Astronomie und Glauben

01. März 2017 | von

Unser „Thema des Monats“ wird himmlisch: Wir wagen einen Blick in die Sterne. Unser Autor sucht die Verbindung zwischen Astronomie und Glaube.

Wenn man in einer sternklaren Nacht zum Himmel schaut, dann kann sich kaum ein Mensch seiner Faszination entziehen. Seit der Mensch mit seiner Kultur nachweisbar ist, blickt er an den Sternenhimmel. Die ersten sicheren Spuren der Astronomie finden wir über 7.000 Jahre zurückliegend in der Steinzeit. Gleichzeitig ist die Beschäftigung mit den Sternen für den Menschen mit dem Transzendenten verbunden. Das ist nicht verwunderlich, denn die Sonne, der Mond und die Sterne sind dem Einfluss des Menschen entzogen. Vielmehr gibt es eine direkte Einflussnahme durch die Sonne und ihre Energie, die sie zur Erde schickt. Der Mond verändert sein Aussehen ständig mit seinen Phasen und durcheilt den Nachthimmel innerhalb von 29 Tagen. Die fest stehenden Sterne gaben den Planeten den sicheren Hintergrund für ihre Bewegung am Himmel. Was hatte es mit diesen ganzen Erscheinungen auf sich, die sich über den Köpfen der Menschen abspielten? So entstand mit der As-
tronomie auch die Verbindung mit der Religiosität des Menschen.

Sterne in der Bibel
Für Juden wie Christen ist die Bibel das zentrale Dokument ihres Glaubens. Sterne sind nach ihr Dinge der geschaffenen Welt. Sie klärt den Zusammenhang zwischen den beobachtbaren Körpern am Himmel schon auf der erste Seite im ersten Schöpfungsbericht: Gott ist es, der die beiden großen Leuchten am Himmel machte. Sie werden gar nicht namentlich als Sonne und Mond erwähnt, sondern mit den Worten „das größere, das über den Tag herrscht, das kleinere, das über die Nacht herrscht“ als Gottes Geschöpfe erklärt. Waren die Himmelskörper Götter in der Umgebung Israels, so werden sie in der Bibel säkularisiert. Dazu passt auch die Erschaffung der Sterne, die wie in einem Nachsatz daherkommt: ach ja, „auch die Sterne“ hat Gott geschaffen (vgl. Gen 1,16). Sie sind geschaffen zum Lobe Gottes und um den Menschen bei der Einteilung des Tages, der Monate und des Jahres zu dienen. 

Himmelskörper als Zeichen
Es gibt auch eine prophetische Seite, die sich an Sonne, Mond und Sternen ablesen lässt. Es ist eine, die inmitten von Not und Kriegen als Vorboten des „Tages des Herrn“ gedeutet wird: Die Sonne wird sich in Finsternis wandeln und der Mond in Blut (Joel 3,4) und die Sterne werden vom Himmel fallen. In der ganzen Schöpfung, auch an der geschaffenen Welt am Himmel, lässt sich erkennen, dass das Eingreifen Gottes für sein Volk, für die Armen und Benachteiligten, unmittelbar bevorsteht. In allem Unheil und in allen Zeichen der Not und Zerstörung sind sie Anzeichen des bevorstehenden Heiles, das Gott für sein Volk schaffen will. 
Im Neuen Testament beginnt das Matthäusevangelium mit den Sterndeutern aus dem Osten, die den Stern des neugeborenen Königs im Osten aufgehen sahen und ihm folgten, um das Kind in der Krippe zu finden. Durch ihre Wissenschaft finden sie den wahren König. Die Deutung der Sterne wird allerdings in der Bibel immer wieder kritisiert und deutlich abgelehnt: Nur Gott hat Macht über uns Menschen und er will das Heil seiner ganzen Schöpfung. 

Astronomie und Zeitbestimmung
Der Mond, die Sonne und die Sterne wurden schon in der Steinzeit genutzt, um das Jahr in seinem Lauf einzuteilen und auch die Zeiten für Aussaat und Ernte zu bestimmen. Prominentestes Beispiel ist die Himmelsscheibe von Nebra in Deutschland. Aber auch die Ägypter brachten den morgendlichen Aufgang des 
Sirius in einen direkten Zusammenhang mit der jährlichen Nilüberschwemmung, die das Land fruchtbar machte. Dabei war der Unterschied zwischen Sonnenjahr, Mondjahr und Sternjahr in vielen alten Kulturen bekannt. Tempelanlagen und astronomische Observatorien waren meist eine Einheit und untrennbar miteinander verbunden.
Die Astronomie übernahm in der christlichen Zeit die eindeutige Bestimmung des Jahreslaufes ausgehend vom Osterfest durch Berechnung bzw. Beobachtung des gestirnten Himmels. Seit dem sechsten Jahrhundert gilt die Regel für die Bestimmung des Ostertermins: Es ist der erste Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond. Fällt dieser auf einen Sonntag, ist der Ostersonntag der darauf folgende Sonntag. Wann genau nun Ostern ist, wird seither durch astronomische Berechnungen und Beobachtungen bestimmt. Mit Ostern als Dreh- und Angelpunkt waren alle weiteren wichtigen Feste des Jahres festgelegt.
Allerdings hatte man schon im Mittelalter festgestellt, dass der benutzte Julianische Kalender dem Lauf der Sonne und der Gestirne nicht genau entsprach. Das Jahr war zu kurz und die Sonnenwenden verschoben sich merklich. Es brauchte mehrere Anläufe, bis Papst Gregor XIII. im Jahre 1582 einen neuen Kalender einführte, den wir auch heute noch benutzen.

