Aschermittwoch der Künstler

10. Februar 2018 | von

„Bedenke Mensch, dass du Staub bist und zum Staub zurückkehren wirst.“ – Daran werden wir am Aschermittwoch erinnert. Unser Artikel wirft einen Blick auf einen besonderen Gottesdienst, den „Aschermittwoch der Künstler“.

Aschermittwoch. Nach dem Trubel und der Ausgelassenheit der Faschingstage lädt uns dieser Tag dazu ein, in Stille in uns hineinzuhorchen und uns wieder neu zu orientieren. Dieser liturgisch bedeutsame Tag wird in vielen Diözesen verknüpft mit einem bemerkenswerten Ritual: dem Aschermittwoch der Künstler.
Bemerkenswert an diesem Ritual ist zum einen, dass es kirchengeschichtlich betrachtet sehr jung ist. Aus einer Feier für verstorbene Künstler am Aschermittwoch im Jahre 1914 entwickelte sich ab 1945 der Künstleraschermittwoch in seiner heutigen Form. 1950 wurde er dann in Köln auf Initiative von Kardinal Frings erstmals in Deutschland begangen und hat mittlerweile seinen festen Platz in zahlreichen Bistümern beider Konfessionen. 
Kirche und Kunst
Noch interessanter aber ist die Tatsache, dass den Künstlern als einziger Berufsgruppe ein eigener Tag gewidmet wird. Wieso wird aber gerade dieser Gruppe an einem liturgisch so bedeutsamen Tag eine Sonderstellung zuteil? Um diese Frage beantworten zu können, ist es hilfreich, über das Verhältnis der Kirche zur Kunst nachzudenken. Betrachtet man die lange Geschichte von Religion und Kunst, so gibt es zahlreiche herausragende Momente der gegenseitigen Befruchtung. Michelangelos römische Pietà, Bachs Oratorien und ungezählte zahlreiche weitere Bilder, Statuen und Kompositionen, die überall in den Kirchen dieser Welt zuhause sind, geben ein beeindruckendes Zeugnis davon. Diese zahlreichen bekannten und unbekannten Werke prägten und prägen bis heute unseren Zugang zu dem Geheimnis unseres Glaubens. Die Kunst mit ihren Möglichkeiten tritt hier als Vermittlerin zwischen den Sphären auf und beeinflusst damit immer wieder aufs Neue unsere Vorstellungen von dem eigentlich Unvorstellbaren. So bezeichnete bereits Goethe die Kunst als „Vermittlerin des Unaussprechlichen.“

Künstler prägen Glaubensvorstellungen
Auch mein eigenes erstes Gottesbild in meiner Kindheit wurde durch die Kunst in Form des großen Deckengemäldes in meiner Heimatkirche geprägt. Gottvater wird hier als ein wolkenreitender alter Mann mit Bart dargestellt. Diese Darstellung übte eine große Faszination auf mich aus und regte meine Phantasie an. Gott war einerseits auf seiner Wolke fern und allmächtig, aber zugleich mit seinem großväterlichen weißen Bart eine vertrauenswürdige Instanz, an die ich mich immer wenden konnte. Das Gemälde in der Kirche bestimmte so in einem großen Maße mein persönliches Gottesbild und mit diesem auch in entscheidender Weise mein Gottesverhältnis.
In dieser Möglichkeit der Kunst, uns das so Ferne und nicht Vorstellbare näherzubringen, liegt gleichzeitig aber auch eine große Gefahr. Indem der Künstler sein Bild oder seine Komposition auf eine bestimmte Art und Weise gestaltet, nimmt er Einfluss auf unsere Vorstellungen und unsere religiöse Biografie. Diese Möglichkeit der Beeinflussung kann auch missbraucht werden, was auch immer wieder geschah. So wurden im Mittelalter und in der Neuzeit durch grausame und plastische Darstellungen des Fegefeuers der Gedanke des strafenden Gottes oftmals einseitig in den Vordergrund gedrängt, ohne dass die Barmherzigkeit Gottes zur Geltung kam. 

Über Bilder zu Gott
Dieser Gefahr der Begrenzung Gottes durch einseitige Darstellungen wurde bereits im Alten Testament im Dekalog in Form des Bilderverbots Rechnung getragen. Dieses im Judentum und Islam streng ausgelegte Verbot mit der Vermeidung jeglicher Darstellung wird im Christentum in der Art und Weise interpretiert, dass wir nicht das materielle Bild verehren sollen, sondern vielmehr unsere Verehrung auf das dargestellte Urbild beziehen. Der Künstler als Schöpfer eines Werkes hat somit in der Kirche eine nicht zu unterschätzende Aufgabe, indem er uns mit seiner Kunst einen kleinen Funken des Urbildes nahebringen kann. Trotz dieser wichtigen Funktion darf er sich aber nicht selbst als einen zweiten Schöpfer betrachten, der mit seinem Werk Antwort auf die letzten Fragen geben kann. Er sollte sich stattdessen immer wieder neu bewusst machen, dass die Stärke der Kunst nicht in verbindlichen Antworten liegt, sondern vielmehr in einer Ästhetik des Suchens und Fragens. Kunst und Religion verbindet deshalb, dass sie beide immer wieder neu dazu auffordern, unsere eigenen, starr gewordenen Bilder, in die wir Gott und die Menschen zwängen wollen, aufzubrechen. 
Der Aschermittwoch der Künstler ist somit nicht nur ein Ritual für die kleine Berufsgruppe der Kreativen unter uns. Er lädt vielmehr alle Glaubenden und Suchenden dazu ein, in sich zu gehen und die eigenen engen Bilder in ihrer Begrenztheit durch die Begegnung mit der Größe Gottes zu überwinden und neu zu gestalten. Eingeladen zu diesem Prozess werden wir durch das Bild des Aschekreuzes: „Bedenke Mensch, dass du Staub bist und zum Staub zurückkehren wirst.“

Zuletzt aktualisiert: 10. Februar 2018
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