Der Hund an der Kette

25. November 2014 | von

Papst Franziskus spricht oft vom „diavolo“, nicht so der 48-jährige Padre Mario, obgleich seine Arbeitsplatzbeschreibung dies nahelegt: ufficiatore della basilica, esorcista, also Seelsorgsdienste in der Antontoniusbasilika und Exorzismusbeauftragter des Diözesanbischofs von Padua, was er sich nicht ausgesucht hat. Auf Anfrage der Redaktion gibt er Einblicke, die sich nicht mit den Szenen aus einschlägigen Filmen decken.



Am 30. Oktober kommentierte Papst Franziskus bei der Messfeier in Santa Marta die Tageslesung (Epheserbrief 6,10-20): „Zieht die Rüstung Gottes an, damit ihr den listigen Anschlägen des Teufels widerstehen könnt.“ Seine klaren Worte waren für mich als Priester und Exorzisten Grund zu großer Freude und Ermutigung.



DEUTLICHE WORTE DES PAPSTES

Originalton Papst Franziskus: „Diese Generation und viele andere wollen uns glauben machen, der Teufel sei ein Mythos, eine Figur, eine Idee, die Idee des Bösen. Doch der Teufel existiert und wir müssen gegen ihn kämpfen. Das sagt Paulus, das sage nicht ich! Das Wort Gottes sagt es. Aber wir sind nicht besonders überzeugt davon. Paulus beschreibt die Waffenrüstung im Einzelnen und sagt: Seid standhaft! Gürtet euch mit der Wahrheit. Sie gehört zur Waffenrüstung Gottes: die Wahrheit.” Der Teufel ist kein Mythos. Er muss mit der Waffe der Wahrheit bekämpft werden. Das Leben des Christen ist ein Kampf. Dazu sind wir aufgerufen. Ohne Furcht, weil mit der Gewissheit, auf der Seite Dessen zu stehen, der bereits gesiegt hat: Jesus, der Herr, der König der Könige. Dies bedeutet für uns: bewusst als Christen zu leben, als Pilger auf dieser Erde, im Kampf gegen „die Fürsten und Gewalten“, gegen den Teufel und die Seinen.

Daraus erklärt sich, warum die Kirche immer schon Priester beauftragt hat, jene Gewalt auszuüben, die Jesus als Erster angewendet hat: Dämonen auszutreiben. All dies sollte unbestritten sein. Nur, so der Papst, „sind wir nicht besonders überzeugt davon“, dass es den Teufel gibt. Doch in der Situation, in der wir uns befinden, und in welcher der Mensch sich immer befunden hat, brauchen wir Antworten auf die vielfältigen Fragen, die das Leben uns stellt.



WER BRAUCHT EINEN EXORZISTEN?

Verstand, Fortschritt, Technologie reichen nicht, die Sehnsucht zu stillen nach dem Himmel, nach dem Heiligen, nach dem Göttlichen, die der Mensch in sich trägt. Letztlich können wir nicht bestehen ohne Gott. Und sobald wir uns herausnehmen, ihn durch irgendetwas zu ersetzen, enden wir im Unheil. Mit Hilfe des Heiligen Geistes will ich nun auf die Fragen der Sendboten-Redaktion eingehen.



Wer wendet sich an einen Exorzisten, die betroffene Person selber oder Verwandte und Freunde? Im Allgemeinen gilt: Wer sich selbst an einen Exorzisten wendet, der braucht keinen Exorzisten. Viel häufiger kommt es vor, dass Verwandte oder Freunde jemanden zum Exorzisten begleiten, weil sie merken, dass etwas in dessen Leben nicht stimmt, weil es aus psychologischer, psychiatrischer und medizinischer Sicht unberechenbar, unerklärbar ist. Viele hilfesuchende Personen wirken „verirrt und verstört“, fragen nach einem Sinn, sind verängstigt durch Prüfungen des Lebens, das uns ja viel „Kampf“ abverlangt. Wenn wir dabei nicht die richtigen Waffen einsetzen, riskieren wir, zu unterliegen.