Sterne als Uhr-Ersatz
Aber nicht nur bei der Einteilung des Jahres war die Astronomie wichtig. Auch am Tage und in der Nacht wollte man über die rechten Zeiten für den Gottesdienst Bescheid wissen. Dies ging zum einen durch Beobachtung der Sonne und ihrer Südstellung, womit die Tagesmitte festgelegt war. Sonnenuhren zeigten schon im alten Ägypten auch die anderen Stunden des Tages sehr exakt an. Das einzige Problem bei Sonnenuhren war, dass dazu eine von Wolken freie Sonne benötigt wurde. Ähnlich war es bei der Beobachtung der Sterne in der Nacht, um die Zeit der Vigilien (Nachtwachen) zu bestimmen. Als Hilfe für Schlechtwetter-
phasen gab es seit dem Altertum einfache Uhren, wie Sand- oder Wasseruhren, die bei nächster Gelegenheit an der Sonne oder an den Sternen wieder geeicht wurden.

Astronomie und christlicher Glaube
Nach Bischof Athanasius (295-373) ist die Beschäftigung mit der Natur und dem Wissen über sie unerlässlich für den glaubenden Menschen, da sich Gott in seiner Schöpfung selbst offenbart. Damit kann der Mensch über das Studium der Natur zu tieferen Erkenntnissen über Gott gelangen, wenn er sich auch direkten Beweisen entzieht. Auch für Thomas von Aquin (1225-1274) ist es klar, dass ein Irrtum über die Geschöpfe den Menschen von Gott weg führt, weil es dazu kommen kann, die Schöpfung falschen Ursachen unterzuordnen. Naturwissenschaft und Glaube stehen also nicht als Gegensatzpaare da, sondern sind vielmehr aufeinander bezogen und befruchten sich gegenseitig. Der Glaube braucht die vernünftige Einsicht der Naturwissenschaft und die Wissenschaft erlangt ihre tiefere Bedeutung durch den Glauben. 
Die astronomischen Schriften des Altertums kamen entweder direkt aus der Antike ins Mittelalter oder sind im Kontakt mit der arabischen Welt wieder nach Europa gelangt. Der Almagest von Ptolomäus entwickelte sich zu dem astronomischen Standardwerk im Mittelalter schlechthin. Das geozentrische Weltbild dominierte, wenn auch die Möglichkeit des heliozentrischen Systems schon im Altertum bekannt war. Und um 400 v. Chr. erklärte Hekataios bereits, warum die Erde eine Kugel sei.

Gläubige Forscher
Für viele Astronomen war der Glaube eine wichtige Triebfeder für die Beschäftigung mit ihrer Wissenschaft. Gerade die 
Astronomen der Renaissance lernten die Grundlagen der Astronomie im Studium der Philosophie begleitend zur Theologie. Drei Beispiele mögen dies illustrieren. Nicolaus Copernicus war Domherr zu Danzig und fand keinen Widerspruch zu seinem Glauben bei der Abfassung von „De Revolutionibus“, das die Sonne in das Zentrum der sich bewegenden Erde und der anderen Planeten rückte. Er hatte Astronomie in seinen theologisch-philosophischen Grundstudien erlernt und widmete sein Buch dem damaligen Papst Paul III. 
Johannes Kepler, der auch Theologie studiert hatte, empfand seine Beschäftigung mit der Astronomie als priesterliche Arbeit im Hinblick auf das Buch der Natur, das Gott den Menschen in der Schöpfung geschenkt hatte. Der Schöpfer wird durch die Astronomen und ihre Bemühungen gefeiert. Und selbst Galileo Galilei (das Urteil gegen ihn wurde 1992 leider viel zu spät aufgehoben) war bis zum Ende seines Lebens ein gläubiger Katholik. Erst im 19. Jahrhundert wurde ein künstlicher Gegensatz von Wissenschaft und Glaube konstruiert, um sich von Seiten der Naturwissenschaft her unabhängiger von den Repräsentanten des Glaubens und ihren Einflüssen zu machen. 

