Wenn Versuchungen sich melden

20. März 2023 | von

Wer sich für irgendetwas entscheidet, wird immer wieder konfrontiert mit Versuchungen, die ihn von seiner Entscheidung abbringen wollen – im Leben wie im Glauben. Schon früh im Leben trifft Fernando, der spätere Antonius von Padua, hier radikale Entscheidungen zu seinem Schutz.

Zum Ton einer guten Heiligenbiografie gehört wohl seit Jahrhunderten, dass das Leben des Beschriebenen von Beginn an als besonders „heilig“ dargestellt wird. Eines meiner Lieblingsbeispiele aus dem franziskanischen Bereich ist dabei die heilige Elisabeth von Thüringen. Von ihr wird berichtet, dass sie schon im Kleinkindalter lieber in die Kapelle zum Beten gegangen sei, als mit den anderen zu spielen. Ob das nun wirklich den Tatsachen entspricht? Ich meine: Ohne die Heiligkeit einer Person in Frage zu stellen, muss man solchen oft legendarischen Behauptungen nicht immer vollen Glauben schenken. Der Antonius-Biograf und Verfasser der Assidua hält sich daran auch gar nicht lange auf. Von der Kindheit wird nicht viel berichtet, erst recht nichts besonders Frommes. Summarisch fasst der Autor zusammen: „Nachdem er die heiteren Jahre seiner Kindheit in seiner Familie verbracht hatte, vollendete Fernando (der spätere Antonius) glücklich sein 15. Lebensjahr.“ Keine weiteren Details.

Heftige Versuchungen

Dann aber meldet sich wohl das Leben mit voller Wucht. Der Biograf spricht von den „Versuchungen des Fleisches“, die mit der Pubertät des Fernando zunahmen. Er gibt uns keine genauen Hinweise, was er damit meint. Unschwer dürfte zu erraten sein, dass es wohl ums Sich-Verlieben geht, vielleicht auch ums Ausprobieren und Entdecken von Aspekten des Lebens, die bislang in der Kindheit keine Rolle gespielt hatten. Möglicherweise ging es im Umfeld des Fernando auch ziemlich „wild“ und freizügig zu. Wir wissen es nicht.

Doch auch, wenn sich Fernando „mehr als gewöhnlich davon gequält fühlte, gewährte er der Jugend und der Lust keinen freien Lauf, sondern zog der bedrängenden fleischlichen Begierde die Zügel an und besiegte auf diese Weise die schwache menschliche Natur. Mit den alltäglichen Kontakten wurde ihm die Welt ekelerregend – so, dass er den Fuß, der noch nicht ganz die Schwelle berührt hatte, zurückzog. Denn er fürchtete, dass der Staub der irdischen Freuden an ihm haften bliebe und ein Hindernis sei für ihn, der schon im Geiste die Wege des Herrn ging.“

Widerstand aus Glauben

Hier wird nun also doch angedeutet, dass er „im Geiste“ schon enger mit Gott verbunden war als es äußerlich den Anschein hatte. Und offensichtlich fürchtet er, dass ihm diese Verbindung wieder verloren geht, wenn die Versuchungen immer mehr werden und er ihnen vielleicht irgendwann nichts mehr entgegenzusetzen hat. Und so deutet der Biograf einen gewissen Rückzug an. Fernando will offensichtlich „aufpassen“, dass die „fleischlichen Begierden“ in seiner menschlichen Natur nicht die Überhand gewinnen. Vielleicht hat er in einem Gottesdienst auch einmal die Warnung aus dem 1. Petrusbrief gehört: „Seid nüchtern, seid wachsam! Euer Widersacher, der Teufel, geht wie ein brüllender Löwe umher und sucht, wen er verschlingen kann. Leistet ihm Widerstand in der Kraft des Glaubens!“ (1 Petr 5,8f.)

Ur-Versuchung und die Folgen

Denn spätestens mit Adam und Eva ist uns biblisch das Thema „Versuchungen“ bestens vertraut und keiner ist davor gefeit. Die beiden Menschen werden von Gott ins Paradies gesetzt, ausgestattet mit aller Freiheit. Allein vom Baum in der Mitte des Gartens dürfen sie nicht essen. Doch wenn man alles darf, ist wohl immer das besonders reizvoll, was verboten ist. Und so tritt im Buch Genesis schließlich die Schlange auf den Plan und lockt: „Nein, ihr werdet nicht sterben. Gott weiß vielmehr: Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse.“ (Gen 3,4-5) Eva lässt sich verführen: Wäre es nicht wunderbar, so klug wie Gott zu sein? Sie nimmt von den Früchten, isst, und gibt auch ihrem Mann. Er isst ebenfalls.

