Schwarze Franziskaner in der Schweiz

16. September 2018 | von

Vor wenigen Wochen hat der langjährige Sendboten-Autor sein 50-jähriges Priesterweihejubiläum gefeiert. Wir gratulieren nachträglich und danken für seinen Überblick zu den Franziskaner-Minoriten in der Schweiz, die hier unter anderen Namen besser bekannt sind... 

Bei uns in der Schweiz ist der Name „Minoriten“ für unseren Zweig der franziskanischen Bewegung nicht geläufig. Wir werden einfach als Franziskaner angesprochen. Oft fügt man dem Namen das Adjektiv „schwarz“ hinzu, um den Unterschied zu den braunen Franziskanern zu zeigen. Dieser Zweig trägt eine braune, wir eine schwarze Kutte. In der französisch sprechenden Schweiz sind wir als „Cordeliers“ bekannt, also als „Strickträger“. Die weiße Kordel ist die Ursache dieses Namens. Offiziell sind wir in der Kirchensprache die „Konventualen“ oder die „Minderbrüder-Konventualen“.

Geschichte mit Höhen und Tiefen
Die Gründung der Klöster auf dem heutigen Territorium der Schweiz geschah von drei Seiten her: von Süden aus Italien, vom Westen aus der Burgundergegend und vom Norden her aus Deutschland. Die von Deutschland her gegründeten Klöster gehörten alle zur Oberdeutschen Minoritenprovinz, später Straßburger Provinz genannt. Sie hatten in mehreren Städten eine Niederlassung, z. B. in Basel, Zürich, Bern, Solothurn, Luzern usw. Damals wurden wir auch die „Barfüßer“ genannt. So sind z. B. in Basel der Barfüßerplatz und die Barfüßerkirche ein Überbleibsel aus der Zeit vor der Reformation. Die Barfüßerkirche ist heute ein Museum.
In der Reformationszeit wurden viele Klöster aufgehoben. Um 1800 gab es in der deutschsprachigen Schweiz noch vier Klöster: Luzern, Solothurn, Werthenstein und Freiburg. Die drei ersten Klöster fielen der Säkularisation zum Opfer, so dass nur das Kloster in Freiburg übrigblieb.
Kurz vor dem zweiten Weltkrieg wurde dieses Kloster, das bisher zur deutschen Minoritenprovinz gehörte, direkt Rom unterstellt. Nach dem zweiten Weltkrieg gab es eine gewisse Blütezeit. Die Mitbrüder begannen, neue Niederlassungen zu gründen. 1947 wurde in Therwil bei Basel ein Haus gekauft. Die Hauptaufgabe der dortigen Mitbrüder war die Mithilfe in der lokalen Pfarrei und Aushilfen in der Umgebung. 
1950 eröffneten französischsprechende Mitbrüder eine Niederlassung in Bastide, einem Arbeiterviertel und Vorort von Bordeaux, Frankreich. Sie übernahmen die Pfarrei Cypressat. 1951 wurde in Pensier bei Freiburg das kleine Seminar gegründet, das „Antoniuskonvikt“. Später wechselten die Mitbrüder aus Bordeaux in die Schweiz zurück und übernahmen in Petit Lancy bei Genf eine Pfarrei. 2017 wurde diese Pfarrei geschlossen. 1971 wurde im Herzen der Schweiz, in Flüeli-Ranft, eine Niederlassung eröffnet. Sie war gedacht als Weiterführung der Schule von Pensier, die im gleichen Jahr geschlossen wurde.
Schon 1949 entstand eine eigene Zeitschrift, die „Franziskanische Botschaft“. Sie existierte 66 Jahre lang und war als Hilfe für die franziskanische Spiritualität und als Mitteilungsblatt der Mitbrüder beliebt.
Im Jahr 1972 wurde die Schweiz rechtlich eine eigene Provinz. Ihr gehörten damals 52 Mitbrüder an. Bereits 2002 wurde sie jedoch direkt Rom unterstellt, da die Zahl der Mitbrüder durch Todesfälle, Austritte und mangelnden Nachwuchs stark zurückgegangen war. So entstand die „Generaldelegation“, die jedoch ihrerseits 2012 bereits in der neu gegründeten Kustodie Österreich-Schweiz aufging. Diese Kustodie wurde der deutschen 
Minoritenprovinz angegliedert. Innerhalb von 100 Jahren hat sie somit fünf Rechtsformen mitgemacht.