Vatikanische Sternwarte
Die Vatikanische Sternwarte wurde schon Mitte des sechzehnten Jahrhunderts gegründet, um für die anstehende Kalenderreform verlässliche astronomische Beobachtungen und Forschungen machen zu können. Heute steht das Vatikan-Observatorium auf dem Mt. Graham (USA, Arizona). Mit dem vatikanischen High Tech-Teleskop (VATT) haben die Astronomen nun ein Teles-
kop mit knapp zwei Metern Öffnung und modernster Aufnahmetechnik zur Verfügung. Guy Consolmagno SJ schreibt über seine Betätigung als Astronom: „Gute Wissenschaft ist ein religiöser Akt. Die Suche nach der Wahrheit ist das gleiche wie die Suche nach Gott. Wenn Gott akzeptiert wird als der Schöpfer des physikalischen Universums, dann folgt daraus direkt, dass das Studium der Schöpfung ein Weg der Verehrung Gottes ist.“

Berührungspunkte mit dem Glauben
Die Astrophysik sieht den Beginn des Weltalls, ausgehend von einem kleinsten Punkt, vor etwa 13,7 Milliarden Jahren. Jenseits der naturwissenschaftlichen Rätsel zur Entwicklung des Kosmos, die innerhalb der astronomischen Forschung bearbeitet werden müssen, ergibt sich die Frage, ob wir es hier nicht mit einer naturwissenschaftlichen Konkurrenz zur Genesis der Bibel zu tun haben. Braucht es mit dem Urknall überhaupt noch einen Schöpfergott? Oder erklärt sich das Universum aus sich selbst?
All die Konzepte, die von naturwissenschaftlicher Seite vorgelegt werden, sind grundsätzlich und notwendig auf physikalische Annahmen angewiesen, wie einer Energie, einer Quantenfunktion, einem Verhalten der Raum-Zeit. Etwas anderes ist der Übergang von einem „Nichts“ zu „Etwas“. Für eine sinnvolle Astronomie muss immer schon etwas da sein. Woher dieses „Etwas“ kommt, unterliegt jedoch einer philosophischen oder theologischen Deutung. 

Gott nicht als Lückenbüßer
Allerdings sei hier vor einem naiven Schöpfungsbegriff gewarnt! Gott darf nicht der Lückenbüßer für eine Naturwissenschaft sein, die noch nicht alle Probleme gelöst hat. Ein Hinweis ergibt sich aus dem Text der hebräischen Bibel. Sie spricht im ersten Schöpfungsbericht vom Handeln Gottes mit dem Wort „bara“. Es ist ein Wort, das nur von Gott ausgesagt wird. Seine Schöpfertätigkeit ist ohne Parallele. Indem Gott spricht, ruft er alles ins Dasein. Gott muss als Schöpfer vor aller Schöpfung sein. Das ist nicht nur zeitlich zu verstehen, sondern vor allem von seinem Sein her. Selbst wenn das Universum „ewig“ wäre, ohne zeitlichen Anfang, bedarf es des Schöpfungsaktes durch Gott. „Schöpfung bedeutet radikale Abhängigkeit von Gott als Urheber des Seins“, schreibt George V. Coyne.
Der mit den heutigen Teleskopen überschaubare Kosmos ist etwa 13 Milliarden Lichtjahre groß. Aus den Modellen der Astronomen ergibt sich eine Größe des gesamten Kosmos von etwa 50 Milliarden Lichtjahren oder mehr, den wir aber aufgrund der endlichen Lichtgeschwindigkeit nicht in Gänze beobachten können. Hinzu kommen noch Dunkle Materie und die sogenannte Dunkle Energie, die von den Astronomen gefordert werden, damit die Physik des Kosmos funktioniert. Insgesamt sind nur 5% der Materie und Energie im Universums sichtbar! – Wozu also ein solch großes, leeres und noch zu weiten Teilen unsichtbares Weltall?
Die Größe und Weite des Weltalls erzählt mir etwas von der Größe und Großzügigkeit Gottes. Gott liebt das Große, Weite und einen schier unendlichen Überfluss! Gott ist größer als seine Schöpfung, aber wie groß muss er angesichts dieser Dimensionen sein? Gott kann nicht von uns „begriffen“ werden, denn sonst wäre er ein Götze, den wir Menschen uns gemacht haben. Er ist der je Andere, je Fremde, Unbegreifliche und auch der zuweilen Erschreckende. Und doch ist er in Jesus Christus Mensch geworden und zeigt uns in ihm seine Nähe, sein liebendes Dasein für seine Schöpfung. Ein tiefes und unfassbares Geheimnis.

Hilfe auf dem Weg zu Gott
Die Astronomie berichtet uns von einem entwickelnden Kosmos, seinen Gesetzen und seiner Geschichte. Darüber hinaus zeigen astronomische Bilder die atemberaubende Schönheit des Kosmos. Sie erzählt in ihrer mathematischen Sprache von demjenigen, der sie geschaffen hat: einem vernünftigen Schöpfer, der Anfang und Ziel seiner Schöpfung ist. Die Hoffnung auf einen Gott, der die Vollendung seiner Schöpfung in seine Liebe hinein will, ist keine Sache der Naturwissenschaft. Diese Hoffnung ist aber sehr wohl gut und vernünftig mit unserem naturwissenschaftlichen Wissen zu vereinbaren. Die Astronomie kann uns helfen auf unserem Weg zu Gott, von ihm nicht zu klein zu glauben, sondern viel mehr katholisch-allumfassend. Und sie zeigt uns gleichzeitig unsere Kleinheit und Größe in diesem Kosmos.

 

Zuletzt aktualisiert: 01. März 2017
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