Wirksam für die Menschen

11. März 2024 | von

Als Ordensmann wird Antonius in Dienst genommen. Er sucht sich seine Aufgaben in der Regel nicht selbst aus, sondern wird von seinen Oberen geschickt. Vielleicht ist gerade das ein Weg, wie er der Fülle des Lebens nahe kommt.

Wie gutes Leben funktionieren kann, diese Frage wollen längst nicht mehr nur die Religionen beantworten. Unzählige Ratgeber warten in Buchhandlungen darauf, gekauft und anschließend gelesen zu werden. Sie versprechen den sicheren Weg ins Glück. Wer es allein im Lesesessel nicht schafft, der kann aus Tausenden von Seminaren aller möglichen Anbieter wählen: Der Selbstfindungstrip in Nepal, der Yoga-Retreat auf Mallorca oder die Ganzkörper-Entschlackung auf Helgoland – überall geht’s darum, mehr zu sich zu kommen, sich selbst zu finden und das eigene Glück zu verwirklichen. Doch allen Angeboten zum Trotz: Zufriedener und glücklicher scheint der Mensch in den letzten Jahrzehnten nicht geworden zu sein.

In Dienst genommen

Wer sein Leben wie Antonius damals oder Ordenschristen heute ganz in den Dienst Gottes zu stellen versucht, der wird nicht selten skeptisch beäugt: Kann ein solches Leben wirklich glücklich sein? Stellt man da nicht eigene Bedürfnisse viel zu weit hinten an? Wird man durch den Gehorsam nicht zu Dingen gezwungen, die man eigentlich gar nicht will? Ganz bestimmt kennt das Ordensleben Fehlformen. Gelübde wurden (und werden) immer wieder auch genutzt, um Menschen klein zu halten oder gar zu unterdrücken. Und doch gibt es wohl deutlich mehr Beispiele, wie Leben gelingen kann, wenn Menschen ihrer Berufung, die sie von Gott her vernehmen, tatsächlich folgen.

Im Blick auf Antonius: In seinen noch wenigen Jahren als Minderbruder wurde ihm bereits einiges zugemutet. Gestrandet in Sizilien und dann beim Kapitel in Assisi, weiß man zunächst mit ihm nicht wirklich etwas anzufangen. Die Zeit in Montepaolo sieht bestenfalls wie eine Notlösung aus, wird aber wohl zu einer Phase der ganz besonderen Vertiefung der Beziehung zu Gott. Als in Forlì ein Prediger gesucht wird, kann sich Antonius nicht wehren. Und aus dem Lückenbüßer wird sehr schnell ein gefragter Verkünder des Wortes Gottes. Immer wieder lässt Antonius sich auf das ein, was ihm zugetragen wird, was das Leben jetzt gerade von ihm verlangt – und er scheint dabei immer mehr der zu werden, den wir bis heute als Heiligen verehren.

Wunderberichte als Zeugnis

Mitte der 20er Jahre des 13. Jahrhunderts ist Antonius vor allem als Prediger unterwegs – in Italien, aber schließlich auch in Frankreich. Es wäre gewiss interessant, zu erfahren, wie er jeweils reagiert hat, wenn er von den Oberen hierhin oder dorthin geschickt wurde. Ob er seine Aufgaben samt der damit verbundenen Strapazen wohl mit Begeisterung annahm? Oder eher aus treuem Pflichtbewusstsein? Vielleicht gelegentlich auch widerwillig? Darüber lässt sich nur spekulieren. Überliefert ist uns, dass er sich immer wieder in Dienst nehmen lassen hat – und dass sein Dienst fruchtbar war für das Wachstum des Reiches Gottes, für die Verbreitung des Glaubens. In der mittelalterlichen Denk- und Glaubenswelt sind es vor allem die Wundergeschichten dieser Jahre, die davon Zeugnis ablegen, wie wirksam Menschen den künftigen Heiligen erlebt haben.

Helfer mitten im Alltag

Einige Zeit lang ist er in der französischen Provence unterwegs. Aus dieser Zeit berichtet die Biografie Rigaldina die folgende Begebenheit: „Er kam in ein Dorf als die Mittagszeit schon vorüber war. Eine arme, fromme Frau bemerkte, dass er und sein Begleiter noch nichts gegessen hatten, hatte Mitleid mit ihrem Elend und ließ sie in ihr Haus eintreten, um ihnen etwas zu essen anzubieten. Indem sie Marta in ihrer Fürsorge nacheiferte, sie zu bedienen, stellte die Frau Brot und Wein auf den Tisch und lieh sich von einer Nachbarin eigens einen Becher aus Glas.

