Vom Augustiner zum Franziskaner

05. Februar 2017 | von

Die nächste Folge der Assidua widmet sich der Sehnsucht des jungen Augustiners Fernando nach dem Martyrium. Deswegen verlässt er seine Gemeinschaft und schließt sich als Antonius den Franziskanern an. Aber nicht alles läuft von Anfang an rund...

Als der Infant Don Pedro die Reliquien der heiligen franziskanischen Märtyrer (ermordet am 16. Januar 1220: Berardo, Pietro, Accursio, Adiuto und Ottone) aus Marokko zurückbrachte, ließ er alle Provinzen Spaniens wissen, wie er selbst auf wundersame Weise durch ihre Fürsprache befreit worden war. Als der Diener Gottes von den Wundern, die sich dank der Verdienste der Märtyrer ereigneten, hörte, stärkte er den Arm mit der Rüstung des göttlichen Eifers. Dabei unterstützte ihn die Kraft des Heiligen Geistes und ein eng um die Hüften geschnallter Glaube. Und er sprach zu sich in seinem Herzen: „O dass der Allerhöchste doch auch mich in den Kreis seiner heiligen Märtyrer aufnähme! Wenn doch der Krummsäbel des Henkers auch mich treffen würde, während ich auf den Knien meinen Hals im Namen Jesu hinhalte! Ob ich die Gnade haben werde, das zu erleben? Werde ich einen solch glücklichen Tag genießen dürfen?“ Solche und ähnliche Gedanken dachte er im Stillen bei sich.

Ordenswechsel
An einem Ort namens Sant’Antonio (gemeint ist S. Antonio de Olivais), nicht weit entfernt von der Stadt Coimbra gelegen, wohnten einige Minderbrüder. Sie waren zwar ungebildet, lehrten aber mit ihren Taten das Wesen der Heiligen Schrift. Gemäß den Bestimmungen ihrer Regel kamen sie oft zu dem Kloster, in dem der Mann Gottes lebte, um Almosen zu erbitten.
Und eines Tages, da sich Fernando wie üblich ihnen zugewandt hatte, um sie zu begrüßen und mit ihnen zu sprechen, sagte er unter anderem: „Liebe Brüder, mit innigem Verlangen möchte ich den Habit eures Ordens anziehen, insofern ihr mir versprecht, dass ihr mich, sobald ich unter euch bin, in das Land der Sarazenen schickt. Denn ich hoffe, dass auch ich die Krone der heiligen Märtyrer erlange!“ Voller Freude, diesen Wunsch von einem so angesehenen Bruder zu hören, legten die Brüder den nächsten Tag fest, um ihm den Habit zu bringen, um sein gefährliches Unternehmen nicht durch eine Verzögerung zu verschleppen.

Ein künftiger Heiliger?
Während die Brüder glücklich in ihren Konvent zurückkehrten, blieb der Diener Gottes zurück, da er ja noch den Abt um die Erlaubnis für das bitten musste, was er sich vorgenommen hatte. Er bearbeitete ihn mit großer Mühe, mit der Kraft allen Bittens. Am frühen Morgen kamen die Brüder eingedenk ihres Versprechens und kleideten den Diener Gottes im Kloster in aller Eile mit dem franziskanischen Habit ein.  
Die Einkleidung war kaum beendet, da eilte einer seiner Kanonikermitbrüder herbei und es platzte voller Bitterkeit aus ihm heraus: „Geh! Geh! Auf dass du ein Heiliger wirst...!“ Der Mann Gottes wandte sich ihm zu und antwortete bescheiden: „Nun gut, wenn du hörst, dass ich heilig geworden bin, vergiss nicht, den Herrn zu loben!“ Nach diesen Worten eilten die Brüder zurück in ihren Konvent, gefolgt von ihrem Neuling, den sie liebevoll empfingen. 
Da aber der Diener Gottes den Ansturm seiner Verwandten, die ihn gewiss suchen würden, fürchtete, traf er sorgsam Vorkehrungen, um ihren Nachforschungen auszuweichen. So ließ er von seinem früheren Namen ab und nahm jenen des Antonius an, so als ob er geahnt hätte, welch großer Bote des Wortes Gottes er einmal werden sollte. Und in der Tat bedeutet Antonius etwa so viel wie „einer, der hoch tönt“. Wenn er – einer schallenden Trompete gleich – unter den Gelehrten von der göttlichen Weisheit sprach, die im Geheimnis verborgen liegt, dann verkündete er so zahlreiche und derart tiefgründige Bedeutungen der Schriften, dass auch der, der mit der Bibelinterpretation vertraut war, selten die volle Macht seiner Worte zu erfassen vermochte. 

