Franziskaner-Minoriten in Down Under

25. Februar 2018 | von

Erste Station unserer neuen Reihe zu minoritischen Präsenzen weltweit ist das Lieblingsland von Br. Andreas: Australien. Autor unseres Beitrags ist Br. Jude Winkler aus den USA. In seine Zuständigkeit als Generalassistent fällt Down Under.

Die Geschichte der Franziskaner-Minoriten in Australien geht zurück auf das Jahr 1788. Am 13. Mai des Vorjahres verließ die „First Fleet“ den Hafen von Portsmouth in England, um im Januar 1788 schließlich in Botany Bay auf der Suche nach einem günstigen Siedlungsgebiet anzulegen. An Bord waren 756 Strafgefangene und mit Br. Laurent Receveur auch ein Franziskaner-Minorit, der für die Seelsorge während der Expedition verantwortlich war – und der schließlich die erste römisch-katholische Messe auf australischem Boden überhaupt feierte. Bis heute wird an dieses Ereignis jährlich erinnert.

Eine Mission von und für Immigranten
Trotz dieser Präsenz während der ersten „Entdeckung“ Aus-traliens kehrten die Franziskaner-Minoriten erst im Jahr 1954 nach Down Under zurück. Damals entschloss sich unser Orden, nach Australien zu gehen, um die Seelsorge für Immigranten aus Italien und Malta zu übernehmen. An ihrer Spitze stand ein Bruder mit größtem missionarischen Eifer, Br. Nicola Agnozzi, der später zum Bischof in Ndola in Sambia ernannt wurde. Viele der ersten Brüder kamen aus Malta, dieser kleinen Insel südlich von Sizilien, die über viele Jahre hin etliche Missionare für den Orden und die Kirche hervorgebracht hat.
Eines der Merkmale unserer Brüder in Australien ist der graue Habit, den sie tragen. Der Hintergrund: Die Franziskaner-Minoriten waren vor ihrer Aufhebung durch König Heinrich VIII. in England ursprünglich als grey friars, also „graue Brüder“ bekannt. Der heilige Franziskus hatte nämlich festgelegt, dass die Brüder Habite aus ungefärbtem Stoff zu tragen haben. Deshalb waren die ersten Ordenskleider entweder grau oder bräunlich – eben abhängig davon, welche Farbe die Wolle der Schafe in jener Gegend hatte. Später übernahmen die Brüder für ihre Habite die Farbe Schwarz; oft einfach aus dem Grund, um ähnlich wie Diözesanpriester auszusehen, wo es beispielsweise mancherorts zeitweise verboten war, einem Orden anzugehören. In jüngerer Zeit sind viele Provinzen wieder zu der ursprünglicheren Farbe Grau zurückgekehrt. Auch wenn immer noch mehr Brüder einen schwarzen Habit tragen: Vor allem in den Missionsländern hat man sich für grau entschieden. 

Der Orden in Australien heute
Einige Zeit lang waren die Brüder in Australien als „Kustodie“ ordensrechtlich direkt dem Generalminister unterstellt. Damit bezeichnet man eine überschaubare Anzahl von Brüdern in einem Land, wo man davon ausgeht, dass die Gemeinschaft wächst und bald zu einer Provinz erhoben werden kann. Diese Hoffnung hat sich so nicht erfüllt. So hat man schließlich entschieden, die Brüder als „Delegation“ zu organisieren. Damit bezeichnet man eine noch etwas kleinere Anzahl von Brüdern, die dann als Delegation direkt einer anderen Ordensprovinz unterstehen. Im Fall von Australien ist das die Provinz des hl. Bonaventura in den USA (Chicago).  
Konkret gehören zu dieser Delegation aktuell 16 Brüder mit ganz unterschiedlichen Herkunftsländern: Australien, USA, 
Vietnam, Philippinen, Korea, Malta und Indien. Sie leben in vier Klöstern im Ostteil des Landes: zwei Gemeinschaften befinden sich in der Gegend um Sydney, zwei in der Erzdiözese Melbourne.
    
Haupttätigkeit: Pfarrseelsorge
Eine der Haupttätigkeiten unserer australischen Brüder ist die Pfarrseelsorge. Hier arbeiten die Brüder in der Pfarrei St. Josef in Springvale, einem Vorort von Melbourne im Bundesstaat Victoria. Die Bevölkerung in dieser Pfarrei ist sehr unterschiedlich; über zwei Drittel der Pfarreimitglieder stammen gebürtig nicht aus Australien. Die größte Gruppe bilden die Vietnamesen – ein Spiegelbild für ganz Australien: Es leben hier über eine Viertel Million Immigranten aus Vietnam. Zum Konvent gehört aber auch ein koreanischer Bruder, der die örtliche Gemeinde von koreanischen Einwanderern seelsorglich begleitet.
Eine zweite Niederlassung befindet sich nicht weit von dieser Pfarrei entfernt, nämlich in Dingley. Das Kloster dort wurde als Ausbildungshaus gegründet. Hier können Brüder leben, die gerade ihre philosophischen oder theologischen Studien zur Vorbereitung auf die Priesterweihe absolvieren. Zum Kloster gehört eine kleine Kapelle, in der die Brüder täglich die Eucharistie feiern, sowie eine größere Pfarrkirche.

