Du, Herr, lässt mich den Weg des Lebens erkennen. Freude in Fülle vor deinem Angesicht, Wonnen in deiner Rechten für alle Zeit. (Psalm 16,11)
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Liebe Leserinnen und Leser!

Im Sommer war ich mit Jugendlichen in Assisi. Während ich der Gruppe zwei Stunden Freizeit gegeben hatte, um die Stadt zu erkunden, gab es für mich die Gelegenheit, mich in Ruhe in die Basilika des heiligen Franziskus, die die Titelseite dieser Ausgabe ziert, zurückzuziehen und in der Krypta am Grab unseres Ordensgründers zu beten. Ich habe eine ganze Weile dort gesessen, manchmal durchaus auch abgelenkt von den vielen Pilgerinnen und Betern, die am Grab vorbeigingen, es mit ihren Händen berührten, kurz verweilten und schließlich weiter zogen. Und ich habe mich zurückerinnert an einige Male, als ich ganz ähnlich in Padua in der Basilika gesessen hatte – dort am Grab des heiligen Antonius. Und ich habe mir überlegt: Wo sitze ich eigentlich lieber? Eine Antwort habe ich nicht gefunden. Die Atmosphäre an beiden Orten ist sehr unterschiedlich. In Assisi ist alles etwas kleiner, die Beleuchtung ist karg, es geht etwas ruhiger zu. In Padua ist das Antonius-Grab hell erleuchtet. Statt in einer Krypta befindet es sich gleichsam auf einem „Podest“. Noch mehr als in Assisi hat man den Eindruck eines Kommens-und-Gehens.

Es braucht keine Entscheidung, wo ich lieber bin. Wertvoll aber ist mir das Verbindende: Beide Gräber sind für mich Orte des Ursprungs. Franziskus und Antonius, sie gehören zu unserer franziskanischen Geschichte – und diese Geschichte reicht mittlerweile gut 800 Jahre zurück. Wenn ich dort bete, dann verbinde ich mich mit dieser langen Tradition und stelle mein Leben und meine aktuellen Nöte und Sorgen dort hinein. Das macht dann nicht plötzlich alles einfach und gut. Aber mein Erleben im Jetzt steht auf einmal in einem anderen Bezug. Im Licht der acht Jahrhunderte werden viele aktuelle Bedrängnisse relativiert. Mich mögen sie persönlich sehr belasten, doch im Kontext des größeren Ganzen verlieren sie an Dramatik.

In der franziskanischen Familie beginnen wir das Franziskus-Fest des 4. Oktobers bereits am Vorabend mit der Transitus-Feier: Wir erinnern uns an die Sterbestunde unseres Ordensgründers und feiern sein ewiges Leben bei Gott. Eine gläubige Gewissheit, mit der auch wir rechnen dürfen. Daraus wünsche ich Ihnen und mir viel Kraft.

Herzlich grüßt Sie Ihr

Br. Andreas

Zuletzt aktualisiert: 02. Oktober 2023
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