Aber Gott, der Gnade schenken wollte, nachdem die Versuchung besiegt war, ließ es geschehen, dass die Frau, nachdem sie den Wein von ihrem Fass gezapft hatte, aus Unachtsamkeit den Hahn offen ließ, so dass sich fast der ganze Wein auf den Boden der Küche ergoss. Der Begleiter des seligen Antonius wiederum hielt seinen Glasbecher ungeschickt und stieß ihn gegen den Tisch. Der obere Teil des Bechers lag – unbeschädigt – am einen Ende des Tisches, der untere Teil am anderen Ende.

Gegen Ende des Mittagessens wollte die Gastgeberin eine weitere Runde Wein anbieten. Sie ging folglich in die Küche und bemerkte, dass der ganze Wein über den Boden ausgegossen war. Weinend kehrte sie zurück, traurig, verzweifelt und mitgenommen, und berichtete, dass der Wein aufgrund ihrer Unachtsamkeit verloren war. Gerührt durch das Missgeschick, das der Frau passiert war, beugte sich der selige Antonius über den Tisch mit dem Gesicht zwischen den Händen und sann über die Worte des Apostels nach: Ich will nicht nur im Geist Gott preisen, sondern auch mit dem Verstand (vgl. 1 Kor 15). Die Frau stand und schaute ihm beim Beten zu in Erwartung dessen, was passieren würde. Und siehe da: Unversehens und bewundernswert verband sich wieder der obere Teil des Bechers, der am einen Ende des Tisches lag, mit dem unteren Teil vom anderen Ende. Als sie dieses Phänomen sah, war sie ganz benommen vor Erstaunen. Sofort griff sie nach dem Becher und obwohl sie ihn schüttelte, stellte sie fest, dass er durch die Kraft dieses Gebetes unversehrt war.

Mit schnellen Schritten eilte sie in die Küche, im Vertrauen darauf, dass die Kraft des Gebetes ihr auch den vergossenen Wein zurückgeben könnte, wie ja auch der zerbrochene Becher wieder heil wurde. Sie fand das Fass, das bis vor kurzem noch bis über die Hälfte geleert war, jetzt so voll von Wein, dass er, weil er gor wie neuer Wein, zwischen den Dauben hindurchtropfte. Tatsächlich war es neuer Wein, den Gott gerade geschaffen hatte, auf dass dem demütigen Antonius Scham und Bedauern erspart blieben, und um mit seinem so außergewöhnlichen Wunder die Macht seines Gebetes offenkundig erscheinen zu lassen.“

Nah am Menschen

Ähnlich wie beim Weinwunder Jesu während der Hochzeit zu Kana mag man sich auch hier fragen, ob es denn nichts Wesentlicheres, Existenzielleres gab als ein zerbrochenes Glas wieder herzustellen und ein ausgelaufenes Fass Wein wieder zu füllen…. Doch vielleicht sind es gerade solch „volkstümliche“ Wunder, die zeigen, wie nahe auch Antonius an den Alltagsproblemen der Menschen dran ist, mögen sie noch so banal und unbedeutend erscheinen. Die arme Frau jedenfalls wird aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen sein – und hat bestimmt Zeit ihres Lebens von dieser wunderbaren Begebenheit erzählt. Damit wurde sie letztlich selbst zur Zeugin für das, was geschehen kann, wenn Gott wirken darf; und sie blieb Zeugin dafür, selbst dann noch, als Antonius längst weiter gezogen war. So darf man davon ausgehen, dass sein Leben an vielen Orten Spuren hinterlassen hat – dass er gesät hat, was nach und nach gewachsen ist.

Über das Eigene hinaus

Kann es einen schöneren „Beweis“ für die Wirksamkeit der Mission eines Menschen geben? Und ist nicht Wirksamkeit, ist nicht das Gefühl, etwas geschaffen und hinterlassen zu haben, letztlich auch ein Garant für das Glück?

Freilich: Ganz bestimmt hat der hl. Antonius nicht immer sofort Glück und Zufriedenheit verspürt. Er wird auch mit den ganz normalen Herausforderungen des Lebens zu kämpfen gehabt haben. Doch der Blick auf seine Biografie von heute aus kann dazu ermutigen, das Glück nicht immer nur dort zu suchen, wo man selbst es vermutet, sondern sich auch von anderen und für andere in Dienst nehmen zu lassen – und dabei zu entdecken, welche Fülle möglich ist, wenn man sich auf das Leben einlässt.

Zuletzt aktualisiert: 11. März 2024
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