Welche Anzeichen lassen an eine Besessenheit denken? Da halte ich mich an die Allgemeine Einführung (Nr. 16) des Rituale für den Exorzismus. Nach bewährter Praxis gelten als Zeichen diabolischer Besessenheit: unbekannte Sprachen fließend sprechen oder sie verstehen, wenn sie gesprochen werden; verborgene oder entfernte Dinge enthüllen; Kräfte, die Alter oder physische Kondition übersteigen. Dies sind allerdings nur Hinweise und können nicht notwendigerweise als vom Dämon kommend betrachtet werden. Daher muss auf sonstige Zeichen geachtet werden, vor allem im moralischen und spirituellen Bereich, die ein diabolisches Einwirken enthüllen, etwa: starker Widerwille gegenüber Gott, der Person Jesu, der Jungfrau Maria, den Heiligen, der Kirche, dem Wort Gottes, den Sakramenten, Heiligenbildern. Wie verhalten sich diese Zeichen zum Glauben und dem geistlichen Eifer im christlichen Leben? Der Böse ist vor allem Feind Gottes. Er bekämpft alles, was die Gläubigen zum heilmachenden Wirken Gottes hinführt.



WER BEURTEILT UND ENTSCHEIDET?

Wer entscheidet, ob ein Exorzismus eingeleitet wird? Wer gibt die Erlaubnis? Wo und in welchem Ambiente findet die Zeremonie statt?
Die Entscheidung hängt ab von der moralischen Gewissheit des Exorzisten, dass es sich tatsächlich um eine Besessenheit handelt, und von der Zustimmung der Person, soweit das möglich ist. Der Ritus des Exorzismus ist ein Gebet, ist also etwas Gutes, das in einer Kirche, einer Kapelle oder einem angemessenen Ort stattfindet. Der Ablauf folgt dem Rituale. Der Priester und seine Helfer bereiten sich durch intensives Gebet vor. Es folgen Allerheiligenlitanei, Psalm, Evangelienperikope, Handauflegung, Glaubensbekenntnis, Vater unser, Kreuzzeichen, Anhauchen, Exorzismusformel, Danksagung.



Wer entscheidet, ob es sich um eine Krankheit handelt oder um einen Fall für den Exorzisten? Die Entscheidung ist das Ergebnis von Anhörung, Gebet und Urteilsvermögen. Es ist der Exorzist, der die Entscheidung trifft, gegebenenfalls nach Beratung mit Experten des geistlichen Lebens oder aus Medizin und Psychiatrie, die auch in der spirituellen Wirklichkeit kompetent sind.



Wer ist sonst noch dabei? Normalerweise ist es besser, wenn der Exorzist nicht alleine ist, sondern von Personen seines Vertrauens unterstützt wird, praktizierenden Gläubigen, die sich bewusst sind, einen Akt der Liebe gegenüber einer Person zu setzen, welche die Kirche um Hilfe bittet.



Wie muss man sich die Vorbereitung des Exorzisten vorstellen, seine Fortbildung? Gibt es dafür ein Spezialstudium, einen besonderen Kurs im Theologiestudium, ein eigenes Examen? Der Bischof fragt einen Priester, den er für geeignet hält, ob er verfügbar ist, und autorisiert ihn zur Ausübung dieses Dienstes. In meinem Fall, als Ordensmann, bin ich von meinem Provinzial präsentiert und autorisiert worden. Examina oder theologische Kurse gibt es keine. Die größte Hilfe für einen neuen Exorzisten ist das Praktikum bei einem „älteren“, was aber nicht für alle möglich ist. Ich persönlich hatte die Gnade, zwei Exorzisten mit mehrjähriger Erfahrung zu begleiten. Dann gibt es natürlich viele Bücher mit den Erfahrungen von Exorzisten und Spezialisten. Neuerdings besteht eine Internationale Exorzistenvereinigung, zu deren Zielen auch die Ausbildung der Exorzistenpriester gehört.