Rund um Sydney
Zwei weitere Pfarreien, in denen unsere Brüder Dienst tun, befinden sich im Bundesstaat New South Wales in der Gegend um Sydney.
Eine davon befindet sich im Bistum Wollongong in der Stadt Warrawong – beides Namen, die auf die Aborigines zurückgehen. Die Pfarrei wurde unter dem Patronat des heiligen Franziskus gegründet, um für die Einwanderer aus verschiedenen europäischen Ländern da zu sein, die in der Metallindustrie dieser Gegend arbeiteten. Die zahlreichen Herkunftsländer erklären die vielen Muttergottes-Statuen in der Pfarrkirche: Jede Gruppe von Einwanderern hatte das Bedürfnis, die Muttergottes mit dem ihr bekannten Titel zu verehren. So findet man nicht nur eine Statue aus Fatima, sondern auch aus Pompeij, aus Bistrica und etlichen weiteren Marienwallfahrtsorten. So finden die Gläubigen eine Art „Schutzraum“, in dem sie auch in der Fremde ihre heimatlichen Traditionen pflegen können. 
Eine zweite Pfarrei betreuen die Brüder in Kellyville, die Pfarrei „Unsere liebe Frau vom Rosenkranz“ in der Diözese von Parramatta. Hier leben sowohl gebürtige Australier als auch Einwanderer aus Ostasien, vor allem aus Indien, Sri Lanka und den Philippinen. Zur Pfarrei gehört auch eine 2013 den „Unschuldigen Kindern“ gewidmete Wallfahrtskirche. Sie dient vorrangig als Stützpunkt für die Aktivitäten der Brüder rund um das Thema „Für das Leben“ und ihren Einsatz für das ungeborene Leben. Die relative kleine Kirche im byzantinischen Stil ist auch Gastgeberin für Einkehrtage. Auf der Außenanlage befindet sich ein Kreuzweg mit lebensgroßen Statuen. Und natürlich lädt der schöne Garten beim herrlichen australischen Wetter auch zum Picknicken ein...

Ein Minorit als Bischof
Bischof für diese Gemeinde ist derzeit Br. Vincent Van Long, der ursprünglich als einer der boat people von Vietnam nach Australien geflüchtet ist. Unser Mitbruder wurde 2011 zum Bischof geweiht. Vorher war er Kustos für die Brüder in Australien und arbeitete anschließend als Generalassistent in Rom. Er hat sich unter anderem einen Namen gemacht als starker Unterstützer der Opfer sexueller Gewalt durch Kleriker. 
    
 Aufbruch nach Vietnam
Auch wenn die Delegation unseres Ordens in Australien klein ist, haben wir es ihr zu verdanken, dass von dort aus die wichtige Mission in Vietnam begonnen wurde. Los ging es im Jahr 2004, dem 50-jährigen Jubiläum der Präsenz unserer Brüder in Australien. Br. Martin Mai gründete die erste Missionsstation in Ho Chi Minh Stadt (Saigon). Später wurde diese Niederlassung in die kalifornische Ordensprovinz eingegliedert. Mittlerweile ist die Mission in Vietnam eine wachsende Größe, die mit zwei Klöstern – das zweite befindet sich im Norden, in Van Mon, wo die Brüder für Leprakranke und Waisenkindern arbeiten – auch offizielle staatliche Anerkennung genießt. 
Zwei weitere Aufgaben der Brüder sind erwähnenswert. Br. Dominic Levac aus dem Konvent in Kellyville ist regelmäßig in einer Einsiedelei im australischen Outback zu finden. Dort gibt es mehr Kängurus als Menschen... Über seine Gebets- und Meditationserfahrung hat Br. Dominic bereits ein Buch veröffentlicht. Br. Terence Naughton hat ein anderes Apostolat übernommen: Er liest regelmäßig die Messe in lateinischer Sprache im Tridentinischen Ritus in der Diözese von Newcastle.
    

Ein Blick in die Zukunft
Wie in vielen anderen westlich orientierten Ländern auch ist die Zahl der neuen Berufungen in Australien gering. Deshalb hat der Orden versucht, die dortige Präsenz durch Brüder aus aller Welt zu verstärken. Man hofft, dass dieser Versuch einen ähnlichen Erfolg wie in Großbritannien und Irland bringt: Dort wurde die aussterbende Gemeinschaft durch Hilfe von außen „wiederbelebt“ und ist nun gesegnet mit etlichen neuen Berufungen.
Eine der großen Herausforderungen in Australien ist sicher die weite Entfernung zu anderen minoritischen Präsenzen. Auch wenn die australische Kultur der englischen und amerikanischen sehr verwandt ist, bestehen die regelmäßigeren Kontakte dann zu den geografisch näheren Ländern wie Indien, Sri Lanka, Vietnam, Indonesien und den Philippinen. Diese asiatischen Länder haben viele Berufungen und sind sogar oft auf der Suche nach Orten, wo Brüder sinnvoll eingesetzt werden können. Dass die Gläubigen unserer Pfarreien in Australien aus vielen verschiedenen Ländern kommen, ist hier ein günstiger Umstand und eine gute Gelegenheit, einen kulturellen Austausch zu pflegen – sowohl unter den Brüdern als auch unter den Menschen aus dem Volk Gottes, dem die Brüder dienen.

 

Zuletzt aktualisiert: 25. Februar 2018
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