. Es gibt viel zu tun: von der Instandsetzung der Gebäude über das Mobiliar und Lehrmittel bis hin zu den Gehältern der Erzieher. Was bedeutet es für ein Kind aus Bagdad, einen solchen Kindergarten besuchen zu können?
“Es kann an einem Ort leben, der ganz auf Kinder zugeschnitten ist – auf ihre Bedürfnisse und ihre Größe. Hier müssen sie keine Angst haben. Für sie bedeutet es, zur Normalität zurückzukehren“, erklärt Parma. Dann erinnert er sich an ein Erlebnis während seines Einsatzes in Bagdad, das ihn am meisten betroffen gemacht hatte: “Im vergangenen Jahr lernte ich in Dora Mecanic (einem Elendsviertel von Bagdad) einige Kinder kennen, die im Schlamm spielten. Die Kanalisation verläuft dort über der Erde, und der Müll wird auf den freien Flächen zwischen den Straßen abgeladen. Dazwischen laufen Ziegen und Schafe frei herum. In diesem Jahr wurde  der Kindergarten des Viertels eröffnet und ich sah die gleichen Kinder spielen – diesmal allerdings in sauberen Kleidern und voller Freude, weil sie endlich einen Ort für sich hatten. Nun wusste ich, wie Hoffnung aussieht. Ein kleines Projekt, aber ein sehr konkretes.“

Mossul: Krankenhaus und Krankenpflegeschule

Allen Armen den Zugang zu medizinischer Versorgung ermöglichen und Mädchen eine Arbeitsgrundlage verschaffen – diese zwei Ziele stehen im Vordergrund eines Projektes, das den irakischen Bischöfen in Mossul, im Norden des Landes, auf den Nägeln brennt. Es geht um den Bau eines kleinen Krankenhauses mit 50 Betten und den Bau einer Krankenpflegeschule.
“Seit ein paar Jahren gibt es ein von der katholischen Kirche geleitetes Sprechzimmer mit medizinischem Behandlungsraum, in dem Ärzte und Krankenpfleger auf Freiwilligenbasis arbeiten“, erklärt Monsignore Dal Toso, Verantwortlicher der italienischen Bischofskonferenz für den Einsatz in der Dritten Welt. “Der Kirche vor Ort liegt sehr viel an diesem Projekt, weil sie erkannt hat, dass es dringend notwendig ist, die medizinische Versorgung auf die gesamte Bevölkerung auszudehnen und vor allem die Bedürfnisse der schwächsten Schichten, der Kinder, Alten und schwangeren Frauen zu decken.“

Notstand im Notstand. Der Krieg hat in der Tat das bereits zuvor wenig effektive Gesundheitssystem verschlechtert und sozusagen einen Notstand im Notstand geschaffen.
“Die Stärke unseres Projektes liegt darin, dass es im Irak geboren wurde“, betont Pater Luciano Massarotto, Direktor der Caritas Antoniana. “Es hat seine irakische Vorgeschichte und wird von Irakern geleitet. Das wird den Schwächsten der Gesellschaft den Zugang erheblich erleichtern.“
Mit dem Plan, eine Schule für medizinische Berufe einzurichten, “reagieren wir auf einen Bedarf an mehr Fachkräften dieses Berufszweiges, der in diesem Land unterrepräsentiert ist“, fährt Monsignore Dal Toso fort. “Außerdem werden so neue Arbeitsplätze geschaffen, die zweite große Aufgabe in dieser Nachkriegsphase.“
Die Gesamtkosten des Projektes belaufen sich auf 100.000 Euro.

Bagdad: Heim für behinderte Kinder

Noch vor Beginn des Krieges hatte die indische Regierung die Ordensschwestern Denzy, Rosylin und Thresiana in ihre Heimat zurückgerufen. Sie hatten in Bagdad zusammen mit einer anderen Schwester der Missionarinnen der Nächstenliebe aus Bangladesh ein Waisenhaus für behinderte Kinder geführt. “Wir konnten den Irak nicht verlassen“, betont Schwester Denzy. “Es hätte sich ja keiner um unsere Kinder gekümmert. Wir haben uns also gesagt: Wir bleiben hier, was geschehen soll, wird geschehen.“ Die vier Schwestern des Ordens von Mutter Teresa waren aus Indien gekommen, einem ebenfalls sehr bedürftigen Land, um am Tag nach dem Golfkrieg von 1991 Nähe und Solidarität zu zeigen. Heute sind sie Pflegemütter von 24 Kindern im Alter von zwei bis zwölf Jahren, die ihre Eltern durch amerikanische Bombardements oder durch Bestrahlung mit abgereichertem Uran verloren haben. Manche von ihnen können nicht sprechen, andere sind blind, haben keine Arme oder Beine und einige sind geistig zurückgeblieben.