Franziskanische Persönlichkeiten
Wohl die bekannteste Persönlichkeit der Geschichte der Franziskaner-Minoriten in der Schweiz ist P. Gregor Girard. Sein Geburtshaus liegt neben der Kathedrale von Freiburg. Er lebte von 1765 bis 1850. Dank ihm konnte das Kloster in der Stadt Freiburg auch in der Säkularisation weiter bestehen. Er wurde vor allem bekannt als Erzieher und Gründer der Volksschule in Freiburg. Außerdem war er der erste katholische Geistliche nach der Reformation, der in Bern wirken konnte. Neben Heinrich Pestalozzi galt er als hervorragender Pädagoge und wurde damals von der Berner Regierung beauftragt, einen Bericht über die bekannte Erziehungsinstitution von Pestalozzi in Yverdon zu verfassen. Er lehrte auch Philosophie und Theologie in Luzern und später in Würzburg. Er starb in Freiburg und wurde dort im Chor der Kirche begraben. Dort fand im Jahr 1432 bereits der bekannte Prediger und Theologe P. Friedrich von Amberg die letzte Ruhestätte. Seine Handschriften sind heute noch zum Teil im Archiv von Freiburg.
Einen gewissen Bekanntheitsgrad hatte auch P. Dominik Jaquet. Er wurde 1843 in Grolley, einem kleinen Dorf neben Freiburg, geboren und wirkte von 1895-1904 als Bischof in Jassi, Rumänien. Später unterrichte er an der Ordenshochschule in Rom Geschichte.
In der neueren Zeit dürfen wir P. Leon Veuthey nennen, der 1974 in Rom starb. Er hat rund 30 Bücher über franziskanische Theologen und Philosophen geschrieben. Durch seine Einfachheit und seine gesunde Frömmigkeit war er als geistlicher Begleiter und Spiritual im Orden und außerhalb desselben bekannt und beliebt. Sein Seligsprechungsprozess ist eingeleitet worden.

Heutige Situation 
Zurzeit gibt es noch zwei Niederlassungen, eine in Flüeli-Ranft und die andere in Freiburg. Was uns in der Schweiz besonders auszeichnet, ist eine gewisse Vielfalt der Kulturen und Sprachen. Sowohl in Freiburg als auch in Flüeli-Ranft leben Mitbrüder aus vier, respektive drei verschiedenen Ländern miteinander. Im Kloster Freiburg lebten immer auch Mitbruder aus anderen Ländern, aus Amerika und Kroatien, aus Italien und Deutschland, aus Rumänien und Polen, die an der Universität studierten.

Freiburg: Kloster mit Tradition
Dieses Kloster hat eine lange Geschichte. Gegründet wurde es im Jahr 1256 von den Herren von Riggisberg. Was einst am Stadtrand gebaut wurde, ist heute ein Teil der Altstadt, ganz nahe bei der Kathedrale. Das heutige Klostergebäude stammt aus dem ersten Viertel des 18. Jahrhunderts. Die heutige Kirche wurde um 1300 erbaut. Um 1745 drohte das Schiff einzustürzen. Daher baute man das heutige Kirchenschiff und lies den gotischen Chor stehen. In den Jahren 1973-1991 wurde die Kirche komplett renoviert. Besonders zu erwähnen sind folgende Kunstwerke: der Nelkenmeisteraltar um 1480, Jesus an der Geißelsäule aus dem Jahr 1438, der geschnitzte Flügelaltar von Geyler und Furno um das Jahr 1515 sowie das alte Chorgestühl, das in seiner Gesamtheit eines der besterhaltenen aus dieser Zeit ist. 
Im Kreuzgang befinden sich vier große Tafeln, die wahrscheinlich um das Jahr 1440 entstanden sind. Das Kloster und das 1904 angebaute Studentenheim brannten 1937 nieder und beide wurden beim Aufbau um zwei Stockwerke erhöht. In den Jahren 2013-2016 kam es zu einer teuren Totalrenovierung, die unter Guardian P. Pascal Marquard und der Mithilfe vieler Fachleute und Wohltäter gut gelungen ist.
Das Kloster steht auf der Grenze zwischen der deutschsprachigen und der französischsprachigen Schweiz. Die Mitbrüder nahmen sich für die pastoralen Aufgaben im Verlauf der Geschichte jeweils der sprachlichen Minderheit an. Im Jahre 1904 wurde auf Druck der kantonalen Regierung ein Internat gegründet, das vor allem deutschsprachigen Schülern offenstand, die das staatliche Kollegium St. Michael besuchten. Die Franziskaner stellten am Gymnasium über 60 Jahre lang mehrere Lehrer und waren vor allem als Klassenlehrer eingesetzt. Heute arbeiten die Mitbrüder wieder vermehrt in der Pastoral. Sie haben die Verantwortung für die deutschsprachige Seelsorge in der Stadt. Außerdem sind die ehemaligen Räumlichkeiten des Internates als Büros vermietet. Sogar eine Unterkunft für die Jakobspilger wurde eingerichtet. Die großen Säle im Untergeschoss dienen als Versammlungsorte verschiedener Vereine und Gruppen.
Was nicht vergessen werden darf, ist der neue Kulturgüterschutzraum, der zugleich die Bibliothek und das wertvolle Archiv enthält. Außerdem hat P. Otho Raymann (+2010), der Bücherrestaurator und Ikonenmaler war, 1980 eine bibliotherapeutische Werkstatt gegründet, die ebenfalls im Klostergebäude neben dem Kulturgüterschutzraum integriert ist.
Im Koster Freiburg lebten und leben noch immer auch Mitbruder aus anderen Ländern, die an der Universität studieren.