Die Folge ist bekannt: Sie erkennen, dass sie nackt sind. Als sie Gott im Garten kommen hören, verstecken sie sich, allerdings erfolglos. Der Schöpfer stellt sie zur Rede. Und einer verschiebt die Schuld auf den anderen: Adam auf Eva, Eva auf die Schlange. Seine Konsequenzen zieht Gott trotzdem: „Er vertrieb den Menschen und ließ östlich vom Garten Eden die Kerubim wohnen und das lodernde Flammenschwert, damit sie den Weg zum Baum des Lebens bewachten.“ (Gen 3,24)

Vom Kleinen zum Großen

Von Gott entfernt zu werden, das will Antonius wohl mit aller Kraft vermeiden. Und selbst in seinen jungen Jahren dürfte er schon begriffen haben, wie schwer es oft ist, den Versuchungen zu widerstehen – selbst in den kleinsten Dingen. Wer kennt es nicht? Da ist man eigentlich satt. Aber die Platte ist noch nicht leer. Man könnte noch einmal zugreifen. Und schließlich tut man es; es schmeckt ja auch so gut…. Kein Weltuntergang und auch nicht automatisch ein Verstoß gegen Gottes Gebot. Und trotzdem bereut man es hinterher möglicherweise schnell: Zu viel gegessen, man kann sich kaum mehr bewegen.

Und was für die kleinen Versuchungen und ihre Folgen gilt, das lässt sich leicht auf wichtigere Lebensbereiche übertragen.

Die beharrliche Kraft des Glaubens

Besonders erfahren im Umgang mit Versuchungen sind die Wüstenväter der frühen Kirche. Für sie sind die Versuchungen das bevorzugte Mittel der Dämonen, der bösen Geister, Menschen vom rechten Weg abzubringen. In einer Unterweisung fasst der Mönchsvater Antonius, bald ein „Namensvetter“ des Antonius von Padua, seine Erfahrungen mit Versuchungen gewissermaßen zusammen: „Wenn die Dämonen überhaupt Christen sehen, besonders aber Mönche, die sich freudig bemühen und Fortschritte machen, da greifen sie zuerst an und führen sie in Versuchung, indem sie ihnen Anstößiges in den Weg legen; ihre Fallstricke aber sind schlechte Gedanken. Wir brauchen jedoch ihre Eingebungen nicht zu fürchten; denn durch Gebete und Fasten und durch den Glauben an den Herrn kommen sie rasch zu Fall. Aber auch dann hören sie nicht auf, wieder und wieder greifen sie an, listig und verschlagen. Denn wenn sie durch offene, unreine Begierde das Herz nicht verführen können, dann stellen sie es anders an. Sie machen Erscheinungen nach und stellen sich, als wollten sie Schrecken einjagen, sie wechseln ihre Gestalt und verwandeln sich in Weiber, wilde Tiere und Schlangen, in riesenhafte Leiber und Scharen von Kriegern. Aber auch so braucht man ihre Erscheinungen nicht zu fürchten; denn sie sind nichts, und rasch verschwinden sie, wenn man sich schirmt durch den Glauben und das Zeichen des Kreuzes. Doch sind sie kühn und überaus frech. Denn wenn sie so unterlegen sind, versuchen sie wieder einen anderen Anschlag. Sie stellen sich, als ob sie weissagten und die Zukunft verkündigten, sie erscheinen hoch von Gestalt, die bis zur Decke reicht, und mächtig an Größe, damit sie die, welche sie durch ihre Gedanken nicht täuschen konnten, durch solche Trugbilder verführen. Wenn sie aber auch dann die Seele gesichert im Glauben und in der Hoffnung auf die Vorsehung finden, dann führen sie ihren Meister heran.“ (Athanasius, Leben des heiligen Antonius, Kapitel 23)

Deutlich wird: Die Versuchungen werden immer bestehen bleiben, und sie kommen stets in neuem Gewand. Wer aber glaubt, der kann ihnen aus dieser Kraft auch einiges entgegensetzen. Im Großen wie im Kleinen. Und dabei muss man vielleicht nicht immer so radikal den Fuß „von der Schwelle der Welt zurückziehen“, wie das der junge Fernando tut.

Zuletzt aktualisiert: 20. März 2023
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