Wir in Österreich

18. März 2018 | von

Mit Bernard Springer OFM Conv. kennen unsere Leser/innen zumindest einen österreichischen Minoriten. Hier stellen wir seine Heimat vor. 

In sechs Jahren wird es soweit sein, dass wir „800 Jahre Minoritenorden in Österreich“ feiern werden. Es gilt als historisch sicher, dass die ersten Mitbrüder 1224 nach Wien gekommen sind. Unter ihnen waren Johannes de Piano Carpine, Albert von Pisa, Marcus von Mailand und Jacobus von Tarvisio. 

 

Zwischen Stolz und Wehmut

Im Laufe der Jahrhunderte gab es viele juristische Formen: von der Provinz über die Kustodie, hin zum Generalkommissariat und zur Generaldelegation. Seit dem Jahr 2012 gibt es nunmehr die Kustodie Österreich-Schweiz, die der deutschen Ordensprovinz zugeordnet ist.

Im Hinblick auf das Jubiläum 2024 ist es interessant, auf die eigene Vergangenheit zurückzublicken. 

Ein Blick in die Vergangenheit, der von Wehmut geprägt ist, wenn in einigen Orten nur mehr der Name „Minoriten“ darauf hinweist, dass es dort einst eine Niederlassung der Minderbrüder gegeben hat: Erwähnenswert hierbei ist, dass bis heute viele dieser Orte eng mit der Kulturszene verbunden sind. Eine Tatsache, die aufzeigt, dass die Minoriten sowohl für Kultur als auch für Wissenschaft viel übrig hatten! Daran erinnern wohl auch die vielen Handschriften und das Musikarchiv in der Zentralbibliothek im Wiener Minoritenkonvent. Große Verdienste um diese wichtige Bibliothek hat sich der 1982 verstorbene P. Landulf Honickel erworben, der die Bibliotheken der einzelnen Konvente in Wien zusammengelegt und das Provinzarchiv neu geordnet hatte. Dafür wurde er sogar vom österreichischen Präsidenten geehrt.

 

Abbrüche und Aufbrüche

Ein Blick in die Vergangenheit, der durchaus mit Stolz gemacht werden kann, in Erinnerung an das, was Mitbrüder gewirkt haben: So steht im Nekrologium der Name eines gewissen P. Cantus Altmann, der der Großonkel mütterlicherseits von Wolfgang Amadeus Mozart war. Während seiner Zeit als Provinzial wurden Böhmen und Schlesien von der österreichischen Provinz getrennt. Wie schon erwähnt, war die Wissenschaft ein wichtiges Tätigkeitsfeld. An die 81 Mitbrüder lehrten an der Wiener Universität oder hatten leitende Funktionen inne. Vierzehn von ihnen bekleideten das Amt eines Dekans der theologischen Fakultät. Einer von ihnen, P. Dietrich Kramer, wurde sogar zum Bischof gewählt, wobei er trotzdem sein Amt als Provinzial behielt!

Ab 1621 gab es eine eigene Ordenshochschule: Dies war vor allem der gegenreformatorischen Zeit geschuldet. Denn während der Reformationszeit hatte die österreichische Provinz sehr gelitten. Ein Neuaufbau musste gestartet werden. Dabei halfen Mitbrüder aus Deutschland und Italien mit!

Nicht zu vergessen sind jene Mitbrüder, die sich ihrem gottgeweihten Gehorsam verpflichtet fühlten und deshalb im 2. Weltkrieg aktiv gegen das grausame Naziregime auftraten und den Widerstand mit ihrem Leben bezahlten oder es erst im letzten Augenblick, mit Unterstützung der Bevölkerung, schafften, vor dem Zugriff der NS zu fliehen. Hier seien vor allem Br. Peter Blandénier und P. Ansgar Brehm erwähnt: Im Wiener Konvent hängt eine Gedanktafel an den Professkleriker Blandénier, in Graz gibt es einen Stolperstein, der an P. Ansgar erinnert. 

Der Blick ins Vergangene lehrt uns aber auch, mit Zuversicht voranzuschreiten. Denn Gott führt. Er lässt wachsen. Er lässt gedeihen. Aber auch manches wieder vergehen, wo es anscheinend nicht mehr von Nutzen ist. Das zu lernen und anzunehmen, ist nicht immer leicht. Es ist aber notwendig und wichtig, um unser Dasein nicht zu überschätzen, sondern in den Dienst Gottes, der Kirche und der Mitmenschen zu stellen.

 

Wiener Ursprünge

Begonnen hat alles, wie schon erwähnt, in Wien. Hier ist die Minoritenkirche im 1. Wiener Gemeindebezirk die bis heute älteste Niederlassung der Minoriten in Österreich. Ihr Ursprung geht in das 13. Jahrhundert zurück. Schon bald gewannen die Minoriten das Herz der Gläubigen, die sie in ihrem Wirken unterstützten. Diese Offenheit gegenüber den Brüdern rührte vor allem daher, dass es die neuen Seelsorger verstanden, den Menschen mit Einfachheit und Freundlichkeit zu begegnen. Von hier aus verbreitete sich die Ordenspräsenz über das heutige Niederösterreich (Stein an der Donau, Tulln, Wiener Neustadt, Hainburg und Laa an der Thaya) bis nach Oberösterreich (Linz, Enns und Wels), in die Steiermark (Bruck an der Mur, Graz und Judenburg), nach Kärnten (Villach und Wolfsberg) bis hin nach Vorarlberg (Viktorsberg). Die heutigen Niederlassungen unseres Ordens in Asparn an der Zaya sowie Neunkirchen wurden erst im 17. Jahrhundert im Zuge der Gegenreformation gestiftet. Bei der Liste der Konvente darf Wimpassing an der Leitha im Burgenland nicht vergessen werden: Dort befand sich einst das größte Kreuz Österreichs. Auf Umwegen kam es in den Wiener Stephansdom, wo es leider während der Angriffe im 2. Weltkrieg beim Brand des Domes verloren gegangen ist. P. Christian Fichtinger hat vor einigen Jahren auf Grund von Beschreibungen eine kleine Kopie anfertigen lassen, welche bei der Hauskapelle in Wien hängt. Um sich die wahren Dimensionen vor Augen zu führen (das Kreuz war etwa sieben Meter lang!), kann man im Seitenschiff von St. Stephan eine weiß-schwarze Kopie ansehen.