PERSÖNLICHE AUSWIRKUNGEN

Woran merkt man, dass eine Person geheilt wurde?
Der Prozess der Befreiung oder Heilung erfolgt schrittweise. Die besessene Person erfährt jede Feier des Ritus als große Wohltat, wie eine Medizin. Der Befreiungsvorgang dauert eine Zeitlang. Definitiv ist die Befreiung, wenn sich keine der typischen „Symptome“ einer Besessenheit mehr zeigen. In der Sprache eines Kampfes formuliert: Wer sich mit einem Exorzisten auf den Weg begibt, wählt jeden Tag seine Waffen aus, um zentimeterweise Boden zurückzugewinnen, um möglichst bald (die Zeiten kennt nur Gott) den endgültigen Sieg zu erringen über den Teufel, der ihn quält.



Wie beeinflusst das Amt des Exorzisten dein Beten, dein Leben als Christ und Ordensmann, deine Predigt, deine Art, die Menschen zu betrachten, deine Reaktionen im Beichtstuhl? Diese Aufgabe hat mein Bewusstsein dafür geschärft, wie sehr Gott, unser Herr, uns liebt, wie er alles vermag, wie nahe er uns ist, wie treu er ist und dass er seine Verheißungen einhält. Für mein Beten, mein Priestersein als Prediger, Beichtvater, Zelebrant gilt, dass es immer tiefer wurzelt in der Erfahrung eines lebendigen, konkreten Glaubens, und sich ausdrückt in einer tiefen Beziehung zu den Personen, die ich tagtäglich treffe.



Warum wurdest du für diese Aufgabe ausgewählt? Wie haben die Brüder im Konvent reagiert? Der Bischof von Padua wollte jemanden aus dem Konvent der Antoniusbasilika haben, als Verstärkung der fünf Exorzistenpriester seiner Diözese, und mein Oberer hat mich bestimmt. Den Mitbrüdern bin ich dankbar, dass sie dies akzeptieren und auch die Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen, etwa dass ich nicht immer einteilbar bin.



DER TEUFEL HAT ANGST

Was sagen deine Verwandten und Freunde dazu?
Ihre häufigste Frage ist: Hast du keine Angst? Ich antworte ihnen dann: Wieso sollte ich Angst haben? Es ist der Teufel, der Angst hat vor den Getauften! Also lassen wir ihn gar nicht glauben, dass er der Stärkere sei. Sicher, immer mit allem Respekt, denn er ist reiner Geist, viel kräftiger als wir, doch andererseits machtlos, da er von Gott gebändigt und an kurzer Leine gehalten wird. Viele Heilige haben ihn beschrieben als einen „Hund an der Kette“. Wichtig ist da nur, den nötigen Abstand einzuhalten.



Predigst du ab und zu über den Teufel? Der Papst spricht ja oft über den Teufel. Mir gefällt es nicht, oft über den Teufel zu sprechen. Es scheint mir, damit räumt man ihm eine zu große Wichtigkeit ein. Und heute besteht genau diese Gefahr. Wenigstens bei uns in Italien sind in den letzten Jahren darüber viele Bücher erschienen und viele Sendungen. Doch drücke ich mich auch nicht. Wenn Vorsicht angebracht ist bezüglich der Gefahren, in die wir geraten können, besonders die Risiken, die Jugendliche eingehen, dann werde ich deutlicher, auch auf die Gefahr hin, als „mittelalterlich“ zu gelten. Es geht nicht, dass man so denkt und lebt, als sei alles neutral und habe keine Konsequenzen; als sei alles erlaubt, und hinterlasse keinerlei Spuren in unserer Existenz und der anderer Menschen.

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016