Ruhiger Hafen. Das Waisenhaus befindet sich mitten im Zentrum Bagdads und blieb wie durch ein Wunder von den Bomben verschont, doch die Erfahrungen während der Angriffe waren schrecklich: “Die Kinder waren zu Tode erschrocken, allein der Lärm der Flugzeuge versetzte sie in Panik“, berichtet die Schwester. “Dazu kam der ohrenbetäubende Lärm der Explosionen. Wir beteten und hielten durch.“
Die Liebe und Hingabe der Ordensfrauen boten diesen Kindern den einzigen ruhigen Hafen. Das Gebäude, in dem sie heute wohnen, ist viel zu klein für die gewachsenen Ansprüche. “Die Leser des Sendboten“, so Pater Massarotto, “werden zum Kauf eines größeren Hauses beitragen. So werden wir geeignetere Räume haben und können mehr Kinder aufnehmen. Viele der Kleinen mit schweren Behinderungen vegetieren heute ohne ihrem Zustand entsprechende Versorgung in den Waisenhäusern der Hauptstadt vor sich hin.“
Das Projekt wird voraussichtlich 120.000 Euro kosten.

Alquosh: Waisenhaus

In den Bergen, die über der assyrischen Stadt Alquosh im Norden Iraks, 50 Kilometer von Mossul, aufragen, thront das Kloster von Rabban Hormiz. Es galt als Symbol des östlichen Christentums von 640 nach Christus bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts, als das damalige Regime das Kloster schließen ließ. Das Kloster hat sozusagen im Untergrund überlebt und trug das seine dazu bei, das große Leid zu mindern: Es beherbergte Kinder, die aufgrund des Krieges oder des Embargos zu Waisen geworden waren. Eine anstrengende Aufgabe, die Pater Mofeed Toma Marcus, Oberer des Klosters und Pfarrer der Marienkirche, mutig übernommen hat.
Er hat das kleine Waisenhaus neben dem Kloster erbaut, in dem heute 28 Kinder im Alter von vier bis 14 Jahren leben. Doch es gilt viele Schwierigkeiten zu meistern, denn das Kloster ist von der Wohltätigkeit der Pfarreien abhängig, und diese sind selbst sehr arm.

Lichtschalter und Wasserhähne. “Die Winter sind hier sehr streng“, berichtet P. Marcus,“ aber wir haben eine Heizung installiert.“ Dann führt er die Liste von Dingen fort, die das Leben seiner Schützlinge, die für ihn wie eigene Kinder sind, angenehmer machen könnten: “Viele Schalter und Wasserhähne funktionieren nicht, es gibt weder Schränke für ihre Kleider noch Betten. Die Kinder schlafen auf Matratzen am Boden und bedecken sich mit fadenscheinigen Decken, die nicht mehr warm halten.“ Und dann die Missstände in der Schule: “Sie haben weder Bänke noch Stifte und Hefte, um ihre Aufgaben zu erledigen. Das Schlimmste aber ist, dass sie auf ihrem langen Fußweg zur Schule durch ein Gelände kommen, in dem es nur so von Giftschlangen wimmelt. Ein Kleinbus würde diese Gefahr beseitigen und uns ermöglichen, Kinder, die gebissen werden, rechtzeitig ins Krankenhaus zu bringen.“
P. Marcus weiß, dass es viel Not gibt. Deshalb möchte er in den kommenden Monaten mindestens zwölf weitere Kinder in sein Waisenhaus aufnehmen. Seine einfachen, aber praktischen Wünsche werden dann insgesamt Kindern ein würdigeres Leben und eine bessere Zukunft ermöglichen.
Neue Lichtschalter und Wasserhähne, 16 Öfen, Möbel und Wäsche, Schreibwaren, einen Computer, einen gebrauchten Kleinbus – alles zusammen dürfte um die 25.000 Euro kosten.
Diese Samen der Hoffnung könnten mit Ihrer Hilfe aufgehen und viele Früchte tragen. Wieder einmal empfiehlt Ihnen die Antoniusfamilie Initiativen zugunsten der “Letzten“ und vertraut auf Ihr Mitgefühl.

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016