König der Franken, Kaiser Europas

13. Dezember 2013 | von

Vor 1.200 Jahren verstarb Karl der Große – ein Jubiläum von europäischer Bedeutung. Seine Regentschaft vereinte Kirche und Königsmacht. Seine Normen für Religion, Politik und Bildung formten die Karolingische Renaissance und stellten die Weichen für unsere europäisch-abendländische Kultur.



Am 28. Januar 814 erlag der bedeutende Frankenkönig in der Kaiserresidenz zu Aachen einem Fieber. Seine letzten Worte „In deine Hände, Vater, befehle ich meinen Geist“ sind von kreativen Schreibern erdacht. Kaum etwas ist uns heute direkt von Karl dem Großen selbst überliefert, auch die Vita Karoli Magni schrieb der Biograf Einhard erst Jahre nach seinem Tod. Trotz Schönungen und Übertreibungen zeichnet sich das reale Bild eines Regenten ab, der als erster europäischer Kaiser die christlich-abendländische Kultur begründet und festigt.



KRÖNUNG AN WEIHNACHTEN

Den Höhepunkt seiner Macht besiegelt der 25. Dezember im Jahre 800. Während der Weihnachtsmesse in der Peterskirche in Rom – Karl der Große hatte sich gerade aus seiner liegenden Gebetshaltung kurz vor der Confessio erhoben – setzte ihm der Papst die Kaiserkrone auf. Zugleich schallten aus den Reihen der anwesenden Römer die Königslaudes, mit denen nach römischem Recht die Kaiserkrönung formal legitimiert wurde: „Höre, Christus! Karl, dem sehr frommen Erhabenen, dem von Gott gekrönten großen und friedenstiftenden Kaiser [schenke] Leben und Sieg!“ Einhard schildert später, Karl der Große sei von dem Zeremoniell überrumpelt worden und wäre wohl der Messe fern geblieben, hätte er so etwas geahnt. Sicherlich aber wusste der Gekrönte von der geplanten Zeremonie. Unzufrieden muss ihn wohl der Verlauf gestimmt haben. Als König der Franken wollte er die Franken gestärkt sehen, an besagter Krönungsmesse spielen jedoch Papst und Römer eine gewichtige Rolle.

Den Weg zum Kaisertum bereitete sein Vater Pippin, der sich mit seinen beiden Söhnen Karl und Karlmann 754 von Papst Stephan II. in St-Denis salben und segnen ließ. Karl war damals sechs Jahre alt. Das germanische Geblütsrecht war durch die kirchliche, göttliche Legitimation durchbrochen, und der ehemalige Hausmeier der bis dato herrschenden Merowinger sicherte den Karolingern den Königsthron. Dafür versprach der neue König dem Papsttum militärische und politische Unterstützung und führte die römische Liturgie im Frankenreich ein.



KRIEG UND MISSION

Nach dem Tod des Vaters 768 erben Karl und sein Bruder Karlmann nach fränkischer Tradition zu gleichen Teilen das Reich. Karlmann verstirbt früh und Karl reißt nun alles an sich. Die folgenden Jahre von 771 bis zur Kaiserkrönung prägen blutige Feldzüge gegen Italien und Spanien. Doch die wildesten Schlachten toben bald im Nordosten gegen die Sachsen und halten über dreißig Jahre an. Unrühmlicher Höhepunkt im Kampf gegen den heidnischen Germanenstamm bildet das Blutbad von Verden 782. Hunderte Aufständische finden den Tod, ganze Bevölkerungsteile werden deportiert und die berüchtigte Capitulatio de partibus Saxoniae tritt 791 in Kraft. Auf Taufverweigerung und jegliche anti-christliche und anti-königliche Handlungen steht nun die Todesstrafe. Zwangschristianisierung als Instrument der Unterwerfung – Karl der Große sieht sich als Hüter der Christenheit und hatte schon 775 angekündigt: „den ungläubigen und vertragsbrüchigen Stamm der Sachsen mit Krieg zu überziehen […], bis sie entweder besiegt und der christlichen Religion unterworfen oder gänzlich ausgerottet sind“. Seinen erbitterten Gegner Widukind zwingt er 785 in die Knie und dann vor das Taufbecken, wobei er selbst die Patenschaft des Besiegten übernimmt.



