Antonius-Biografie Assidua: Auf ein Neues mit Antonius!

Nachdem uns die Biografie Rigaldina in den letzten Monaten vertraut geworden ist, widmen wir uns nun der ersten und noch bekannteren Lebensbeschreibung des heiligen Antonius, der Assidua.
13. Dezember 2016 | von

Mit dem heiligen Franziskus, seinen Idealen und seiner Biografie bin ich einigermaßen vertraut. Mehrere Dutzend Male habe ich seinen Lebenslauf schon ausführlich mit Schulklassen durchgesprochen, unzählig oft im Zeitraffer von seinen wilden Jugendjahren über die Bekehrung bis hin zum Tod bei Klosterführungen erzählt. Und interessant wird es immer da, wo man merkt, dass die Zuhörer/innen sich an irgendeiner Stelle in seinem Lebenslauf wiederfinden. Ein Schüler findet es vielleicht gerade „cool“, wenn dieser Heilige in seinen Jugendjahren alles Mögliche im Kopf hat, wohl nur nicht die Kirche. Ein anderer knüpft dort an, wo sich Franziskus in Kriegsgefangenschaft befindet und nicht mehr weiß, ob und wie es mit seinem Leben weitergeht. Wo die Aussätzigen schließlich ins Spiel kommen, denken nicht wenige an eigene Krankheiten oder Sorgen, die sie von anderen durchtragen müssen. – Der Lebensweg des heiligen Franz von Assisi lädt ein, sich selbst darin zu entdecken und vielleicht von ihm her etwas zu lernen.

 

Dünne Quellenlage

Mit dem heiligen Antonius geht es mir ein bisschen anders. Mittlerweile kann ich freilich von den wichtigen Stationen seines Lebens berichten, kann wohl auch so einige Grundzüge seines Denkens zusammenfassen. Doch er ist mir längst nicht so vertraut wie der Gründer meiner Ordensgemeinschaft. Das mag in der Natur der Sache liegen – der Gründer muss wohl geradezu bekannter sein, und es ist vielleicht auch darin begründet, dass vom heiligen Antonius schlicht und ergreifend weniger biografische Quellentexte vorliegen als vom heiligen Franziskus. In den vergangenen eineinhalb Jahren haben wir hier an dieser Stelle eine Übersetzung der Biografie Rigaldina veröffentlicht – ein Text, der bis dato noch nicht in deutscher Sprache vorlag. So manches Mal waren wir in der Redaktion überrascht, welche Antonius-Geschichten wir noch nicht kannten, weil wir sie hier bei Jean Rigaud, dem französischen Verfasser, zum ersten Mal lasen. Anderes war dann hingegen schon gut bekannt, nicht zuletzt dank der berühmteren Übersetzung Assidua, der wir uns nun mit dieser Ausgabe für die nächsten Monate in einer neuen sprachlichen Übertragung widmen. 

 

Unbekannter Verfasser

Bereits elf Monate nach seinem Tod wird Antonius am 30. Mai 1232 von Papst Gregor IX. auf Drängen der Gläubigen heiliggesprochen. Zu diesem Anlass erscheint eine erste ausführliche Biografie – die Assidua. Dass diese nicht mit dem Namen des Autors tradiert wird, weist schon darauf hin: Er ist uns nicht bekannt. Sicher ist nur, dass es sich um einen Minderbruder handelt, der sich von seinen Mitbrüdern hat drängen lassen, Leben und Wirken des Heiligen niederzuschreiben. Beharrlich hat man ihn gebeten, diese Aufgabe zu übernehmen, wie er in seiner Einleitung schreibt – und so hat man in den Folgejahren diese Biografie nach dem lateinischen Anfangswort „Assidua“ tituliert. 

Vergilio Gamboso, wohl einer der profundesten Kenner des heiligen Antonius, schreibt über den Verfasser: „Die Bildung, die Frömmigkeit, die tiefe Bindung an die franziskanische Familie sowie der Respekt dem Klerus gegenüber und die Achtung, die er dem Bischof von Padua entgegenbrachte, führen zu der Annahme, dass er zunächst zwar dem Klerus angehörte, aber erst in reiferen Jahren in die franziskanische Familie aufgenommen wurde. Er ist ohne Zweifel ein belesener Mensch und vertraut mit Kenntnissen über die Heiligen seiner Epoche.“

 

Schmucklos der Wahrheit verpflichtet

Ob der Verfasser selbst dieser lobenden Einschätzung zustimmen würde, darf zumindest in Frage gestellt werden, schreibt er doch in der Einleitung seiner Biografie: „Und auch wenn ich mir bewusst bin, für eine solch große Aufgabe nur unzureichend gerüstet zu sein, schweige ich dennoch nicht, weil ich hoffe, dass er, der die Absichten des Herzens kennt, mir helfen wird, meinen Vorsatz zu erfüllen.“ Mit „knappen Worten und in einem schmucklosen Stil“ will er sich an seine Leser wenden, um sie – entlang des Beispiels des großen Antonius – selbst zu guten Früchten in ihrem Leben zu ermutigen. 