 

Internationale Gemeinschaft

Waren es früher viele Betätigungsfelder, in denen die Mitbrüder aktiv waren – bis hin zu beratenden und spirituellen Diensten am kaiserlichen Hof – so prägt heute vor allem die pfarrliche Seelsorge das Wirken der Brüdern. Diese ist gerade in den Konventen Asparn/Zaya, Neunkirchen und Graz ausdrücklich in den Stiftungsurkunden hervorgehoben. Sprachen damals die Stifter von „teutschsprechenden“ Mitbrüdern, die der Seelsorge nachgehen sollten, so wäre das heute alles nicht mehr möglich, hätten wir nicht die Hilfe von indischen, polnischen und rumänischen Mitbrüdern. Im Jahr 1991 hat unter Betreiben des damaligen Generalministers P. Lanfranco Serrini das Klerikat in Wien begonnen. Mitbrüder aus Polen und Rumänien, später auch aus Indien, waren eingeladen worden, ihr Studium in Wien zu machen. Einige sind dann auch geblieben, um in der Seelsorge mitzuhelfen. Und bis heute verdanken wir dieser guten Zusammenarbeit unter den Provinzen innerhalb des Ordens, dass wir nach wie vor in und durch unsere Konvente als Orden in Österreich wirken können. Um sich das Ausmaß dieser Hilfe vor Augen zu führen, sei nur kurz erwähnt, dass von den heute 18 in Österreich wirkenden Mitbrüdern nur mehr fünf Österreicher sind!

Diese Internationalität hat, neben all den Schwierigkeiten bezüglich der Sprache, der kulturellen Unterschiedlichkeiten und Ansichten, aber auch einen großen Reichtum: Die Notwendigkeit, über den eigenen Tellerrand zu blicken, aufeinander zuzugehen und sich gegenseitig zu stützen. 

 

Suche nach neuen Akzenten

Immer wieder machen wir uns Gedanken, welche Akzente wir als Brüder heute in einer sich stark ändernden Gesellschaft setzen sollen. Neben der Pfarrseelsorge in unseren inkorporierten Pfarren ist sicherlich auch die Wahrung unseres kulturellen Erbes eine wichtige Aufgabe. Dabei wollen wir aus dem Reichtum der Vergangenheit lernen und, wie einst die Mitbrüder im Laufe der Jahrhunderte, in die Gesellschaft und in die Zeit hineinwirken. Gerade die franziskanische Spiritualität hat hier eine große Möglichkeit: Denken wir nur an Themen wie die Unantastbarkeit der Menschenwürde, den Umgang mit „Bruder Tod“, um in der Diktion von Franz von Assisi zu bleiben, wie auch die geistliche Begleitung. Wenn Christus davon spricht, dass der wahre Jünger einer ist, der aus dem Schatz Altes und Neues hervorholt (s. Mt 13,52), so ist das für uns Minoriten in Österreich und der Schweiz die große Herausforderung, aus unserer Ordensgeschichte vieles zu schöpfen.

 

Vor allem: das Evangelium leben

Im Rückblick hat es in der österreichischen Provinz nie Bestrebungen gegeben, Missionen außerhalb des Landes oder sogar Europas zu gründen. Das wird viele Gründe haben, die heute nicht immer erkennbar sind. Es könnte vielleicht daran liegen, dass um die Konvente selbst herum die Mission, also das Gesandtsein, stattfinden soll. Obwohl immer die Sorge um neue Berufungen mitschwingt, lassen wir uns als Minoritenbrüder nicht entmutigen. Mit großem Eifer wollen wir die Worte unseres Ordensvaters in die Tat umsetzen: „Fangen wir an, Brüder, Gott unserem Herrn zu dienen, denn bisher haben wir kaum Fortschritte gemacht“ (FQ, LM XIV,1). Das soll nicht heißen, dass wir nur Neues erfinden müssen. Vielmehr liegt darin die Einladung, immer wieder nach dem Willen des Herrn für unseren Weg, für unsere Zeit, für unser Wirken als Orden zu fragen. Neue Möglichkeiten finden! In der Betreuung des Dritten Ordens Menschen für Glauben und franziskanische Spiritualität ansprechen; in der Familienpastoral in unseren Pfarrkindergärten jene Freude zu verwurzeln, mit der einst Franz von Assisi singend Gott lobte und das Herz der Menschen für Gott zum Schwingen brachte; in der Betreuung unserer Hauptbibliotheken in Wien und durch die 2012 geschaffene Kustodie in Fribourg selbst in der Forschung und Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte tätig werden. So können wir jene Bausteine, die Mitbrüder in Wissenschaft, Kunst und Musik gelegt haben, dazu nützen, den Weg des Glaubens zu festigen. 

Bei all den Aktivitäten und Bestrebungen dürfen wir aber auch niemals vergessen, worum damals Brüder von einem Franz von Assisi ausgesandt worden sind: Das Leben aus dem Evangelium zu leben und zu predigen beziehungsweise mit dem eigenen Leben zu bezeugen!

Zuletzt aktualisiert: 18. März 2018
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