Die Seele, die Schönheit sieht, kann manchmal alleine gehen.(Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832)
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Liebe Freunde! Vor einigen Wochen ist einer meiner Großonkel gestorben. Während meiner Kindheit haben wir uns regelmäßig bei Familienfeiern getroffen, zumal wir im gleichen Dorf wohnten. In den letzten Jahren waren die Kontakte etwas seltener. Als „Dorfältester“ ist er nun nach einem langen Leben verstorben. Bei der Vorbereitung seiner Beerdigung ist mir vor allem eine Szene immer wieder in den Kopf gekommen. Vor Jahren habe ich ihn und seine Frau kurz besucht. Den konkreten Anlass weiß ich gar nicht mehr. Er saß in einem Zimmer, in dem ein Kamin brannte. Und als ich ihn fragte: „Und, was machst du?“, gab er mir zur Antwort „Ich sitze hier und schaue, dass das Feuer nicht ausgeht.“ Das war nun beileibe keine spektakuläre Beschäftigung und es war auch sicherlich nicht allzu bedeutungsschwer gemeint. Aber mir sind diese Worte im Gedächtnis geblieben: Da sitzt jemand zu Hause. Es ist warm. Er ist körperlich sicherlich schon eingeschränkt. Die Zeiten, wo man Bäume ausgerissen hat, sind längst vorbei. Aber er hat seine Aufgabe, seinen Sinn. Und was vielleicht nur eine Kleinigkeit ist, schafft doch Atmosphäre im Haus: Da ist jemand da, ich kann kommen, es ist warm. Ich sehe das nicht als romantische Verklärung, sondern als tiefe Erfahrung von Menschlichkeit und vielleicht sogar Erfüllung einer Sehnsucht nach Heimat und Geborgenheit.

Die Erinnerung an meinen Großonkel und „sein“ Kaminfeuer kann ich gut mit der Advents- und Weihnachtszeit verknüpfen. Gerade in diesen Wochen bewegen sich Menschen in der Spannung von Einsamkeit, weil der Partner, die Partnerin vielleicht schon gestorben ist oder die Kinder aus dem Haus sind, und dem Erleben von Familie und Gemeinschaft, wenn man sich trifft und miteinander feiert. Und da braucht es dann keine außergewöhnlichen Geschenke oder Festmähler, dass sich die Tische biegen: Das Gefühl, da sein zu dürfen, willkommen zu sein, ist wohl mehr wert als jede Gabe, die man mit Geld kaufen könnte. Umso schmerzhafter dann, wenn sich dieses Gefühl nicht einstellen will oder kann.

Ich wünsche Ihnen in unserer „Antonius-Familie“ einen fruchtbaren Weg auf Weihnachten hin und dann ein gnadenreiches Fest mit der freudigen Gewissheit, dass sich Gott auf Mensch und Welt immer neu einlässt.

Ihr Br. Andreas

Zuletzt aktualisiert: 01. Dezember 2022
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