In seinem Unternehmen will er sich von der Wahrheit leiten lassen. Es geht ihm also um mehr als „nur“ das Aufschreiben von legendenhaften Erzählungen. Er steht durchaus vor dem Anspruch, historisch Überprüfbares zu notieren, auch wenn er, wie er zugibt, vieles nicht mit eigenen Augen gesehen hat, was Eingang in die Biografie fand. Und dann hat er ausreichend Selbstbewusstsein, sich mit den Evangelisten Markus und Lukas zu vergleichen, die sich für ihre Texte auch auf Quellen und Zeugen stützen mussten. Für die Assidua greift der Verfasser also auf Aussagen des „Herrn Sugerio, des Bischofs von Lissabon“ und „anderer katholischen Personen“ zurück, sowie auf die Prozessakten des Heiligsprechungsprozesses. 

 

Leben und Wunder

Gegliedert ist das Werk in zwei Teile. Im ersten, dem kürzeren Abschnitt, berichtet der Verfasser in chronologischer Reihenfolge aus dem Leben des heiligen Antonius. Der zweite Teil beginnt mit einer ausführlichen Schilderung der turbulenten Umstände des Leichenzugs nach Padua und der Beisetzung des Volksheiligen. Und schließlich werden, unter prägnanten Überschriften wie „Die Gelähmten“, „Die Buckligen“ oder „Die vom Fieber Geheilten“, die Wunder des heiligen Antonius zusammengefasst. 

Viele später entstandene Biografien haben Themen der Assidua aufgegriffen, und nicht zuletzt die Künstler finden in ihr eine Fülle an Bildern und Wunderberichten, die zur Grundlage vieler Darstellungen des heiligen Antonius geworden sind. 

Aktualisierung fürs Heute

Und was „bringt“ es dem Leser heute, einen fast 800 Jahre alten Text zu lesen, der bisweilen etwas altbacken und sprachlich antiquiert erscheint? Vielleicht zunächst die Auffrischung eines Wissens über den heiligen Antonius. Und das ist schon ein Wert an sich, denn: Nur wer erinnert wird, bleibt lebendig. 

Die Lebendigkeit einer Heiligenbiografie wird aber da noch einmal erhöht, wo es mir gelingt – wie eingangs im Blick auf den heiligen Franziskus konstatiert –, mich in dieser Biografie selbst zu verortschaften. Ein willkommener Anknüpfungspunkt ist für mich da, wo Antonius eine erste Lebensentscheidung – Augustiner-Chorherr zu werden – revidiert, um seiner Sehnsucht zu folgen: ein Martyrium in Marokko. Doch diese Sehnsucht wird nicht erfüllt, sondern sie scheitert kläglich und führt schließlich zu einem Stranden in einem fernen Land. Von Sizilien aus geht es zum Generalkapitel nach Assisi, wo Antonius bei der Verteilung der Aufgaben übrig bleibt. Niemand kann den unbekannten Ausländer gebrauchen. Man schickt ihn schließlich in eine Einsiedelei, und als man einmal niemand anderes mehr hat, springt er als Prediger ein – und wird „entdeckt“, seine „Karriere“ beginnt. Mir führt diese Laufbahn vor Augen, wie verschlungen die Wege eines Lebens manchmal sind – und was auch dort noch entstehen kann, wo man vielleicht schon ein Scheitern vermuten musste. 

Mit einer solchen Brille habe ich mir vorgenommen, die Assidua nun zu lesen. Und je mehr und länger ich mich mit dem heiligen Antonius beschäftige, desto mehr empfinde ich auch Bewunderung dafür, wie ein vor knapp 800 Jahren verstorbener Mann heute noch unzählige Menschen auf der ganzen Welt in seinen Bann zieht, sie tröstet und heilt und sie ermutigt zu einem ernsthafteren Bemühen in ihrer Christusnachfolge. Das ist wohl aller Mühe wert.

Zuletzt aktualisiert: 13. Dezember 2016
Kommentar