Gescheiterter Missionsversuch
Der Eifer, den Glauben zu verbreiten, drängte ihn mit stets zunehmender Kraft, und die Sehnsucht nach dem Martyrium, die in seinem Herzen brannte, ließ ihm keine Ruhe mehr. Und so geschah es, dass Antonius – dem Versprechen gemäß, das man ihm gegeben hatte und nachdem er die Erlaubnis bekam – eilig in das Land der Sarazenen aufbrach.
Aber der Allerhöchste, der das Herz des Menschen kennt, stellte sich seinen Plänen entgegen und schlug ihn mit einer schweren Erkrankung, die ihn den Winter über heimsuchte. Als er einsah, dass er nichts von dem vollbringen konnte, was er sich vorgenommen hatte, war er gezwungen, in sein Heimatland zurückzukehren, um wenigstens die Gesundheit des Körpers wieder zu erlangen. 
Während der Schiffsreise aber, als er sich schon darauf vorbereitete, in Spanien an Land zu gehen, strandete er auf Grund schwerer Stürme an der Küste Siziliens. Etwa um diese Zeit fand gemäß dem Beschluss das Generalkapitel bei Assisi statt. Als Antonius von den Brüdern in Messina davon gehört hatte, zeigte er sich nach außen hin kräftiger als er es in Wahrheit war und erreichte den Ort des Kapitels so gut er konnte. 

Übriggeblieben beim Kapitel
Nachdem das Kapitel in der vorgesehenen Weise beendet war und die Provinzialminister die ihnen anvertrauten Brüder an ihre Bestimmungsorte geschickt hatten, blieb nur Antonius verlassen beim Generalminister zurück: Er war von keinem der Provinzialminister erbeten worden – als einer, der, weil er unbekannt war, wie ein blutiger Anfänger erschien und zu nichts gut war. Schlussendlich, nachdem er Br. Graziano, der zu dieser Zeit Oberer für die Brüder in der Romagna war, zur Seite gebeten hatte, bat er ihn inständig, ihn – die Erlaubnis des Generalministers vorausgesetzt – mit sich in die Romagna zu nehmen, um ihm dort die ersten Grundlagen des Ordenslebens zu vermitteln. 
Er machte keinerlei Andeutungen bezüglich seiner Studien, prahlte nicht mit dem kirchlichen Amt, das er ausgeübt hatte, sondern verbarg seine Bildung und Klugheit aus Liebe zu Christus und erklärte, nichts anderes zu wollen, als den gekreuzigten Jesus zu ersehnen und zu umarmen.
Bruder Graziano bewunderte die außergewöhnliche Frömmigkeit, erhörte die Bitten des Gottesmannes und nahm ihn also mit sich in die Romagna. Durch Gottes Fügung dort angekommen, erhielt Antonius die Erlaubnis, sich um der Andacht willen in die Einsiedelei von Monte Paolo zurückzuziehen. Dort, jenseits allen weltlichen Treibens, tauchte er in den Frieden der Stille ein.

Rückzug in die Stille
Während sich Antonius in jener Einsiedelei aufhielt, hatte sich ein Bruder in einer Grotte eine Zelle zum Beten eingerichtet, um sich ungestört dem Herrn widmen zu können. Nachdem der Mann Gottes diese Grotte gesehen hatte und sie ihm als sehr geeigneter Ort für seine eigene Frömmigkeit erschien, wandte er sich bittend an den Bruder, damit dieser ihm jenen Zufluchtsort überließ. Als er also diesen Ort des Friedens erhalten hatte, zog der Diener Gottes sich jeden Tag, nachdem er die verpflichtenden Morgengebete mit der Gemeinschaft verrichtet hatte, in jene Zelle zurück. Dabei nahm er ein kleines Stück Brot und eine Schüssel voll Wasser mit sich. Auf diese Weise verbrachte er den Tag in aller Einsamkeit und zwang das Fleisch, allein dem Geist zu dienen. Nichtsdestotrotz kehrte er immer zum Zeitpunkt der Zusammenkunft der Brüder zurück, so wie es die Regel vorschreibt. 
Doch mehr als einmal geschah es, dass er sich beim Läuten der Glocke aufmachte, um die Brüder zu treffen, dann aber auf dem Weg, erschöpft vom Wachen und entkräftet vom Fasten, ins Wanken geriet und, weil er sich nicht festhalten konnte, auf den Boden fiel. Tatsächlich hatte er die Zügel seines Fleisches manches Mal so kräftig angezogen, dass er nicht mehr heim gekommen wäre, hätten die Brüder ihn nicht gestützt. Das bezeugt einer, der dabei gewesen ist.
 

Zuletzt aktualisiert: 05. Februar 2017
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