Gemälde mit Rechtschreibfehler

15. Oktober 2017 | von

Bob Dylan bezeichnete die Mona Lisa aus dem Pariser Louvre im Jahr 1966 als „das berühmteste Stück Pappelholz der Welt“. Ob er damit dem weltberühmten Kunstwerk gerecht wird, sei dahin gestellt. Vor 500 Jahren zeigte Leonardo da Vinci sein Kunstwerk erstmals in der Öffentlichkeit.

Es ist einige Jahre her, da war ich auch angestanden: am Pariser Louvre, dem drittgrößten Museum der Welt. Und mit unzähligen anderen Menschen bin auch ich vor allem den Hinweisschildern gefolgt, um dieses eine berühmte Gemälde zu sehen. Und da hing es dann, gesichert hinter Panzerglas, die gedrängten Scharen abgehalten von roten Seilen – und ich war ein wenig enttäuscht. Die „Mona Lisa“ hatte ich mir viel größer vorgestellt. Mit Maßen von 77x53 cm ist das auf Pappelholz gemalte Ölgemälde weit kleiner als ich vermutet hatte. Und doch fasziniert es seit nunmehr 500 Jahren den Betrachter. 

 

Rätselhaftes Fotomodell

Selbst wer für Kunst wenig übrig hat, wird das Werk des berühmten italienischen Malers Leonardo da Vinci (1452-1519) ohne Probleme erkennen. Probleme bekommt eher, wer sich intensiver mit dem Kunstwerk beschäftigt, denn da gibt es viele ungeklärte Fragen. Die erste ist gleich die Frage der Entstehung. Ein exaktes Datum lässt sich nicht angeben. Von Forschern wird angenommen, dass das auf dünnes Pappelholz gemalte Werk zwischen 1503 und 1506 entstand, zu der Zeit also, da sich Leonardo in Florenz aufhielt. Sehr viel größere Uneinigkeit herrscht dann darüber, wer denn für dieses Porträt Modell gestanden hat. Die These, dass es sich hier nur um eine ideale Person handelt, die Leonardo da Vinci für die Ewigkeit festgehalten hat, findet nämlich in Forscherkreisen keine Mehrheit. 

Traditionell und begründet durch einen der ersten Kunsthistoriker, Giorgio Vasari (1511-1574), gilt die „Lisa-del-Giocondo-Theorie“. Nachdem ein Kind ohne Komplikationen zur Welt gekommen war, soll Lisas Gatte Francesco del Giocondo, ein florentiner Kaufmann, das Porträt in Auftrag gegeben haben. Diese alte These wurde in den vergangenen Jahren durch den Fund eines Eintrags eines Kanzleibeamten gestärkt. Für den Oktober 1503 ist vermerkt, dass Leonardo ein Porträt der Lisa del Giocondo angefertigt habe – ob es sich dabei freilich um die Mona Lisa handelt, ist damit weiterhin nicht zweifelsfrei bewiesen. 

Vielleicht halten sich deshalb hartnäckig weitere Theorien. Irgendwie rührig ist die „Brandani-Theorie“. Die Geliebte des Giuliano de‘ Medici, Pacifica Brandani, war noch im Kindbett verstorben. Um den Sohn Ippolito zu trösten, soll Giuliano das Gemälde in Auftrag gegeben haben. Dessen Name „La Gioconda“ kann auch mit „die Tröstende“ übersetzt werden. Dieser Name wiederum lässt an die erste hier geschilderte Theorie zurückdenken, ist es doch der Name der oben erwähnten Lisa. 

Wer auch immer sich nun hinter der geheimnisvollen Mona Lisa verbirgt, fest steht jedenfalls, dass es sich bei dem im Deutschen gebräuchlichen Titel um einen Rechtschreibfehler handelt. Das Gemälde müsste eigentlich nicht „Mona“, sondern „Monna“ Lisa heißen: „Monna“ ist nämlich die Kurzform der italienischen Anrede für eine Frau, „Madonna“. 

 

Diebstahl und Diplomatie

In den Besitz der erwähnten Familie Giocondo kam das Gemälde dann wiederum nicht. Leonardo verkaufte es kurz vor seinem Tod an König Franz I. (1494-1547). Nach verschiedenen Zwischenstationen war es schließlich Teil der Sammlung von Ludwig XIV. (1638-1715) und wurde nach der Französischen Revolution in die Sammlung des Louvre aufgenommen – bis dann Napoleon (1769-1821) auf die Idee kam, die schöne Frau in seinem Schlafzimmer aufzuhängen und sich von ihr in den Schlaf lächeln zu lassen. Zurück im Louvre geschieht am 21. August 1911 etwas Unfassbares: Der italienische Anstreicher Vincenzo Peruggia stiehlt Leonardos Meisterwerk. Über zwei Jahre lang bleibt der Raub ungeklärt und entwickelt sich für den Louvre zum handfesten Skandal. Erst als der italienische Dieb im Dezember 1913 versucht, die Mona Lisa nach Hause zu bringen, wird er in einem Hotelzimmer in Florenz samt des Gemäldes festgesetzt. Nach einer Tournee durch Italien gibt die italienische Regierung das Gemälde an den Louvre zurück.

An die Tourneen muss sich Mona Lisa allerdings gewöhnen. Ganz gegen den Willen der Museumsleitungen, die verständlicherweise ängstlich besorgt um ihren wertvollen Schatz sind, setzt die französische Regierung das weltbekannte Kunstwerk immer wieder dazu ein, diplomatische Beziehungen zu entspannen. Reisen nach Amerika, Japan und Russland standen in den letzten Jahrzehnten auf dem Programm. Die 1,6 Millionen Porträt-Betrachter während der USA-Reise hatten nach stundenlanger Wartezeit im Schnitt vier Sekunden Zeit, sich in das Lächeln der Mona Lisa zu vertiefen. 

 

Tausendfach kopiert

Wer keine Gelegenheit hat, Mona Lisa im Louvre zu betrachten (oder auf einer Tournee), kann seit 2012 im Madrider Prado eine exakte Kopie bewundern. Die war nach der Restaurierung eines anderen Bildes gefunden worden, stammt aber nicht von Leonardo selbst, sondern wohl von einem seiner Schüler, der parallel zum Meister an seinem Werk arbeitete. Ebenfalls im Jahr 2012 wurde eine weitere Mona Lisa präsentiert, die „Isleworth Mona Lisa“. Ob sie „nur“ eine Kopie ist oder doch ein Erstentwurf Leonardos, ist wiederum ungeklärt. Öffentlich zugänglich ist das Werk jedenfalls nicht, es befindet sich in Privatbesitz. Zahlreiche Reproduktionen, nicht zuletzt eingesetzt für Werbezwecke, lassen die Mona Lisa jedoch nahezu omnipräsent erscheinen – und irgendwie trotzdem noch geheimnisvoll.

 

Zuletzt aktualisiert: 15. Oktober 2017
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