KONFLIKT MIT BYZANZ

Schon vor der endgültigen Entmachtung der Sachsen 804 war Karl zu hochverehrter Größe gereicht. Der Papst solle ein sittenstrenges Leben führen, die Kanones einhalten, die Kirche fromm leiten, durch seinen Lebenswandel ein Vorbild der Heiligkeit sein. Der König hingegen habe die Kirche überall zu verteidigen. Diese Benimmregeln erlaubt sich König Karl 795 dem Papst vorzugeben. Eine klare Rollenverteilung also, die von dem unglaublichen Einfluss des weltlichen Herrschers kündet, der dem Stellvertreter Gottes auf Erden Ratschläge erteilt. Als Papst Leo III. im Jahr 799 beim römischen Adel in Ungnade fällt, wendet er sich hilfesuchend zum fränkischen König, ebenso wie die päpstlichen Gegner. Auf die erfolgreiche Schlichtung dieses Zwistes folgte die Krönung des Schlichters zum Kaiser. Damit wurde auch die Ablösung der Päpste von Byzanz besiegelt. Eine riskante Wende, beanspruchte das byzantinische Reich doch die Regionen Dalmatien und Venetien. Erst 812 erkannte Byzanz Karl als erhabenen Kaiser diplomatisch an, allerdings ohne den Zusatz ‚Kaiser der Römer‘. Dies tat seiner Macht kaum Abbruch, einzig die unüberschaubare Größe seines Reiches muss dem Herrscher Sorgen gemacht haben.



KAROLINGISCHE RENAISSANCE

Kommunikation war der Schlüssel zum Machterhalt, der Hofstaat reiste daher fortwährend von Pfalz zu Pfalz, und Karl regierte über ein Wanderkönigtum, dessen Hauptstadt Aachen war. Früh erkannte er, dass es kluger Richtlinien bedarf, um Frieden, Recht und Gesetz im gesamten Gebiet aufrecht zu halten. Jährliche Reichsversammlungen und die Einführung zahlreicher Ämter, darunter auch das des Cancellarius („Kanzler“), waren die Folge. Eine ganze Epoche prägte er durch Reformen, besonders im Bereich der Bildung. Der Bildungsstand der Geistlichkeit hatte sich seit dem 7. Jahrhundert rapide verschlechtert. Karl der Große glaubte, dass das „Wissen dem Tun vorausgehe“. Motivation waren ihm die alttestamentarischen Könige. Ihnen gleich sah er seine Aufgabe als „Helfer“, der das Gottesvolk „auf die Weide des ewigen Lebens“ führt. Entsprechend verbinden sich in seinem Bildungskanon biblisch-patristische Gelehrsamkeit und das antike Modell der „freien Künste“.

In der Admonitio generalis 789, den „Allgemeinen Ermahnungen“, verewigte er diese Normen und legte den Grundstein zur Karolingischen Renaissance. Er versammelt die wichtigsten Gelehrten und beauftragt sie, eine Hofbibliothek aufzubauen. Zusammen mit der angeschlossenen Hofschule entwickelt sich diese schnell zum geistigen Zentrum des fränkischen Reiches. Neue Lehrbücher werden verfasst, vorhandene Werke gesammelt und kopiert. Ein Umstand, dem die Überlieferung zahlreicher christlicher und heidnischer Texte zu verdanken ist. Das königliche Lieblingsbuch war der „Gottesstaat“ des heiligen Augustinus. Er selbst konnte lesen, aber, wie damals unter Adligen üblich, nicht schreiben. Denn das Schreiben galt als Handwerk, und handwerkliche Aufgaben zierten einen Herrscher nicht.



Unter Karls Regentschaft vereinten sich Kirche und Königsmacht, auf der Frankfurter Synode von 794 wurde er sogar als rex et sacerdos (König und Priester) bezeichnet. Diese Verknüpfung fördert ungewollt eine Verweltlichung des höheren Klerus. Denn die Karolinger Könige verlangen von Bischöfen und Äbten auch die Ausführung weltlicher Aufgaben, etwa den Dienst am Hof. Einflussreiche Positionen, hinter denen so mancher den eigentlichen Auftrag zurückzustellt. Karls Söhnen gelang es nicht, das Frankenreich stabil und überlebensfähig zu halten. Drei Jahre nach dem Tod von Ludwig dem Frommen wird das Großreich, das der Vater aufgebaut hatte, im Vertrag von Verdun 843 aufgeteilt. Bis heute ist die Erinnerung an den ersten europäischen Kaiser mit einer europäischen Identität verknüpft. So steht seit 1988 der Karlspreis zu Aachen für außerordentliche Verdienste um Europa und die europäische Einigung.





Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016