Osterstreit statt Auferstehungsfreude

07. April 2023 | von

Zur Festlegung des Ostertermins bedienen sich die Ostkirchen und die westliche Christenheit unterschiedlicher Kalender und Berechnungsmethoden.

Am Anfang steht, darüber ist sich die Forschung weitgehend einig, ein Frühlingsfest, bei dem die israelitischen Nomadenstämme die Erstlinge ihrer Herden opferten. Dieses Fest wird später mit dem Auszug der israelitischen Stämme aus Ägypten in Verbindung gebracht und erinnert fortan an die Befreiung aus der ägyptischen Knechtschaft.

Bereits vor der Zeit Jesu hatte sich dieses nunmehr jüdische Passah- zu einem Wallfahrtsfest entwickelt, das man, wenn immer möglich, in Jerusalem beging. Es fand jeweils nach dem Frühjahrs-Vollmondbeginn im Monat Nissan (März/April) statt.

Während die Juden mit ihrer Passahfeier des Auszugs aus Ägypten gedachten, zelebrierten die ersten Christen an diesem Tag das Fest der Auferweckung Jesu. Beide Feste fanden nach dem ersten Frühlingsvollmond statt. Wobei zu bedenken ist, dass man vor allem in den kleinasiatischen und syrischen Christengemeinden das Osterfest stets am 14. Nissan feierte. Dieses Datum aber konnte auf jeden beliebigen Wochentag fallen. In Rom wie in fast allen westlichen Christengemeinden hingegen beging man das Osterfest am Sonntag, der auf den 14. Nissan folgte, zur Erinnerung daran, dass Jesus an einem Sonntag vom Tod erweckt wurde. Dieser Unterschied im Kalender wurde sowohl in Kleinasien als auch in Rom als störend empfunden. Als Papst Viktor I. (189-199) in Gallien, in Palästina, in Korinth und in Rom Kirchenversammlungen einberief, um die Frage des Ostertermins ein für alle Mal zu klären, sprachen sich sämtliche Synoden gegen den in den Ostkirchen gebräuchlichen Termin aus, was in der Folge zu heftigen Streitereien und gegenseitigen Verketzerungen führte. Als die östlichen Gemeinden hartnäckig an ihrem Datum festhielten, drohte ihnen der Papst gar mit Exkommunikation. Ein für die gesamte Kirche verbindlicher Beschluss kam erst 325 auf dem Ersten Konzil von Nicäa zustande. Dort einigte man sich darauf, dass das Osterfest fortan überall auf den ersten Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond anzusetzen sei.

Kalenderreform und neuer Ärger

Dass die mühsam genug erlangte Einheit gerade nur ein paar Jahrhunderte hielt, geht letztlich auf das Konto der Astronomen. Im Jahr 45 v. Chr. hatte Julius Cäsar eine Kalenderreform durchgeführt, bei der ihm allerdings einige Ungenauigkeiten unterliefen. Dies wiederum bewirkte, dass sich das Datum der Frühjahrs-Tagundnachtgleiche langsam, aber kontinuierlich nach vorne verschob. Dieser Umstand bewog Papst Gregor XIII. zu einer Überarbeitung des julianischen Kalenders, wobei er beschloss, die im Lauf der Jahrhunderte verloren gegangenen elf Tage einfach zu überspringen. So folgte damals auf den 4. Oktober 1582 unmittelbar der 15. Oktober. Derzeit weicht der gregorianische Kalender vom julianischen um 13 Tage ab; im Jahr 2100 werden es 14 Tage sein. Für den amtlichen Gebrauch hat der gregorianische Kalender heute weltweit Geltung. Im Hinblick auf den kirchlichen Festkalender – und damit auch in Bezug auf den Osterfesttermin –  gilt dies allerdings nur mit Einschränkungen.

Die Kirchen der Reformation nämlich zeigten anfänglich keinerlei Neigung, sich dem römischen Diktat zu beugen und benutzten zunächst weiterhin den alten Kalender. Der katholisch getaufte, aber protestantisch erzogene Astronom Johannes Kepler (1571-1630), der sich für die Neuregelung stark machte, hielt seinen antirömischen Glaubensgenossen vor, sie befänden sich offensichtlich lieber in Opposition zur Sonne als in Übereinstimmung mit dem Papst. Nach anfänglichen Widerständen fügten sich die Protestanten schließlich aus praktischen Gründen und auf staatlichen Druck hin der neuen Ordnung und feierten Ostern wieder, wenn auch nicht gemeinsam mit den Papisten, so doch am selben Tag.

Endgültiger Bruch?

Die altorientalischen Kirchen (Assyrer, Syrer, Kopten, Armenier, Äthiopier) waren schon seit dem 5. Jahrhundert eigene Wege gegangen. Später führte der Anspruch des Papstes auf die kirchenrechtliche Oberhoheit über das Patriarchat von Konstantinopel zu erheblichen Spannungen mit Rom. 1054 kam es zum endgültigen Bruch zwischen den „Orthodoxen“ und der Westkirche. Nachdem Byzanz (das „Zweite Rom“) 1453 unter türkische Herrschaft gefallen war, übernahm die russische Kirche die Führung im Osten. Das Patriarchat von Moskau betrachtet sich seither als das „Dritte Rom“. Im Gegensatz zu den Kirchen der Reformation steht die orthodoxe Christenheit der gregorianischen Reform nach wie vor ablehnend gegenüber und berechnet den Ostertermin weiterhin nach dem julianischen Kalender. So erinnert denn das alljährlich in Ost und West zu verschiedenen Zeiten angestimmte österliche Halleluja die Gläubigen nicht nur an die Auferweckung Jesu, sondern auch an die leidige Tatsache, dass die Christenheit nach wie vor gespalten ist. Ob (und wie) die einzelnen Kirchen sich irgendwann doch noch auf einen gemeinsamen Osterfesttermin einigen können, wagen nicht einmal die Sterndeuter vorauszusagen.

Zum Schluss sei noch an einen Osterfeststreit erinnert, der quer durch die Bekenntnisse geht. Im Vordergrund stehen dabei nicht mehr konfessionelle Unterschiede, sondern geschmackliche Vorlieben. Vor gut 20 Jahren nämlich hat das Europäische Parlament in Straßburg das Reinheitsgebot für Schokolade gekippt. Statt purer Kakaobutter ist inzwischen auch eine Beimischung von maximal fünf Prozent anderer Fette erlaubt. Genussspechte und Naschkatzen werden sich deshalb, kaum dass sie dem Osterhasen die Ohren abgebissen haben, über die Ingredienzen zanken.

Zuletzt aktualisiert: 07. April 2023
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