Flüeli-Ranft
Das 1971 eröffnete Schulinternat in Flüeli-Ranft war anfänglich als kleines Seminar, als Juvenat für den Ordensnachwuchs gedacht. Doch durch den Wandel der Schulpolitik in der Gesellschaft und die Folgen des Konzils wurde die Schule nicht als Untergymnasium, sondern als Sekundarschule geführt. Nach einer Erweiterung schulischer und baulicher Art im Jahre 1985 kam es Mitte der 90er Jahren zu einem Rückgang der Schüler. Da wurde das Schulinternat zu einem Heim für verhaltensauffällige Jugendliche umfunktioniert und als staatlich anerkannte Sonderschule geführt. Das entsprach einem Bedürfnis der Zeit. Die Leitung übernahmen diplomierte Laien. Ein Mitbruder arbeitete als Spiritual und Französischlehrer noch zehn Jahre mit. Nebenbei war das Kloster immer schon offen für Feriengäste und Leute, die Einzelexerzitien machen wollten. Die ruhige Lage und die spirituelle Bedeutung dieses Ortes als Heimat des hl. Bruder Klaus geben der Niederlassung eine besondere Note.

Aktivitäten – und brüderlicher Umgang
Die Aufgaben und Arbeiten, die in unserem Orden ausgeführt werden, sind fast so vielfältig wie Brüder vorhanden sind. Der Vorteil einer Ordensgemeinschaft ist auch, dass praktisch jeder Bruder seine Fähigkeiten und Gaben voll einsetzen kann. Und da wir ein Weltorden sind, können Brüder auch in anderen Ländern zum Einsatz kommen. So ist ein Schweizer Mitbruder Beichtvater im Vatikan, ein anderer ist freier Schriftsteller, nachdem er eine Professur an der Ordenshochschule in Rom hatte. Ein Mitbruder ist in Sambia, Afrika, als Missionar tätig. Dort weilten nach dem zweiten Weltkrieg bis heute sieben Schweizer als Missionare. Zurzeit ist ein Mitbruder Pfarrer in der Stadt Freiburg und ein anderer ist eingesetzt als priesterlicher Mitarbeiter in zwei Gemeinden. Auch die Schwesternseelsorge ist eine Aufgabe, genauso wie Pilgerbegleitung und Exerzitien halten. Früher gab es zwei Klöster, die uns rechtlich und spirituell nahestanden, eines in Solothurn, das andere in Muotathal. Seit Solothurn als Kloster der Franziskanerinnen geschlossen ist, bleibt noch Muotathal. Ein Mitbruder betreut diese kleine Gruppe Schwestern weiterhin. Als in Flüeli-Ranft die Internatsschule vom Orden geleitet wurde, waren die Mitbrüder in Schule und Internat als Lehrer und Erzieher tätig. Die Brüder, die nicht Priester sind, können oft ihren angelernten Beruf auch im Kloster ausüben. Ich denke an Koch, Schreiner, Schneider, Gärtner oder Verwalter, das war noch vor einigen Jahren bei uns üblich.
Es sind jedoch nicht die Aktivitäten, die besonders zählen, es ist die Art und Weise, wie Brüder miteinander und mit den Menschen überhaupt umgehen. Für Franz von Assisi war es wichtig, in jedem Menschen einen Bruder, eine Schwester zu sehen, da wir nur einen Vater haben, nämlich den im Himmel.

Zuletzt aktualisiert: 02. Oktober 2018
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